dass sich das Wissen wesentlich durch Bücher aneignen lasse, bleibt daher für alle Lehrstoffe bestehen, und nur für die aus- übenden Kunstfertigkeiten gesellt sich noch die andere Noth- wendigkeit hinzu, die jedesmal erforderlichen Fähigkeiten durch unmittelbare Thätigkeit an den Dingen besonders auszubilden. Eigne Erfahrung und Erprobung wird aber auch hier das För- derndste werden, und persönliches Lehrerthum sowie Anstalts- zurüstungen werden wenig helfen, wenn dabei vornehmlich von blossem Zusehen gelernt werden soll.
Mit dem Wege zur gesammten Selbstausbildung wäre es übel bestellt, wenn er nicht zum höchsten Maass innerer Freiheit und äusserer Wirkungsfähigkeit führen könnte. Hiezu ist aber die Kenntniss der menschlichen Beschaffenheiten und Verhältnisse un- mittelbar noch nöthiger als die der Natur. Es wird also die Wissenschaft und Lehre vom Menschen, soweit sie nur wirklich etwas Echtes weiss und zu lehren hat, in der Berücksichtigung den ersten Rang in Anspruch zu nehmen haben. Wenn gegenwärtig die Theilnahme dafür noch etwas zurücksteht, so liegt dies daran, dass grade dieses Gebiet mit den schlechtesten Ueberlieferungen versetzt ist, das meiste unnütze Gerölle conservirt und dem öffentlichen Betruge am widerstands- losesten preisgegeben ist. Auch muss hier die Theilnahme eine doppelte Richtung haben; erstens geht sie auf das Wissen von dem, was ist oder war, und zweitens geht sie auf eine Lehre von dem, was fernerhin gut ist und ausgeführt werden soll. Solche Lehre ist in diesem Sinne offenbar mehr als blosse Wissen- schaft; sie betrifft das Streben des Einzelmenschen und der Ge- sammtheit, sowie gleichsam die Zukunftsverbindlichkeiten. Frei- heit und Leben der Einzelnen und der Völker, und zwar glück- liches Leben, - das sind die hier maassgebenden Gesichtspunkte.
Fehlt es nun aber in der einen Hinsicht vielfach an echtem Wissen, so steht diesem Mangel in der andern Hinsicht ein selbst- ständiges Deficit an echtem Streben gegenüber, und selbst wo wirkliche Energie hervorbricht, geräth sie nur allzu oft gar wüst und chaotisch. Letzteres Fehlgreifen rührt durchaus nicht immer vom Mangel eigentlicher Wissenschaft, sondern oft genug von verderbten Antrieben, von desorientirten Gemüthskräften und von abseits gerathenen Kraftgefühlen her. Freilich ist Derartiges besser, als was sich auf der entgegengesetzten Seite an Wurm-
dass sich das Wissen wesentlich durch Bücher aneignen lasse, bleibt daher für alle Lehrstoffe bestehen, und nur für die aus- übenden Kunstfertigkeiten gesellt sich noch die andere Noth- wendigkeit hinzu, die jedesmal erforderlichen Fähigkeiten durch unmittelbare Thätigkeit an den Dingen besonders auszubilden. Eigne Erfahrung und Erprobung wird aber auch hier das För- derndste werden, und persönliches Lehrerthum sowie Anstalts- zurüstungen werden wenig helfen, wenn dabei vornehmlich von blossem Zusehen gelernt werden soll.
Mit dem Wege zur gesammten Selbstausbildung wäre es übel bestellt, wenn er nicht zum höchsten Maass innerer Freiheit und äusserer Wirkungsfähigkeit führen könnte. Hiezu ist aber die Kenntniss der menschlichen Beschaffenheiten und Verhältnisse un- mittelbar noch nöthiger als die der Natur. Es wird also die Wissenschaft und Lehre vom Menschen, soweit sie nur wirklich etwas Echtes weiss und zu lehren hat, in der Berücksichtigung den ersten Rang in Anspruch zu nehmen haben. Wenn gegenwärtig die Theilnahme dafür noch etwas zurücksteht, so liegt dies daran, dass grade dieses Gebiet mit den schlechtesten Ueberlieferungen versetzt ist, das meiste unnütze Gerölle conservirt und dem öffentlichen Betruge am widerstands- losesten preisgegeben ist. Auch muss hier die Theilnahme eine doppelte Richtung haben; erstens geht sie auf das Wissen von dem, was ist oder war, und zweitens geht sie auf eine Lehre von dem, was fernerhin gut ist und ausgeführt werden soll. Solche Lehre ist in diesem Sinne offenbar mehr als blosse Wissen- schaft; sie betrifft das Streben des Einzelmenschen und der Ge- sammtheit, sowie gleichsam die Zukunftsverbindlichkeiten. Frei- heit und Leben der Einzelnen und der Völker, und zwar glück- liches Leben, – das sind die hier maassgebenden Gesichtspunkte.
Fehlt es nun aber in der einen Hinsicht vielfach an echtem Wissen, so steht diesem Mangel in der andern Hinsicht ein selbst- ständiges Deficit an echtem Streben gegenüber, und selbst wo wirkliche Energie hervorbricht, geräth sie nur allzu oft gar wüst und chaotisch. Letzteres Fehlgreifen rührt durchaus nicht immer vom Mangel eigentlicher Wissenschaft, sondern oft genug von verderbten Antrieben, von desorientirten Gemüthskräften und von abseits gerathenen Kraftgefühlen her. Freilich ist Derartiges besser, als was sich auf der entgegengesetzten Seite an Wurm-
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dass sich das Wissen wesentlich durch Bücher aneignen lasse,
bleibt daher für alle Lehrstoffe bestehen, und nur für die aus-
übenden Kunstfertigkeiten gesellt sich noch die andere Noth-
wendigkeit hinzu, die jedesmal erforderlichen Fähigkeiten durch
unmittelbare Thätigkeit an den Dingen besonders auszubilden.
Eigne Erfahrung und Erprobung wird aber auch hier das För-
derndste werden, und persönliches Lehrerthum sowie Anstalts-
zurüstungen werden wenig helfen, wenn dabei vornehmlich von
blossem Zusehen gelernt werden soll.
Mit dem Wege zur gesammten Selbstausbildung wäre es übel
bestellt, wenn er nicht zum höchsten Maass innerer Freiheit und
äusserer Wirkungsfähigkeit führen könnte. Hiezu ist aber die
Kenntniss der menschlichen Beschaffenheiten und Verhältnisse un-
mittelbar noch nöthiger als die der Natur. Es wird also die
Wissenschaft und Lehre vom Menschen,
soweit sie nur wirklich etwas Echtes weiss und zu lehren hat, in
der Berücksichtigung den ersten Rang in Anspruch zu nehmen
haben. Wenn gegenwärtig die Theilnahme dafür noch etwas
zurücksteht, so liegt dies daran, dass grade dieses Gebiet mit den
schlechtesten Ueberlieferungen versetzt ist, das meiste unnütze
Gerölle conservirt und dem öffentlichen Betruge am widerstands-
losesten preisgegeben ist. Auch muss hier die Theilnahme eine
doppelte Richtung haben; erstens geht sie auf das Wissen von
dem, was ist oder war, und zweitens geht sie auf eine Lehre
von dem, was fernerhin gut ist und ausgeführt werden soll.
Solche Lehre ist in diesem Sinne offenbar mehr als blosse Wissen-
schaft; sie betrifft das Streben des Einzelmenschen und der Ge-
sammtheit, sowie gleichsam die Zukunftsverbindlichkeiten. Frei-
heit und Leben der Einzelnen und der Völker, und zwar glück-
liches Leben, – das sind die hier maassgebenden Gesichtspunkte.
Fehlt es nun aber in der einen Hinsicht vielfach an echtem
Wissen, so steht diesem Mangel in der andern Hinsicht ein selbst-
ständiges Deficit an echtem Streben gegenüber, und selbst wo
wirkliche Energie hervorbricht, geräth sie nur allzu oft gar wüst
und chaotisch. Letzteres Fehlgreifen rührt durchaus nicht immer
vom Mangel eigentlicher Wissenschaft, sondern oft genug von
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Projekt: Texte zur Frauenfrage um 1900 Gießen/Kassel: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-06-13T16:46:57Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Thomas Gloning, Melanie Henß, Hannah Glaum: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-06-13T16:46:57Z)
Internet Archive: Bereitstellung der Bilddigitalisate.
(2013-06-13T16:46:57Z)
Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/duehring_berufsbildung_1885/107>, abgerufen am 22.07.2024.
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