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Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 1. Hildesheim, 1747.

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Ein fliessender Bach.
Darauf die Schönheitsbilder mahlen.
O! welche weise Gottheits Hand
Dreht so der Sonnen Wunder Brand
Auf dieses glatten Bachs Cristallen,
Daß es nach unsern Augen Licht,
Uns dünkt, wir sehen dein Gesicht
Daraus o GOtt! zurükke prallen.

Wen man mit Andacht rauschen hört
Die Silberfluthen heller Bächen,
Dadurch ein sanfftes Lüfftgen fährt,
So deucht mir, daß sie murmelnd sprechen:
Jhr Menschen! sehet unsern Flus,
Da folget immer Gus auf Gus;
Ein Tropfe folget stets dem andern:
Wir müssen; ob uns gleich die Pracht,
Der holden Wiesen sehr anlacht,
Dennoch aus ihren Grenzen wandern.
Und wen wir ihre Schönheit sehn,
Die wir auf unsrer Flucht kaum grüssen;
So dürffen wir nicht stille stehn,
Wir müssen immer weiter fliessen:
Sonst würde unser stiller Gang
Bei mehrern Zuflus im Gedrang
Die Wiesen selbsten überschwemmen;
Und durch den nassen Ueberflus
Euch zum empfindlichsten Verdrus,
Der schönen Blumen Wachsthum hemmen.
Wir eilen fort in unsern Lauf,
Wie uns des Ufers Riegel gängeln,
Und hält uns Schilf und Steine auf:
So trachten wir umher zu schlängeln,
Bis

Ein flieſſender Bach.
Darauf die Schoͤnheitsbilder mahlen.
O! welche weiſe Gottheits Hand
Dreht ſo der Sonnen Wunder Brand
Auf dieſes glatten Bachs Criſtallen,
Daß es nach unſern Augen Licht,
Uns duͤnkt, wir ſehen dein Geſicht
Daraus o GOtt! zuruͤkke prallen.

Wen man mit Andacht rauſchen hoͤrt
Die Silberfluthen heller Baͤchen,
Dadurch ein ſanfftes Luͤfftgen faͤhrt,
So deucht mir, daß ſie murmelnd ſprechen:
Jhr Menſchen! ſehet unſern Flus,
Da folget immer Gus auf Gus;
Ein Tropfe folget ſtets dem andern:
Wir muͤſſen; ob uns gleich die Pracht,
Der holden Wieſen ſehr anlacht,
Dennoch aus ihren Grenzen wandern.
Und wen wir ihre Schoͤnheit ſehn,
Die wir auf unſrer Flucht kaum gruͤſſen;
So duͤrffen wir nicht ſtille ſtehn,
Wir muͤſſen immer weiter flieſſen:
Sonſt wuͤrde unſer ſtiller Gang
Bei mehrern Zuflus im Gedrang
Die Wieſen ſelbſten uͤberſchwemmen;
Und durch den naſſen Ueberflus
Euch zum empfindlichſten Verdrus,
Der ſchoͤnen Blumen Wachsthum hemmen.
Wir eilen fort in unſern Lauf,
Wie uns des Ufers Riegel gaͤngeln,
Und haͤlt uns Schilf und Steine auf:
So trachten wir umher zu ſchlaͤngeln,
Bis
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[104/0120] Ein flieſſender Bach. Darauf die Schoͤnheitsbilder mahlen. O! welche weiſe Gottheits Hand Dreht ſo der Sonnen Wunder Brand Auf dieſes glatten Bachs Criſtallen, Daß es nach unſern Augen Licht, Uns duͤnkt, wir ſehen dein Geſicht Daraus o GOtt! zuruͤkke prallen. Wen man mit Andacht rauſchen hoͤrt Die Silberfluthen heller Baͤchen, Dadurch ein ſanfftes Luͤfftgen faͤhrt, So deucht mir, daß ſie murmelnd ſprechen: Jhr Menſchen! ſehet unſern Flus, Da folget immer Gus auf Gus; Ein Tropfe folget ſtets dem andern: Wir muͤſſen; ob uns gleich die Pracht, Der holden Wieſen ſehr anlacht, Dennoch aus ihren Grenzen wandern. Und wen wir ihre Schoͤnheit ſehn, Die wir auf unſrer Flucht kaum gruͤſſen; So duͤrffen wir nicht ſtille ſtehn, Wir muͤſſen immer weiter flieſſen: Sonſt wuͤrde unſer ſtiller Gang Bei mehrern Zuflus im Gedrang Die Wieſen ſelbſten uͤberſchwemmen; Und durch den naſſen Ueberflus Euch zum empfindlichſten Verdrus, Der ſchoͤnen Blumen Wachsthum hemmen. Wir eilen fort in unſern Lauf, Wie uns des Ufers Riegel gaͤngeln, Und haͤlt uns Schilf und Steine auf: So trachten wir umher zu ſchlaͤngeln, Bis

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Zitationshilfe: Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 1. Hildesheim, 1747, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen01_1747/120>, abgerufen am 01.05.2024.