Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 1. Hildesheim, 1747.Der rothe Johannis Beeren Busch. So sieht man eine Meng von kleinen Sonnen glim-men, Jn deren Jnbegrif vergüldte Körner schwimmen. So wunderbar ist GOtt in seiner weisen Macht, Kein König glänzet so mit seiner Kronen Pracht, Als dieses Büschlein thut, daran die Beeren scheinen, Wie runde Kügelchen von glatten Edelsteinen. Jhr Schönen dieser Welt! seht dieses Busches Kranz, Beschaut den lieblichen, durchsichtgen Wunderglanz Welch ungezählte Meng von prächtigen Carbunkeln, Seht ihr an seinen Haupt, in schönster Ordnung fun- keln! Wie pranget eine Braut, wenn ihre Mirten Kron, Der Keuschheit grüner Schmuk, der reinen Tugend Lohn Mit Perlen durchgestikt, mit Diamant besezzet, Und andern Steinen mehr, die man von Werthe schäzzet! Und was ist dieser Schmuk, bei dem, was die Natur, An der Johannis Beer und ihres Buschs Figur Vor herrliches gemacht? Wie ist die Braut zu achten, Wenn wir im Gegentheil dies Kron Gebüsch be- trachten? Und woher kömt es doch, daß wir das künstlich Grün Mit Edelstein besetzt, dem, von Natur vorziehn, Da das Natürliche, doch noch viel schöner glänzzet, Als alles Künstliche, daß diese Schönen kränzzet? Es komt aus einen Trieb verkehrter Einbildung, Die zeuget unvermerkt hernach Verwunderung, Da wir demjenigen, was wir gar selten sehen, Bei dem Gewohnheitsschlaf, den Vorzug eingeste- hen. Man rühmt die Kostbarkeit, die jene Königin Cleopatra genannt, aus einen Hochmuts Sinn Die L 3
Der rothe Johannis Beeren Buſch. So ſieht man eine Meng von kleinen Sonnen glim-men, Jn deren Jnbegrif verguͤldte Koͤrner ſchwimmen. So wunderbar iſt GOtt in ſeiner weiſen Macht, Kein Koͤnig glaͤnzet ſo mit ſeiner Kronen Pracht, Als dieſes Buͤſchlein thut, daran die Beeren ſcheinen, Wie runde Kuͤgelchen von glatten Edelſteinen. Jhr Schoͤnen dieſer Welt! ſeht dieſes Buſches Kranz, Beſchaut den lieblichen, durchſichtgen Wunderglanz Welch ungezaͤhlte Meng von praͤchtigen Carbunkeln, Seht ihr an ſeinen Haupt, in ſchoͤnſter Ordnung fun- keln! Wie pranget eine Braut, wenn ihre Mirten Kron, Der Keuſchheit gruͤner Schmuk, der reinen Tugend Lohn Mit Perlen durchgeſtikt, mit Diamant beſezzet, Und andern Steinen mehr, die man von Werthe ſchaͤzzet! Und was iſt dieſer Schmuk, bei dem, was die Natur, An der Johannis Beer und ihres Buſchs Figur Vor herrliches gemacht? Wie iſt die Braut zu achten, Wenn wir im Gegentheil dies Kron Gebuͤſch be- trachten? Und woher koͤmt es doch, daß wir das kuͤnſtlich Gruͤn Mit Edelſtein beſetzt, dem, von Natur vorziehn, Da das Natuͤrliche, doch noch viel ſchoͤner glaͤnzzet, Als alles Kuͤnſtliche, daß dieſe Schoͤnen kraͤnzzet? Es komt aus einen Trieb verkehrter Einbildung, Die zeuget unvermerkt hernach Verwunderung, Da wir demjenigen, was wir gar ſelten ſehen, Bei dem Gewohnheitsſchlaf, den Vorzug eingeſte- hen. Man ruͤhmt die Koſtbarkeit, die jene Koͤnigin Cleopatra genannt, aus einen Hochmuts Sinn Die L 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0181" n="165"/> <fw place="top" type="header">Der rothe Johannis Beeren Buſch.</fw><lb/> <l>So ſieht man eine Meng von kleinen Sonnen glim-</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">men,</hi> </l><lb/> <l>Jn deren Jnbegrif verguͤldte Koͤrner ſchwimmen.</l><lb/> <l>So wunderbar iſt <hi rendition="#fr">GOtt</hi> in ſeiner weiſen Macht,</l><lb/> <l>Kein Koͤnig glaͤnzet ſo mit ſeiner Kronen Pracht,</l><lb/> <l>Als dieſes Buͤſchlein thut, daran die Beeren ſcheinen,</l><lb/> <l>Wie runde Kuͤgelchen von glatten Edelſteinen.</l><lb/> <l>Jhr Schoͤnen dieſer Welt! ſeht dieſes Buſches Kranz,</l><lb/> <l>Beſchaut den lieblichen, durchſichtgen Wunderglanz</l><lb/> <l>Welch ungezaͤhlte Meng von praͤchtigen Carbunkeln,</l><lb/> <l>Seht ihr an ſeinen Haupt, in ſchoͤnſter Ordnung fun-</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">keln!</hi> </l><lb/> <l>Wie pranget eine Braut, wenn ihre Mirten Kron,</l><lb/> <l>Der Keuſchheit gruͤner Schmuk, der reinen Tugend</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Lohn</hi> </l><lb/> <l>Mit Perlen durchgeſtikt, mit Diamant beſezzet,</l><lb/> <l>Und andern Steinen mehr, die man von Werthe</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">ſchaͤzzet!</hi> </l><lb/> <l>Und was iſt dieſer Schmuk, bei dem, was die Natur,</l><lb/> <l>An der Johannis Beer und ihres Buſchs Figur</l><lb/> <l>Vor herrliches gemacht? Wie iſt die Braut zu achten,</l><lb/> <l>Wenn wir im Gegentheil dies Kron Gebuͤſch be-</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">trachten?</hi> </l><lb/> <l>Und woher koͤmt es doch, daß wir das kuͤnſtlich Gruͤn</l><lb/> <l>Mit Edelſtein beſetzt, dem, von Natur vorziehn,</l><lb/> <l>Da das Natuͤrliche, doch noch viel ſchoͤner glaͤnzzet,</l><lb/> <l>Als alles Kuͤnſtliche, daß dieſe Schoͤnen kraͤnzzet?</l><lb/> <l>Es komt aus einen Trieb verkehrter Einbildung,</l><lb/> <l>Die zeuget unvermerkt hernach Verwunderung,</l><lb/> <l>Da wir demjenigen, was wir gar ſelten ſehen,</l><lb/> <l>Bei dem Gewohnheitsſchlaf, den Vorzug eingeſte-</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">hen.</hi> </l><lb/> <l>Man ruͤhmt die Koſtbarkeit, die jene Koͤnigin</l><lb/> <l>Cleopatra genannt, aus einen Hochmuts Sinn</l><lb/> <fw place="bottom" type="sig">L 3</fw> <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [165/0181]
Der rothe Johannis Beeren Buſch.
So ſieht man eine Meng von kleinen Sonnen glim-
men,
Jn deren Jnbegrif verguͤldte Koͤrner ſchwimmen.
So wunderbar iſt GOtt in ſeiner weiſen Macht,
Kein Koͤnig glaͤnzet ſo mit ſeiner Kronen Pracht,
Als dieſes Buͤſchlein thut, daran die Beeren ſcheinen,
Wie runde Kuͤgelchen von glatten Edelſteinen.
Jhr Schoͤnen dieſer Welt! ſeht dieſes Buſches Kranz,
Beſchaut den lieblichen, durchſichtgen Wunderglanz
Welch ungezaͤhlte Meng von praͤchtigen Carbunkeln,
Seht ihr an ſeinen Haupt, in ſchoͤnſter Ordnung fun-
keln!
Wie pranget eine Braut, wenn ihre Mirten Kron,
Der Keuſchheit gruͤner Schmuk, der reinen Tugend
Lohn
Mit Perlen durchgeſtikt, mit Diamant beſezzet,
Und andern Steinen mehr, die man von Werthe
ſchaͤzzet!
Und was iſt dieſer Schmuk, bei dem, was die Natur,
An der Johannis Beer und ihres Buſchs Figur
Vor herrliches gemacht? Wie iſt die Braut zu achten,
Wenn wir im Gegentheil dies Kron Gebuͤſch be-
trachten?
Und woher koͤmt es doch, daß wir das kuͤnſtlich Gruͤn
Mit Edelſtein beſetzt, dem, von Natur vorziehn,
Da das Natuͤrliche, doch noch viel ſchoͤner glaͤnzzet,
Als alles Kuͤnſtliche, daß dieſe Schoͤnen kraͤnzzet?
Es komt aus einen Trieb verkehrter Einbildung,
Die zeuget unvermerkt hernach Verwunderung,
Da wir demjenigen, was wir gar ſelten ſehen,
Bei dem Gewohnheitsſchlaf, den Vorzug eingeſte-
hen.
Man ruͤhmt die Koſtbarkeit, die jene Koͤnigin
Cleopatra genannt, aus einen Hochmuts Sinn
Die
L 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen01_1747 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen01_1747/181 |
Zitationshilfe: | Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 1. Hildesheim, 1747, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen01_1747/181>, abgerufen am 21.07.2024. |