zur Geltung gebracht, dass an Mädchenschulen nur verheirathete Männer zu fungiren haben. Er hat hiemit eingestanden, welchen Bedenken er zu begegnen strebt; aber seine Rechnung ist doch eine unzulängliche, ja zum Theil philisterhafte. Sie mochte einiger- maassen zutreffen, solange altväterische Sitte noch im Schwunge und die Ehe als eine halbwegs verlässliche Bürgschaft gegen Ausschreitungen gelten konnte. Angesichts der neusten und heute mehr als je fortschreitenden Sittenzersetzung dürfte jedoch jene Vorkehrung sammt allen besondern Strafgesetzen, die den Missbrauch des Lehrer- und Schülerverhältnisses betreffen, nur einen unzureichenden Damm ergeben. Auch handelt es sich in den hier fraglichen Beziehungen nicht einzig und allein um gröbere Sitten- und Anstandsverletzungen, sondern um jene feineren, für kein Gesetzbuch, ja nicht einmal für disciplinarische Wahrnehmung erfassbaren Ungehörigkeiten, die darauf hinaus- laufen, dass die natürliche Unbefangenheit des Fühlens und Denkens durch falsche geistige Reizungen irregeleitet und gestört werde. Derartige verkehrte Anregungen der Gemüthsverfassung liegen aber naturgesetzlich sehr nahe, wenn man erwägt, welche Gegenstände schon jetzt in der kaum über das Elementare zu einigen belletristischen Verzierungen hinausgelangenden Mädchen- bildung zu berühren sind, und um wieviel ernstlicher später bei der höhern Schulung die Hauptfragen des Leidenschaftslebens der Menschheit in Betracht kommen müssen. Es ist vielfach ein eitler Conventionalismus, von dem die hohle und alberne Prüderie mit all ihrer unvermeidlichen Heuchelei geschaffen wurde; aber es ist ein naturgesetzliches Gebot, dass da nicht Vertrauen und Unbefangenheit verlangt werde, wo so etwas den Sachverhält- nissen nach unmöglich ist. Wo die Natur das Weib anweist, auf der Hut zu sein, da ist es ein Verstoss gegen alle gesunden Regeln des Verhaltens, wenn man die thörichten und störenden Situationen willkürlich schafft und gar in öffentlichen Einrich- tungen verkörpert. Das Weib wird das Beste, was es einst lernen mag, nur vom Weibe selbst lernen können; denn nur hier ist ein hinreichendes Maass von unbefangener Mittheilung und Erörterung sowie von einer natürlich bildenden Einwirkung auf die Gefühlsgestaltung der Schüler möglich. Ueberweise Kritiker könnten zwar das von mir in den Vordergrund gerückte Princip übertreiben wollen und so versuchen, seine hohe Naturbedeutung abzustumpfen. Sie könnten geltend machen, dass auch zwischen
zur Geltung gebracht, dass an Mädchenschulen nur verheirathete Männer zu fungiren haben. Er hat hiemit eingestanden, welchen Bedenken er zu begegnen strebt; aber seine Rechnung ist doch eine unzulängliche, ja zum Theil philisterhafte. Sie mochte einiger- maassen zutreffen, solange altväterische Sitte noch im Schwunge und die Ehe als eine halbwegs verlässliche Bürgschaft gegen Ausschreitungen gelten konnte. Angesichts der neusten und heute mehr als je fortschreitenden Sittenzersetzung dürfte jedoch jene Vorkehrung sammt allen besondern Strafgesetzen, die den Missbrauch des Lehrer- und Schülerverhältnisses betreffen, nur einen unzureichenden Damm ergeben. Auch handelt es sich in den hier fraglichen Beziehungen nicht einzig und allein um gröbere Sitten- und Anstandsverletzungen, sondern um jene feineren, für kein Gesetzbuch, ja nicht einmal für disciplinarische Wahrnehmung erfassbaren Ungehörigkeiten, die darauf hinaus- laufen, dass die natürliche Unbefangenheit des Fühlens und Denkens durch falsche geistige Reizungen irregeleitet und gestört werde. Derartige verkehrte Anregungen der Gemüthsverfassung liegen aber naturgesetzlich sehr nahe, wenn man erwägt, welche Gegenstände schon jetzt in der kaum über das Elementare zu einigen belletristischen Verzierungen hinausgelangenden Mädchen- bildung zu berühren sind, und um wieviel ernstlicher später bei der höhern Schulung die Hauptfragen des Leidenschaftslebens der Menschheit in Betracht kommen müssen. Es ist vielfach ein eitler Conventionalismus, von dem die hohle und alberne Prüderie mit all ihrer unvermeidlichen Heuchelei geschaffen wurde; aber es ist ein naturgesetzliches Gebot, dass da nicht Vertrauen und Unbefangenheit verlangt werde, wo so etwas den Sachverhält- nissen nach unmöglich ist. Wo die Natur das Weib anweist, auf der Hut zu sein, da ist es ein Verstoss gegen alle gesunden Regeln des Verhaltens, wenn man die thörichten und störenden Situationen willkürlich schafft und gar in öffentlichen Einrich- tungen verkörpert. Das Weib wird das Beste, was es einst lernen mag, nur vom Weibe selbst lernen können; denn nur hier ist ein hinreichendes Maass von unbefangener Mittheilung und Erörterung sowie von einer natürlich bildenden Einwirkung auf die Gefühlsgestaltung der Schüler möglich. Ueberweise Kritiker könnten zwar das von mir in den Vordergrund gerückte Princip übertreiben wollen und so versuchen, seine hohe Naturbedeutung abzustumpfen. Sie könnten geltend machen, dass auch zwischen
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zur Geltung gebracht, dass an Mädchenschulen nur verheirathete
Männer zu fungiren haben. Er hat hiemit eingestanden, welchen
Bedenken er zu begegnen strebt; aber seine Rechnung ist doch
eine unzulängliche, ja zum Theil philisterhafte. Sie mochte einiger-
maassen zutreffen, solange altväterische Sitte noch im Schwunge
und die Ehe als eine halbwegs verlässliche Bürgschaft gegen
Ausschreitungen gelten konnte. Angesichts der neusten und
heute mehr als je fortschreitenden Sittenzersetzung dürfte jedoch
jene Vorkehrung sammt allen besondern Strafgesetzen, die den
Missbrauch des Lehrer- und Schülerverhältnisses betreffen, nur
einen unzureichenden Damm ergeben. Auch handelt es sich in
den hier fraglichen Beziehungen nicht einzig und allein um
gröbere Sitten- und Anstandsverletzungen, sondern um jene
feineren, für kein Gesetzbuch, ja nicht einmal für disciplinarische
Wahrnehmung erfassbaren Ungehörigkeiten, die darauf hinaus-
laufen, dass die natürliche Unbefangenheit des Fühlens und
Denkens durch falsche geistige Reizungen irregeleitet und gestört
werde. Derartige verkehrte Anregungen der Gemüthsverfassung
liegen aber naturgesetzlich sehr nahe, wenn man erwägt, welche
Gegenstände schon jetzt in der kaum über das Elementare zu
einigen belletristischen Verzierungen hinausgelangenden Mädchen-
bildung zu berühren sind, und um wieviel ernstlicher später bei
der höhern Schulung die Hauptfragen des Leidenschaftslebens
der Menschheit in Betracht kommen müssen. Es ist vielfach ein
eitler Conventionalismus, von dem die hohle und alberne Prüderie
mit all ihrer unvermeidlichen Heuchelei geschaffen wurde; aber
es ist ein naturgesetzliches Gebot, dass da nicht Vertrauen und
Unbefangenheit verlangt werde, wo so etwas den Sachverhält-
nissen nach unmöglich ist. Wo die Natur das Weib anweist, auf
der Hut zu sein, da ist es ein Verstoss gegen alle gesunden
Regeln des Verhaltens, wenn man die thörichten und störenden
Situationen willkürlich schafft und gar in öffentlichen Einrich-
tungen verkörpert. Das Weib wird das Beste, was es einst
lernen mag, nur vom Weibe selbst lernen können; denn nur hier
ist ein hinreichendes Maass von unbefangener Mittheilung und
Erörterung sowie von einer natürlich bildenden Einwirkung auf
die Gefühlsgestaltung der Schüler möglich. Ueberweise Kritiker
könnten zwar das von mir in den Vordergrund gerückte Princip
übertreiben wollen und so versuchen, seine hohe Naturbedeutung
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Projekt: Texte zur Frauenfrage um 1900 Gießen/Kassel: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-06-13T16:46:57Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Thomas Gloning, Melanie Henß, Hannah Glaum: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-06-13T16:46:57Z)
Internet Archive: Bereitstellung der Bilddigitalisate.
(2013-06-13T16:46:57Z)
Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/duehring_berufsbildung_1885/32>, abgerufen am 22.07.2024.
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