wie eine modeme Wissenschaft den Universitäten nicht nur nichts zu verdanken hat, sondern auf ihnen nur verdorben worden ist. Die Nachweise dafür habe ich bei verschiedenen Gelegenheiten, am übersichtlichsten aber in der von mir geschriebenen Geschichte der Nationalökonomie und des Socialismus geführt. Keine einzige wirklich bedeutende Vertretung des Faches hat sich je auf Uni- versitäten vorgefunden. Alle grossen Namen und Grundwerke der Volkswirthschaftslehre gehören der freien Literatur an. Dahin wende man sich, wenn man das Studium bis zur unmittelbaren Kenntnissnahme von den verschiedenen Systemen ausdehnen und seine Vorstellungen durch umfassendere Lectüre bereichern will. Heute aber kann der entwickeltste Standpunkt nur ein System er- geben, in welchem die eigentliche Socialität mitberücksichtigt wird. Was ich in meinen Grundwerken socialitäre Volkswirthschafts- lehre genannt habe, ist die Vereinigung der socialen Kritik und der positiven Lehren von socialer Umschaffung mit den Natur- nothwendigkeiten aller Volkswirthschaft.
Es giebt auch menschliche Natumothwendigkeiten, und auf ihnen beruht dasjenige an den geselligen Einrichtungen, was sich nicht abändern lässt. Es giebt aber noch eine andere Art von menschlichen Nothwendigkeiten, die erst aus dem gereiften Be- wusstsein stammen und daher erst entstehen, sobald Menschen die betreffenden Einsichten in sich ausgebildet haben. Solche Nothwendigkeiten treiben alsdann im edelsten Sinn zur Um- schaffung der Verhältnisse. Von Freiheit und Gerechtigkeit hat man zu den verschiedensten Zeiten einige Begriffe gehabt; aber im höchst entwickelten Streben und Denken sind davon jetzt vollkommenere Vorstellungen vorhanden, als jemals sonst in der antiken oder modemen Geschichte. Der antike Mensch war in seinem Charakter zu unzulänglich, um sie zu entwickeln, und doch hat man sich in dieser Beziehung so sehr an Griechen und Römer gehalten.
Die Gerechtigkeit ist als etwas anzusehen, dessen Unter- suchung vom höhern Standpunkt nur dann lohnt, wenn dabei eine Sicherheit der Grundsätze und Folgerungen erzielt werden kann, die derjenigen der Mathematik gleicht. Derartiges ist aber erreichbar, wenn man nur will. Mein leitendes Princip der vom Wissen beleuchteten Rache ist ein entscheidender Anfang. Jedoch muss man überhaupt davon ausgehen, dass nicht allge- meine Schablonen, sondem, wie in der Mathematik, die Unter-
wie eine modeme Wissenschaft den Universitäten nicht nur nichts zu verdanken hat, sondern auf ihnen nur verdorben worden ist. Die Nachweise dafür habe ich bei verschiedenen Gelegenheiten, am übersichtlichsten aber in der von mir geschriebenen Geschichte der Nationalökonomie und des Socialismus geführt. Keine einzige wirklich bedeutende Vertretung des Faches hat sich je auf Uni- versitäten vorgefunden. Alle grossen Namen und Grundwerke der Volkswirthschaftslehre gehören der freien Literatur an. Dahin wende man sich, wenn man das Studium bis zur unmittelbaren Kenntnissnahme von den verschiedenen Systemen ausdehnen und seine Vorstellungen durch umfassendere Lectüre bereichern will. Heute aber kann der entwickeltste Standpunkt nur ein System er- geben, in welchem die eigentliche Socialität mitberücksichtigt wird. Was ich in meinen Grundwerken socialitäre Volkswirthschafts- lehre genannt habe, ist die Vereinigung der socialen Kritik und der positiven Lehren von socialer Umschaffung mit den Natur- nothwendigkeiten aller Volkswirthschaft.
Es giebt auch menschliche Natumothwendigkeiten, und auf ihnen beruht dasjenige an den geselligen Einrichtungen, was sich nicht abändern lässt. Es giebt aber noch eine andere Art von menschlichen Nothwendigkeiten, die erst aus dem gereiften Be- wusstsein stammen und daher erst entstehen, sobald Menschen die betreffenden Einsichten in sich ausgebildet haben. Solche Nothwendigkeiten treiben alsdann im edelsten Sinn zur Um- schaffung der Verhältnisse. Von Freiheit und Gerechtigkeit hat man zu den verschiedensten Zeiten einige Begriffe gehabt; aber im höchst entwickelten Streben und Denken sind davon jetzt vollkommenere Vorstellungen vorhanden, als jemals sonst in der antiken oder modemen Geschichte. Der antike Mensch war in seinem Charakter zu unzulänglich, um sie zu entwickeln, und doch hat man sich in dieser Beziehung so sehr an Griechen und Römer gehalten.
Die Gerechtigkeit ist als etwas anzusehen, dessen Unter- suchung vom höhern Standpunkt nur dann lohnt, wenn dabei eine Sicherheit der Grundsätze und Folgerungen erzielt werden kann, die derjenigen der Mathematik gleicht. Derartiges ist aber erreichbar, wenn man nur will. Mein leitendes Princip der vom Wissen beleuchteten Rache ist ein entscheidender Anfang. Jedoch muss man überhaupt davon ausgehen, dass nicht allge- meine Schablonen, sondem, wie in der Mathematik, die Unter-
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[102/0111]
wie eine modeme Wissenschaft den Universitäten nicht nur nichts
zu verdanken hat, sondern auf ihnen nur verdorben worden ist.
Die Nachweise dafür habe ich bei verschiedenen Gelegenheiten,
am übersichtlichsten aber in der von mir geschriebenen Geschichte
der Nationalökonomie und des Socialismus geführt. Keine einzige
wirklich bedeutende Vertretung des Faches hat sich je auf Uni-
versitäten vorgefunden. Alle grossen Namen und Grundwerke
der Volkswirthschaftslehre gehören der freien Literatur an. Dahin
wende man sich, wenn man das Studium bis zur unmittelbaren
Kenntnissnahme von den verschiedenen Systemen ausdehnen und
seine Vorstellungen durch umfassendere Lectüre bereichern will.
Heute aber kann der entwickeltste Standpunkt nur ein System er-
geben, in welchem die eigentliche Socialität mitberücksichtigt wird.
Was ich in meinen Grundwerken socialitäre Volkswirthschafts-
lehre genannt habe, ist die Vereinigung der socialen Kritik und
der positiven Lehren von socialer Umschaffung mit den Natur-
nothwendigkeiten aller Volkswirthschaft.
Es giebt auch menschliche Natumothwendigkeiten, und auf
ihnen beruht dasjenige an den geselligen Einrichtungen, was sich
nicht abändern lässt. Es giebt aber noch eine andere Art von
menschlichen Nothwendigkeiten, die erst aus dem gereiften Be-
wusstsein stammen und daher erst entstehen, sobald Menschen
die betreffenden Einsichten in sich ausgebildet haben. Solche
Nothwendigkeiten treiben alsdann im edelsten Sinn zur Um-
schaffung der Verhältnisse. Von Freiheit und Gerechtigkeit hat
man zu den verschiedensten Zeiten einige Begriffe gehabt; aber
im höchst entwickelten Streben und Denken sind davon jetzt
vollkommenere Vorstellungen vorhanden, als jemals sonst in der
antiken oder modemen Geschichte. Der antike Mensch war in
seinem Charakter zu unzulänglich, um sie zu entwickeln, und
doch hat man sich in dieser Beziehung so sehr an Griechen und
Römer gehalten.
Die Gerechtigkeit ist als etwas anzusehen, dessen Unter-
suchung vom höhern Standpunkt nur dann lohnt, wenn dabei
eine Sicherheit der Grundsätze und Folgerungen erzielt werden
kann, die derjenigen der Mathematik gleicht. Derartiges ist aber
erreichbar, wenn man nur will. Mein leitendes Princip der
vom Wissen beleuchteten Rache ist ein entscheidender Anfang.
Jedoch muss man überhaupt davon ausgehen, dass nicht allge-
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Projekt: Texte zur Frauenfrage um 1900 Gießen/Kassel: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-06-13T16:46:57Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Thomas Gloning, Melanie Henß, Hannah Glaum: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-06-13T16:46:57Z)
Internet Archive: Bereitstellung der Bilddigitalisate.
(2013-06-13T16:46:57Z)
Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/duehring_berufsbildung_1885/111>, abgerufen am 22.07.2024.
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