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Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885.

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angewandten Mathematik in einem andern Sinne des Worts recht
unrein gemacht, nämlich Dummheiten und Hässlichkeiten hinein-
gepinselt. So etwas könnte eher abschreckend wirken; allein es
handelt sich für vernünftige Interessenten niemals um solche Ge-
richte, ja überhaupt nicht um jenen von der Eitelkeit und Be-
schränktheit angerichteten Kohl. Was derjenige Mensch, der sich
mit Schulsottise nicht zum Narren halten lässt, ernsthaft braucht,
ist die echte Mathematik mit ihren erheblichen Errungenschaften
und in ihrer Beziehung zur wesentlichen Erkenntniss der Natur
der Dinge. Hier ist nun keine Noth, dass antikes Pedantenthum
oder neuste Zerfahrenheiten sonderlich schaden. Es wird näm-
lich für den Lernenden zur Reinhaltung des Weges nichts weiter
erfordert, als dass er sich nicht auf hohle und unnütze Dinge
ablenken und nicht von autoritärem, handgreiflichem Unsinn im-
poniren lasse.

Bedenken wir zunächst das, was für gründliche astronomi-
sche Bildung an Mathematik in Frage kommt. Dies ist in der
That, wenn man es nur recht auszuwählen versteht, weder son-
derlich schwer noch sonderlich viel. Vor allen Dingen erfordert
jegliche Orientirung im Raume die Kugel als Mittel, und man
muss mit so etwas, wie beispielsweise Parallelkreisen und Meri-
dianen, auch mathematisch nach Gründen Bescheid wissen, ja
äussersten Falls auch vom Mittelpunkt der Kugel aus körperliche
Winkel und zugehörige sphärische Dreiecke vorzustellen und in
einigen Punkten zu behandeln wissen, wenn man in diesem Ge-
biet zulänglich ausgerüstet sein will. Zur Berechnung der Ent-
fernungen im Weltraum genügt die einfache Berechnung eines
ebnen Dreiecks. Zur Kennzeichnung der planetarischen Bahnen
genügen die analytisch geometrischen Begriffsbestimmungen der
Kegelschnitte, d. h. jener einfachsten Curven zweiten Grades, zu
denen auch der Kreis gehört und unter denen die Ellipse den
wichtigsten Specialfall bildet.

Geht man von dem räumlich Sichtbaren in der Astronomie
zu den hervorbringenden Kräften über, so werden jene Curven
ihrem innersten Wesen nach bestimmbar. Alsdann sind sie näm-
lich als mechanische Erzeugnisse zu begreifen, und diese Art
ihrer Bestimmung ist nicht nur die vollständigste, nämlich die-
jenige mit Rücksicht auf die Zeit, sondern die auch in der ab-
stracten Mathematik von Raum und Zeit am meisten natur-
gemässe. Dieses Stück Studium, versteht sich nach der analytisch

angewandten Mathematik in einem andern Sinne des Worts recht
unrein gemacht, nämlich Dummheiten und Hässlichkeiten hinein-
gepinselt. So etwas könnte eher abschreckend wirken; allein es
handelt sich für vernünftige Interessenten niemals um solche Ge-
richte, ja überhaupt nicht um jenen von der Eitelkeit und Be-
schränktheit angerichteten Kohl. Was derjenige Mensch, der sich
mit Schulsottise nicht zum Narren halten lässt, ernsthaft braucht,
ist die echte Mathematik mit ihren erheblichen Errungenschaften
und in ihrer Beziehung zur wesentlichen Erkenntniss der Natur
der Dinge. Hier ist nun keine Noth, dass antikes Pedantenthum
oder neuste Zerfahrenheiten sonderlich schaden. Es wird näm-
lich für den Lernenden zur Reinhaltung des Weges nichts weiter
erfordert, als dass er sich nicht auf hohle und unnütze Dinge
ablenken und nicht von autoritärem, handgreiflichem Unsinn im-
poniren lasse.

Bedenken wir zunächst das, was für gründliche astronomi-
sche Bildung an Mathematik in Frage kommt. Dies ist in der
That, wenn man es nur recht auszuwählen versteht, weder son-
derlich schwer noch sonderlich viel. Vor allen Dingen erfordert
jegliche Orientirung im Raume die Kugel als Mittel, und man
muss mit so etwas, wie beispielsweise Parallelkreisen und Meri-
dianen, auch mathematisch nach Gründen Bescheid wissen, ja
äussersten Falls auch vom Mittelpunkt der Kugel aus körperliche
Winkel und zugehörige sphärische Dreiecke vorzustellen und in
einigen Punkten zu behandeln wissen, wenn man in diesem Ge-
biet zulänglich ausgerüstet sein will. Zur Berechnung der Ent-
fernungen im Weltraum genügt die einfache Berechnung eines
ebnen Dreiecks. Zur Kennzeichnung der planetarischen Bahnen
genügen die analytisch geometrischen Begriffsbestimmungen der
Kegelschnitte, d. h. jener einfachsten Curven zweiten Grades, zu
denen auch der Kreis gehört und unter denen die Ellipse den
wichtigsten Specialfall bildet.

Geht man von dem räumlich Sichtbaren in der Astronomie
zu den hervorbringenden Kräften über, so werden jene Curven
ihrem innersten Wesen nach bestimmbar. Alsdann sind sie näm-
lich als mechanische Erzeugnisse zu begreifen, und diese Art
ihrer Bestimmung ist nicht nur die vollständigste, nämlich die-
jenige mit Rücksicht auf die Zeit, sondern die auch in der ab-
stracten Mathematik von Raum und Zeit am meisten natur-
gemässe. Dieses Stück Studium, versteht sich nach der analytisch

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[89/0098] angewandten Mathematik in einem andern Sinne des Worts recht unrein gemacht, nämlich Dummheiten und Hässlichkeiten hinein- gepinselt. So etwas könnte eher abschreckend wirken; allein es handelt sich für vernünftige Interessenten niemals um solche Ge- richte, ja überhaupt nicht um jenen von der Eitelkeit und Be- schränktheit angerichteten Kohl. Was derjenige Mensch, der sich mit Schulsottise nicht zum Narren halten lässt, ernsthaft braucht, ist die echte Mathematik mit ihren erheblichen Errungenschaften und in ihrer Beziehung zur wesentlichen Erkenntniss der Natur der Dinge. Hier ist nun keine Noth, dass antikes Pedantenthum oder neuste Zerfahrenheiten sonderlich schaden. Es wird näm- lich für den Lernenden zur Reinhaltung des Weges nichts weiter erfordert, als dass er sich nicht auf hohle und unnütze Dinge ablenken und nicht von autoritärem, handgreiflichem Unsinn im- poniren lasse. Bedenken wir zunächst das, was für gründliche astronomi- sche Bildung an Mathematik in Frage kommt. Dies ist in der That, wenn man es nur recht auszuwählen versteht, weder son- derlich schwer noch sonderlich viel. Vor allen Dingen erfordert jegliche Orientirung im Raume die Kugel als Mittel, und man muss mit so etwas, wie beispielsweise Parallelkreisen und Meri- dianen, auch mathematisch nach Gründen Bescheid wissen, ja äussersten Falls auch vom Mittelpunkt der Kugel aus körperliche Winkel und zugehörige sphärische Dreiecke vorzustellen und in einigen Punkten zu behandeln wissen, wenn man in diesem Ge- biet zulänglich ausgerüstet sein will. Zur Berechnung der Ent- fernungen im Weltraum genügt die einfache Berechnung eines ebnen Dreiecks. Zur Kennzeichnung der planetarischen Bahnen genügen die analytisch geometrischen Begriffsbestimmungen der Kegelschnitte, d. h. jener einfachsten Curven zweiten Grades, zu denen auch der Kreis gehört und unter denen die Ellipse den wichtigsten Specialfall bildet. Geht man von dem räumlich Sichtbaren in der Astronomie zu den hervorbringenden Kräften über, so werden jene Curven ihrem innersten Wesen nach bestimmbar. Alsdann sind sie näm- lich als mechanische Erzeugnisse zu begreifen, und diese Art ihrer Bestimmung ist nicht nur die vollständigste, nämlich die- jenige mit Rücksicht auf die Zeit, sondern die auch in der ab- stracten Mathematik von Raum und Zeit am meisten natur- gemässe. Dieses Stück Studium, versteht sich nach der analytisch

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Zitationshilfe: Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/duehring_berufsbildung_1885/98>, abgerufen am 24.11.2024.