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Ebbinghaus, Hermann: Über das Gedächtnis. Leipzig, 1885.

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allgemeine Charakter des Resultats würde derselbe bleiben,
wenn man selbst jeden Wert um die ganze Breite seines
wahrscheinlichen Fehlers für falsch hielte. Man erkennt diesen
Charakter nach Zuziehung des oben (S. 76) mitgeteilten Wertes
für das Auswendiglernen von sechs vorher nicht eingeprägten
16silbigen Reihen. Dasselbe fand statt in 1270 Sekunden.
Nach vorausgegangener 16maliger Wiederholung der ursprüng-
lichen Reihen wurden demnach die abgeleiteten Reihen ge-
lernt mit einer Ersparnis von 100 Sekunden, nach voraus-
gegangener 64maliger Wiederholung mit einer solchen von
161 Sekunden. Die vierfache Zahl von Wiederholungen be-
wirkte nur wenig mehr als die anderthalbfache Ersparnis.
Die Verstärkung der über ein Zwischenglied hinweg statt-
findenden Associationen geschah also in den untersuchten
Fällen keineswegs proportional der Anzahl der Wiederholungen,
selbst nicht innerhalb der Grenzen, in denen dies für die
Associationen von Glied zu Folgeglied merklich der Fall war.
Vielmehr nahm die Wirkung der Wiederholungen für die Asso-
ciationen der mittelbaren Folge erheblich früher und erheblich
schneller ab als für diejenigen der unmittelbaren Folge.

Sehr gut passt zu dem gefundenen Wertepaar die oben
(S. 136,1) -- wie hier ohne Ausschluss des Wissens -- ermittelte
Zahl für das Lernen von abgeleiteten Reihen, die Tags vor-
her in ihrer ursprünglichen Form bis zur erstmöglichen Re-
produktion eingeprägt worden waren. Dieselbe ist allerdings
unter etwas anderen Bedingungen erhalten worden. Erstens
wurde auf die Einprägung nicht immer dieselbe Anzahl von
Wiederholungen verwandt, sondern jedesmal so viele, wie für
die Erzielung der erstmöglichen Reproduktion nötig waren,
d. h. nicht genau, sondern durchschnittlich 32. Ausserdem
war die Art der Ableitung der Reihen eine etwas andere,
wie soeben auseinandergesetzt wurde. Allein diese Verschie-

allgemeine Charakter des Resultats würde derselbe bleiben,
wenn man selbst jeden Wert um die ganze Breite seines
wahrscheinlichen Fehlers für falsch hielte. Man erkennt diesen
Charakter nach Zuziehung des oben (S. 76) mitgeteilten Wertes
für das Auswendiglernen von sechs vorher nicht eingeprägten
16silbigen Reihen. Dasselbe fand statt in 1270 Sekunden.
Nach vorausgegangener 16maliger Wiederholung der ursprüng-
lichen Reihen wurden demnach die abgeleiteten Reihen ge-
lernt mit einer Ersparnis von 100 Sekunden, nach voraus-
gegangener 64maliger Wiederholung mit einer solchen von
161 Sekunden. Die vierfache Zahl von Wiederholungen be-
wirkte nur wenig mehr als die anderthalbfache Ersparnis.
Die Verstärkung der über ein Zwischenglied hinweg statt-
findenden Associationen geschah also in den untersuchten
Fällen keineswegs proportional der Anzahl der Wiederholungen,
selbst nicht innerhalb der Grenzen, in denen dies für die
Associationen von Glied zu Folgeglied merklich der Fall war.
Vielmehr nahm die Wirkung der Wiederholungen für die Asso-
ciationen der mittelbaren Folge erheblich früher und erheblich
schneller ab als für diejenigen der unmittelbaren Folge.

Sehr gut paſst zu dem gefundenen Wertepaar die oben
(S. 136,1) — wie hier ohne Ausschluſs des Wissens — ermittelte
Zahl für das Lernen von abgeleiteten Reihen, die Tags vor-
her in ihrer ursprünglichen Form bis zur erstmöglichen Re-
produktion eingeprägt worden waren. Dieselbe ist allerdings
unter etwas anderen Bedingungen erhalten worden. Erstens
wurde auf die Einprägung nicht immer dieselbe Anzahl von
Wiederholungen verwandt, sondern jedesmal so viele, wie für
die Erzielung der erstmöglichen Reproduktion nötig waren,
d. h. nicht genau, sondern durchschnittlich 32. Auſserdem
war die Art der Ableitung der Reihen eine etwas andere,
wie soeben auseinandergesetzt wurde. Allein diese Verschie-

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[159/0175] allgemeine Charakter des Resultats würde derselbe bleiben, wenn man selbst jeden Wert um die ganze Breite seines wahrscheinlichen Fehlers für falsch hielte. Man erkennt diesen Charakter nach Zuziehung des oben (S. 76) mitgeteilten Wertes für das Auswendiglernen von sechs vorher nicht eingeprägten 16silbigen Reihen. Dasselbe fand statt in 1270 Sekunden. Nach vorausgegangener 16maliger Wiederholung der ursprüng- lichen Reihen wurden demnach die abgeleiteten Reihen ge- lernt mit einer Ersparnis von 100 Sekunden, nach voraus- gegangener 64maliger Wiederholung mit einer solchen von 161 Sekunden. Die vierfache Zahl von Wiederholungen be- wirkte nur wenig mehr als die anderthalbfache Ersparnis. Die Verstärkung der über ein Zwischenglied hinweg statt- findenden Associationen geschah also in den untersuchten Fällen keineswegs proportional der Anzahl der Wiederholungen, selbst nicht innerhalb der Grenzen, in denen dies für die Associationen von Glied zu Folgeglied merklich der Fall war. Vielmehr nahm die Wirkung der Wiederholungen für die Asso- ciationen der mittelbaren Folge erheblich früher und erheblich schneller ab als für diejenigen der unmittelbaren Folge. Sehr gut paſst zu dem gefundenen Wertepaar die oben (S. 136,1) — wie hier ohne Ausschluſs des Wissens — ermittelte Zahl für das Lernen von abgeleiteten Reihen, die Tags vor- her in ihrer ursprünglichen Form bis zur erstmöglichen Re- produktion eingeprägt worden waren. Dieselbe ist allerdings unter etwas anderen Bedingungen erhalten worden. Erstens wurde auf die Einprägung nicht immer dieselbe Anzahl von Wiederholungen verwandt, sondern jedesmal so viele, wie für die Erzielung der erstmöglichen Reproduktion nötig waren, d. h. nicht genau, sondern durchschnittlich 32. Auſserdem war die Art der Ableitung der Reihen eine etwas andere, wie soeben auseinandergesetzt wurde. Allein diese Verschie-

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Zitationshilfe: Ebbinghaus, Hermann: Über das Gedächtnis. Leipzig, 1885, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebbinghaus_gedaechtnis_1885/175>, abgerufen am 28.04.2024.