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Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885.

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dem Maasse eine eigentlich wissenschaftliche Kunst, wie es das
Ingenieur- und Baufach sind. Von den vermeintlichen oder
wahren Hülfswissenschaften der Medicin kann man sehr viel in
die "höhere Vorschulung" verweisen. Beispielsweise werden
Physik und Chemie nicht wie heute zweimal erscheinen, nämlich
erst auf Gymnasien oder Realschulen unzulänglich und dann noch
einmal auf Universitäten, wo sie von den Medicinern aber auch
nur als Nothvorlesungen um der künftigen professoralen Examina-
toren willen benutzt und von den Docirenden in der auch zugleich
für Apotheker berechneten Manier hübsch elementar oder viel-
mehr platt aufgetischt werden. Eine solche Zeit- und Geldver-
schwendung könnte in einem gesund organisirten System nicht
vorkommen; dort würden derartige Erfordernisse als allgemeine
Bildungswissenschaften in den "höhern Vorschulen" gründlich
und ein für alle Mal abgemacht, und die Beschäftigung mit diesen
elementaren Grundlagen der naturwissenschaftlichen Bildung
könnte schon in ein sehr jugendliches Alter fallen. Es blieben
alsdann, um wieder das Beispiel der Medicin zu Grunde zu legen,
als technische Fachstudien nur detaillirte Anatomie und Physio-
logie des gesunden und kranken Zustandes, ferner eine an die
unmittelbare Erfahrung angeknüpfte Krankheitslehre und die
Heilmittelkunde übrig, zu welchem theoretischen Stoff sich dann
weiter die praktischen Uebungen und Hantirungen zu gesellen
hätten. Wirft man den unnützen Gelehrsamkeitsballast, den me-
dicinischen Aberglauben, die Ueberlieferungen der ärztlich priester-
haften Charlatanerie und allen scholastisch formellen Kram eines
hohlen Pedantismus über Bord, so wird man wahrlich nicht zu
viel Gediegenes zu lehren und zu lernen übrig behalten. Ge-
wissenhaft Lehrende werden sogar eher in Verlegenheit gerathen,
die angesetzte Zeit wahrhaft interessant mit echtem und brauch-
barem Wissensmaterial auszufüllen, als etwa den heutigen Mono-
polisten nachzuahmen, die unter der Wissenslast, die sie ablagern
zu müssen vorgeben, zusammenbrechen wollen und zu den bereits
viel zu langen vier zünftlerischen Lehrjahren noch eines oder
zwei zu ihren bisherigen Zwangs- und Bannprivilegien hinzu-
fordern, um künstlich sozusagen mit der Dienstzeit der Studenten
den Umfang der jedes Jahr verfügbaren Zuhörerkundschaft zu
vermehren.

Wirklich gute Einrichtungen gehen von den Bedürfnissen des
Publicums und nicht von den Gelüsten der Monopolinhaber eines

dem Maasse eine eigentlich wissenschaftliche Kunst, wie es das
Ingenieur- und Baufach sind. Von den vermeintlichen oder
wahren Hülfswissenschaften der Medicin kann man sehr viel in
die „höhere Vorschulung“ verweisen. Beispielsweise werden
Physik und Chemie nicht wie heute zweimal erscheinen, nämlich
erst auf Gymnasien oder Realschulen unzulänglich und dann noch
einmal auf Universitäten, wo sie von den Medicinern aber auch
nur als Nothvorlesungen um der künftigen professoralen Examina-
toren willen benutzt und von den Docirenden in der auch zugleich
für Apotheker berechneten Manier hübsch elementar oder viel-
mehr platt aufgetischt werden. Eine solche Zeit- und Geldver-
schwendung könnte in einem gesund organisirten System nicht
vorkommen; dort würden derartige Erfordernisse als allgemeine
Bildungswissenschaften in den „höhern Vorschulen“ gründlich
und ein für alle Mal abgemacht, und die Beschäftigung mit diesen
elementaren Grundlagen der naturwissenschaftlichen Bildung
könnte schon in ein sehr jugendliches Alter fallen. Es blieben
alsdann, um wieder das Beispiel der Medicin zu Grunde zu legen,
als technische Fachstudien nur detaillirte Anatomie und Physio-
logie des gesunden und kranken Zustandes, ferner eine an die
unmittelbare Erfahrung angeknüpfte Krankheitslehre und die
Heilmittelkunde übrig, zu welchem theoretischen Stoff sich dann
weiter die praktischen Uebungen und Hantirungen zu gesellen
hätten. Wirft man den unnützen Gelehrsamkeitsballast, den me-
dicinischen Aberglauben, die Ueberlieferungen der ärztlich priester-
haften Charlatanerie und allen scholastisch formellen Kram eines
hohlen Pedantismus über Bord, so wird man wahrlich nicht zu
viel Gediegenes zu lehren und zu lernen übrig behalten. Ge-
wissenhaft Lehrende werden sogar eher in Verlegenheit gerathen,
die angesetzte Zeit wahrhaft interessant mit echtem und brauch-
barem Wissensmaterial auszufüllen, als etwa den heutigen Mono-
polisten nachzuahmen, die unter der Wissenslast, die sie ablagern
zu müssen vorgeben, zusammenbrechen wollen und zu den bereits
viel zu langen vier zünftlerischen Lehrjahren noch eines oder
zwei zu ihren bisherigen Zwangs- und Bannprivilegien hinzu-
fordern, um künstlich sozusagen mit der Dienstzeit der Studenten
den Umfang der jedes Jahr verfügbaren Zuhörerkundschaft zu
vermehren.

Wirklich gute Einrichtungen gehen von den Bedürfnissen des
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[57/0066] dem Maasse eine eigentlich wissenschaftliche Kunst, wie es das Ingenieur- und Baufach sind. Von den vermeintlichen oder wahren Hülfswissenschaften der Medicin kann man sehr viel in die „höhere Vorschulung“ verweisen. Beispielsweise werden Physik und Chemie nicht wie heute zweimal erscheinen, nämlich erst auf Gymnasien oder Realschulen unzulänglich und dann noch einmal auf Universitäten, wo sie von den Medicinern aber auch nur als Nothvorlesungen um der künftigen professoralen Examina- toren willen benutzt und von den Docirenden in der auch zugleich für Apotheker berechneten Manier hübsch elementar oder viel- mehr platt aufgetischt werden. Eine solche Zeit- und Geldver- schwendung könnte in einem gesund organisirten System nicht vorkommen; dort würden derartige Erfordernisse als allgemeine Bildungswissenschaften in den „höhern Vorschulen“ gründlich und ein für alle Mal abgemacht, und die Beschäftigung mit diesen elementaren Grundlagen der naturwissenschaftlichen Bildung könnte schon in ein sehr jugendliches Alter fallen. Es blieben alsdann, um wieder das Beispiel der Medicin zu Grunde zu legen, als technische Fachstudien nur detaillirte Anatomie und Physio- logie des gesunden und kranken Zustandes, ferner eine an die unmittelbare Erfahrung angeknüpfte Krankheitslehre und die Heilmittelkunde übrig, zu welchem theoretischen Stoff sich dann weiter die praktischen Uebungen und Hantirungen zu gesellen hätten. Wirft man den unnützen Gelehrsamkeitsballast, den me- dicinischen Aberglauben, die Ueberlieferungen der ärztlich priester- haften Charlatanerie und allen scholastisch formellen Kram eines hohlen Pedantismus über Bord, so wird man wahrlich nicht zu viel Gediegenes zu lehren und zu lernen übrig behalten. Ge- wissenhaft Lehrende werden sogar eher in Verlegenheit gerathen, die angesetzte Zeit wahrhaft interessant mit echtem und brauch- barem Wissensmaterial auszufüllen, als etwa den heutigen Mono- polisten nachzuahmen, die unter der Wissenslast, die sie ablagern zu müssen vorgeben, zusammenbrechen wollen und zu den bereits viel zu langen vier zünftlerischen Lehrjahren noch eines oder zwei zu ihren bisherigen Zwangs- und Bannprivilegien hinzu- fordern, um künstlich sozusagen mit der Dienstzeit der Studenten den Umfang der jedes Jahr verfügbaren Zuhörerkundschaft zu vermehren. Wirklich gute Einrichtungen gehen von den Bedürfnissen des Publicums und nicht von den Gelüsten der Monopolinhaber eines

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Zitationshilfe: Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/duehring_berufsbildung_1885/66>, abgerufen am 24.11.2024.