Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885.dem Absitzen in der dumpfen Luft auferlegt zu haben. Die dem Absitzen in der dumpfen Luft auferlegt zu haben. Die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0063" n="54"/> dem Absitzen in der dumpfen Luft auferlegt zu haben. Die<lb/> seltene Ausnahme eigentlicher und anregender Vorträge, die weder<lb/> auf Vorleserei noch auf Abhaspelung des Detailkrams einer<lb/> Wissenschaft oder gar auf einen Buchersatz hinauslaufen, ist<lb/> praktisch kaum zu veranschlagen, da sie in der Masse so gut<lb/> wie nicht mitzählt und überdies im Rahmen der universitären<lb/> Gewohnheiten und Vorschriften zu einer schwierigen und nur<lb/> mit Opfern ausführbaren Angelegenheit wird. Ein Semester hin-<lb/> durch mindestens sechzigmal in lebendiger Rede sich über die<lb/> anregenden Hauptpunkte, leitenden Grundanschauungen und<lb/> Studiengrundsätze einer Wissenschaft derartig auslassen, dass<lb/> Alles sofort interessirt und ohne Schreiberei dem Geiste ein-<lb/> geprägt werde, – dies ist, zumal den stumpfen Angewöhnungen<lb/> gegenüber, die schon vom Gymnasium her die Fähigkeit zur<lb/> thätigen und mitarbeitenden Aufmerksamkeit abgeschwächt haben,<lb/> eine für den Docenten äusserst aufreibende Sache. Der einseitige<lb/> Vortrag ist hier eben ein Hinderniss der Natürlichkeit der Mit-<lb/> theilung; denn es ist eine ungeheuerliche Aufgabe, im Semester<lb/> etwa für zwei Wissenschaftszweige zwei Mal sechzig eigentliche<lb/> Reden halten zu sollen und dabei die eignen Kräfte und die-<lb/> jenigen der Zuhörer nur in dem menschlich möglichen Maasse<lb/> in Anspruch zu nehmen. Es kann Einer unvergleichlich leichter<lb/> sechs Stunden hintereinander (wie dies bei Pandektisten in über-<lb/> stürzten Schlussabhaspelungen vorkommt) den Inhalt seines Heftes<lb/> abdictiren, als zwei Stunden hintereinander wirklich selbständige<lb/> und geistig frei bewegliche, den Gedanken frisch gestaltende Vor-<lb/> träge halten. Man erwarte daher auf den Kathedern wesentlich<lb/> nur mechanische Arbeit, bei der natürlich für das Lernen weit<lb/> weniger herauskommen muss, als wenn das Heft oder besser ein<lb/> gutes Buch zur unmittelbaren Lectüre vorläge. Mit wirklichen<lb/> Vorträgen hätte man weit sparsamer zu sein; denn weder der<lb/> Lehrende hat sich in ihnen aufzureiben, noch der Lernende ein<lb/> Interesse, in andern als wichtigen Fällen in einseitiger mündlicher<lb/> Rede, die sich an Viele allgemein dirigirend wendet und keinen<lb/> gegenseitigen Gedankenaustausch mit sich bringt, sozusagen<lb/> wissenschaftlich haranguirt zu werden. Derartige Haranguen sind<lb/> ganz am Orte, wo es gilt, einen leitenden Einfluss auszuüben,<lb/> der an Einzelne oder Wenige in gewöhnlicher Gesprächsform<lb/> nicht adressirt werden kann, weil eine derartige Anleitung, die<lb/> jedenfalls noch besser ist, zu kostbar ausfallen müsste. Bedeutende<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [54/0063]
dem Absitzen in der dumpfen Luft auferlegt zu haben. Die
seltene Ausnahme eigentlicher und anregender Vorträge, die weder
auf Vorleserei noch auf Abhaspelung des Detailkrams einer
Wissenschaft oder gar auf einen Buchersatz hinauslaufen, ist
praktisch kaum zu veranschlagen, da sie in der Masse so gut
wie nicht mitzählt und überdies im Rahmen der universitären
Gewohnheiten und Vorschriften zu einer schwierigen und nur
mit Opfern ausführbaren Angelegenheit wird. Ein Semester hin-
durch mindestens sechzigmal in lebendiger Rede sich über die
anregenden Hauptpunkte, leitenden Grundanschauungen und
Studiengrundsätze einer Wissenschaft derartig auslassen, dass
Alles sofort interessirt und ohne Schreiberei dem Geiste ein-
geprägt werde, – dies ist, zumal den stumpfen Angewöhnungen
gegenüber, die schon vom Gymnasium her die Fähigkeit zur
thätigen und mitarbeitenden Aufmerksamkeit abgeschwächt haben,
eine für den Docenten äusserst aufreibende Sache. Der einseitige
Vortrag ist hier eben ein Hinderniss der Natürlichkeit der Mit-
theilung; denn es ist eine ungeheuerliche Aufgabe, im Semester
etwa für zwei Wissenschaftszweige zwei Mal sechzig eigentliche
Reden halten zu sollen und dabei die eignen Kräfte und die-
jenigen der Zuhörer nur in dem menschlich möglichen Maasse
in Anspruch zu nehmen. Es kann Einer unvergleichlich leichter
sechs Stunden hintereinander (wie dies bei Pandektisten in über-
stürzten Schlussabhaspelungen vorkommt) den Inhalt seines Heftes
abdictiren, als zwei Stunden hintereinander wirklich selbständige
und geistig frei bewegliche, den Gedanken frisch gestaltende Vor-
träge halten. Man erwarte daher auf den Kathedern wesentlich
nur mechanische Arbeit, bei der natürlich für das Lernen weit
weniger herauskommen muss, als wenn das Heft oder besser ein
gutes Buch zur unmittelbaren Lectüre vorläge. Mit wirklichen
Vorträgen hätte man weit sparsamer zu sein; denn weder der
Lehrende hat sich in ihnen aufzureiben, noch der Lernende ein
Interesse, in andern als wichtigen Fällen in einseitiger mündlicher
Rede, die sich an Viele allgemein dirigirend wendet und keinen
gegenseitigen Gedankenaustausch mit sich bringt, sozusagen
wissenschaftlich haranguirt zu werden. Derartige Haranguen sind
ganz am Orte, wo es gilt, einen leitenden Einfluss auszuüben,
der an Einzelne oder Wenige in gewöhnlicher Gesprächsform
nicht adressirt werden kann, weil eine derartige Anleitung, die
jedenfalls noch besser ist, zu kostbar ausfallen müsste. Bedeutende
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Projekt: Texte zur Frauenfrage um 1900 Gießen/Kassel: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-06-13T16:46:57Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Thomas Gloning, Melanie Henß, Hannah Glaum: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-06-13T16:46:57Z)
Internet Archive: Bereitstellung der Bilddigitalisate.
(2013-06-13T16:46:57Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |