des noch sehr neuen Gegenstandes nicht möglich, allem Miss- verständniss zu begegnen.
Einige Frucht kann aber dennoch nach der theoretischen Seite hin sofort erzielt werden. Es fällt nämlich eine Menge Stoff- gerölle, mit dem man sich sonst befasst, hiemit hinweg. Nament- lich wird auch der geschichtliche Kram mehr als blos decimirt; nicht etwa ein Zehntel davon ist es, was bei Seite zu thun, sondern es ist kaum ein Zehntausendtel, was davon noch anzu- sehen und zu honoriren übrigbleibt. Mit einigem positiven Nutzen lässt sich allenfalls noch französische Revolutionsgeschichte, namentlich das erste Halbjahr von 1793, eingehender studiren, und überdies sind ein paar Vorkommnisse in unserm Jahrhundert hier und da von Interesse. Uebrigens ist aber auch die Cultur- geschichte gar zu embryonisch; sie ermangelt des Compasses wahrer Cultur. Selbst ein Buckle, der doch gegenüber den Staats- und Geschichtsbedienten noch ein wahres Licht ist, hat gar viel, was hinfort die entwickeltsten Elemente der Menschheit nicht mehr interessirt. So legt er noch Werth auf das Verhalten der Religionsbedienten und behandelt die Kämpfe verrotteter politischer Parteien und entsprechender Gesellschaftsclassen um die Stücke des Regierungsmonopols wie Angelegenheiten, an denen man heute noch theilnehmen könnte. Erst eine richtige Vorstellung von wahrer Cultur kann auch nützliche Rückblicke auf die Vergangenheit ermöglichen. Alle solche Rückblicke haben aber nur Sinn und Berechtigung, wenn sie im Dienste der Vor- blicke und der Thaten stehen, die dem noch kommenden Leben der Menschheit gelten.
Religion und Metaphysik kann man sich sparen. Sie haben die Bedeutung von Astrologie und Alchymie. Das Wesen beider ist Trug, einmal in gröberer und dann in feinerer Gestalt. Die erste ist vornehmlich semitischer, die zweite hauptsächlich alt- griechischer Trug. Was aus beiden zusammencopulirt ist, heisst auf Universitäten Philosophie, und unter diesem Namen trifft man dort und auch in der verwandten. Literaturumgebung ausseruni- versitärer Art nichts Gediegenes an. Im Hinblick hierauf ist das Wesen der Philosophie heute in allen Ländern, diesseits und jenseits des Oceans, in Europa und in Amerika nichts als Meta- physik, Hohlheit und Betrug. Soweit die Specialwissenschaften davon inficirt sind, taugen sie nichts. Man hüte sich also vor Zeitvergeudung und dem moralischen Gifte metaphysischer
des noch sehr neuen Gegenstandes nicht möglich, allem Miss- verständniss zu begegnen.
Einige Frucht kann aber dennoch nach der theoretischen Seite hin sofort erzielt werden. Es fällt nämlich eine Menge Stoff- gerölle, mit dem man sich sonst befasst, hiemit hinweg. Nament- lich wird auch der geschichtliche Kram mehr als blos decimirt; nicht etwa ein Zehntel davon ist es, was bei Seite zu thun, sondern es ist kaum ein Zehntausendtel, was davon noch anzu- sehen und zu honoriren übrigbleibt. Mit einigem positiven Nutzen lässt sich allenfalls noch französische Revolutionsgeschichte, namentlich das erste Halbjahr von 1793, eingehender studiren, und überdies sind ein paar Vorkommnisse in unserm Jahrhundert hier und da von Interesse. Uebrigens ist aber auch die Cultur- geschichte gar zu embryonisch; sie ermangelt des Compasses wahrer Cultur. Selbst ein Buckle, der doch gegenüber den Staats- und Geschichtsbedienten noch ein wahres Licht ist, hat gar viel, was hinfort die entwickeltsten Elemente der Menschheit nicht mehr interessirt. So legt er noch Werth auf das Verhalten der Religionsbedienten und behandelt die Kämpfe verrotteter politischer Parteien und entsprechender Gesellschaftsclassen um die Stücke des Regierungsmonopols wie Angelegenheiten, an denen man heute noch theilnehmen könnte. Erst eine richtige Vorstellung von wahrer Cultur kann auch nützliche Rückblicke auf die Vergangenheit ermöglichen. Alle solche Rückblicke haben aber nur Sinn und Berechtigung, wenn sie im Dienste der Vor- blicke und der Thaten stehen, die dem noch kommenden Leben der Menschheit gelten.
Religion und Metaphysik kann man sich sparen. Sie haben die Bedeutung von Astrologie und Alchymie. Das Wesen beider ist Trug, einmal in gröberer und dann in feinerer Gestalt. Die erste ist vornehmlich semitischer, die zweite hauptsächlich alt- griechischer Trug. Was aus beiden zusammencopulirt ist, heisst auf Universitäten Philosophie, und unter diesem Namen trifft man dort und auch in der verwandten. Literaturumgebung ausseruni- versitärer Art nichts Gediegenes an. Im Hinblick hierauf ist das Wesen der Philosophie heute in allen Ländern, diesseits und jenseits des Oceans, in Europa und in Amerika nichts als Meta- physik, Hohlheit und Betrug. Soweit die Specialwissenschaften davon inficirt sind, taugen sie nichts. Man hüte sich also vor Zeitvergeudung und dem moralischen Gifte metaphysischer
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[104/0113]
des noch sehr neuen Gegenstandes nicht möglich, allem Miss-
verständniss zu begegnen.
Einige Frucht kann aber dennoch nach der theoretischen Seite
hin sofort erzielt werden. Es fällt nämlich eine Menge Stoff-
gerölle, mit dem man sich sonst befasst, hiemit hinweg. Nament-
lich wird auch der geschichtliche Kram mehr als blos decimirt;
nicht etwa ein Zehntel davon ist es, was bei Seite zu thun,
sondern es ist kaum ein Zehntausendtel, was davon noch anzu-
sehen und zu honoriren übrigbleibt. Mit einigem positiven
Nutzen lässt sich allenfalls noch französische Revolutionsgeschichte,
namentlich das erste Halbjahr von 1793, eingehender studiren,
und überdies sind ein paar Vorkommnisse in unserm Jahrhundert
hier und da von Interesse. Uebrigens ist aber auch die Cultur-
geschichte gar zu embryonisch; sie ermangelt des Compasses
wahrer Cultur. Selbst ein Buckle, der doch gegenüber den
Staats- und Geschichtsbedienten noch ein wahres Licht ist, hat
gar viel, was hinfort die entwickeltsten Elemente der Menschheit
nicht mehr interessirt. So legt er noch Werth auf das Verhalten
der Religionsbedienten und behandelt die Kämpfe verrotteter
politischer Parteien und entsprechender Gesellschaftsclassen um
die Stücke des Regierungsmonopols wie Angelegenheiten, an
denen man heute noch theilnehmen könnte. Erst eine richtige
Vorstellung von wahrer Cultur kann auch nützliche Rückblicke
auf die Vergangenheit ermöglichen. Alle solche Rückblicke haben
aber nur Sinn und Berechtigung, wenn sie im Dienste der Vor-
blicke und der Thaten stehen, die dem noch kommenden Leben
der Menschheit gelten.
Religion und Metaphysik kann man sich sparen. Sie haben
die Bedeutung von Astrologie und Alchymie. Das Wesen beider
ist Trug, einmal in gröberer und dann in feinerer Gestalt. Die
erste ist vornehmlich semitischer, die zweite hauptsächlich alt-
griechischer Trug. Was aus beiden zusammencopulirt ist, heisst
auf Universitäten Philosophie, und unter diesem Namen trifft man
dort und auch in der verwandten. Literaturumgebung ausseruni-
versitärer Art nichts Gediegenes an. Im Hinblick hierauf ist
das Wesen der Philosophie heute in allen Ländern, diesseits und
jenseits des Oceans, in Europa und in Amerika nichts als Meta-
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davon inficirt sind, taugen sie nichts. Man hüte sich also vor
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Projekt: Texte zur Frauenfrage um 1900 Gießen/Kassel: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-06-13T16:46:57Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Thomas Gloning, Melanie Henß, Hannah Glaum: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-06-13T16:46:57Z)
Internet Archive: Bereitstellung der Bilddigitalisate.
(2013-06-13T16:46:57Z)
Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/duehring_berufsbildung_1885/113>, abgerufen am 22.07.2024.
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