Sie schien von dem Antheile gerührt, den ich ihr bewies. Eines Tages kam sie selbst auf den Gegenstand zurück, worauf ich sie zu bringen ge- wünscht hatte. "Die Leiden, die ich erduldet "habe", sagte sie, "müssen so sonderbar erschei- "nen, daß ich immer einen großen Widerwillen "empfunden habe, solche mitzutheilen. Es kann "niemand über die Leiden Anderer urtheilen, "und Vertraute sind fast immer Ankläger." --
"Fürchten Sie dieß nicht von mir", sagte ich zu ihr; "ich sehe zu sehr, welche Zerstörung der "Kummer bei Jhnen hervorgebracht hat, um "den Jhrigen nicht für aufrichtig zu halten." -- "Sie mögen ihn wohl aufrichtig finden", erwie- derte sie", allein er wird Jhnen nicht vernünftig "vorkommen. Und zugegeben, was Sie sagen",
Sie ſchien von dem Antheile gerührt, den ich ihr bewies. Eines Tages kam ſie ſelbſt auf den Gegenſtand zurück, worauf ich ſie zu bringen ge- wünſcht hatte. „Die Leiden, die ich erduldet „habe‟, ſagte ſie, „müſſen ſo ſonderbar erſchei- „nen, daß ich immer einen großen Widerwillen „empfunden habe, ſolche mitzutheilen. Es kann „niemand über die Leiden Anderer urtheilen, „und Vertraute ſind faſt immer Ankläger.‟ —
„Fürchten Sie dieß nicht von mir‟, ſagte ich zu ihr; „ich ſehe zu ſehr, welche Zerſtörung der „Kummer bei Jhnen hervorgebracht hat, um „den Jhrigen nicht für aufrichtig zu halten.‟ — „Sie mögen ihn wohl aufrichtig finden‟, erwie- derte ſie‟, allein er wird Jhnen nicht vernünftig „vorkommen. Und zugegeben, was Sie ſagen‟,
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Sie ſchien von dem Antheile gerührt, den ich ihr
bewies. Eines Tages kam ſie ſelbſt auf den
Gegenſtand zurück, worauf ich ſie zu bringen ge-
wünſcht hatte. „Die Leiden, die ich erduldet
„habe‟, ſagte ſie, „müſſen ſo ſonderbar erſchei-
„nen, daß ich immer einen großen Widerwillen
„empfunden habe, ſolche mitzutheilen. Es kann
„niemand über die Leiden Anderer urtheilen,
„und Vertraute ſind faſt immer Ankläger.‟ —
„Fürchten Sie dieß nicht von mir‟, ſagte ich
zu ihr; „ich ſehe zu ſehr, welche Zerſtörung der
„Kummer bei Jhnen hervorgebracht hat, um
„den Jhrigen nicht für aufrichtig zu halten.‟ —
„Sie mögen ihn wohl aufrichtig finden‟, erwie-
derte ſie‟, allein er wird Jhnen nicht vernünftig
„vorkommen. Und zugegeben, was Sie ſagen‟,
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Duras, Claire de Durfort de: Urika, die Negerin. Übers. v. [Ehrenfried Stöber]. Frankfurt (Main), 1824, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/duras_urika_1824/14>, abgerufen am 16.07.2024.
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