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Du Bois-Reymond, Emil Heinrich: Über die Grenzen des Naturerkennens. Leipzig, 1872.

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"Also bin ich"? Es ist eben durchaus und für immer
unbegreiflich, dass es einer Anzahl von Kohlenstoff-,
Wasserstoff-, Stickstoff-, Sauerstoff- u. s. w. Atomen nicht
sollte gleichgültig sein, wie sie liegen und sich bewegen,
wie sie lagen und sich bewegten, wie sie liegen und sich
bewegen werden. Es ist in keiner Weise einzusehen,
wie aus ihrem Zusammenwirken Bewusstsein entstehen
könne. Sollte ihre Lagerungs- und Bewegungsweise
ihnen nicht gleichgültig sein, so müsste man sie sich
nach Art der Monaden schon einzeln mit Bewusstsein aus¬
gestattet denken. Weder wäre damit das Bewusstsein
überhaupt erklärt, noch für die Erklärung des einheitlichen
Bewusstseins des Individuums das Mindeste gewonnen.18

Dass es vollends unmöglich sei, und stets bleiben
werde, höhere geistige Vorgänge aus der als bekannt
vorausgesetzten Mechanik der Hirnatome zu verstehen, be¬
darf nicht der Ausführung. Doch ist, wie schon bemerkt,
gar nicht nöthig, zu höheren Formen geistiger Thätig¬
keit zu greifen, um das Gewicht unserer Betrachtung zu
vergrössern. Sie gewinnt gerade an Eindringlichkeit
durch den Gegensatz zwischen der vollständigen Unwis¬
senheit, in welcher astronomische Kenntniss des Gehirnes
uns über das Zustandekommen auch der niedersten
geistigen Vorgänge liesse, und der durch solche Kenntniss
gewährten ebenso vollständigen Enträthselung der höch¬
sten Probleme der Körperwelt. Ein aus irgend einem

„Also bin ich“? Es ist eben durchaus und für immer
unbegreiflich, dass es einer Anzahl von Kohlenstoff-,
Wasserstoff-, Stickstoff-, Sauerstoff- u. s. w. Atomen nicht
sollte gleichgültig sein, wie sie liegen und sich bewegen,
wie sie lagen und sich bewegten, wie sie liegen und sich
bewegen werden. Es ist in keiner Weise einzusehen,
wie aus ihrem Zusammenwirken Bewusstsein entstehen
könne. Sollte ihre Lagerungs- und Bewegungsweise
ihnen nicht gleichgültig sein, so müsste man sie sich
nach Art der Monaden schon einzeln mit Bewusstsein aus¬
gestattet denken. Weder wäre damit das Bewusstsein
überhaupt erklärt, noch für die Erklärung des einheitlichen
Bewusstseins des Individuums das Mindeste gewonnen.18

Dass es vollends unmöglich sei, und stets bleiben
werde, höhere geistige Vorgänge aus der als bekannt
vorausgesetzten Mechanik der Hirnatome zu verstehen, be¬
darf nicht der Ausführung. Doch ist, wie schon bemerkt,
gar nicht nöthig, zu höheren Formen geistiger Thätig¬
keit zu greifen, um das Gewicht unserer Betrachtung zu
vergrössern. Sie gewinnt gerade an Eindringlichkeit
durch den Gegensatz zwischen der vollständigen Unwis¬
senheit, in welcher astronomische Kenntniss des Gehirnes
uns über das Zustandekommen auch der niedersten
geistigen Vorgänge liesse, und der durch solche Kenntniss
gewährten ebenso vollständigen Enträthselung der höch¬
sten Probleme der Körperwelt. Ein aus irgend einem

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[26/0034] „Also bin ich“? Es ist eben durchaus und für immer unbegreiflich, dass es einer Anzahl von Kohlenstoff-, Wasserstoff-, Stickstoff-, Sauerstoff- u. s. w. Atomen nicht sollte gleichgültig sein, wie sie liegen und sich bewegen, wie sie lagen und sich bewegten, wie sie liegen und sich bewegen werden. Es ist in keiner Weise einzusehen, wie aus ihrem Zusammenwirken Bewusstsein entstehen könne. Sollte ihre Lagerungs- und Bewegungsweise ihnen nicht gleichgültig sein, so müsste man sie sich nach Art der Monaden schon einzeln mit Bewusstsein aus¬ gestattet denken. Weder wäre damit das Bewusstsein überhaupt erklärt, noch für die Erklärung des einheitlichen Bewusstseins des Individuums das Mindeste gewonnen. ¹⁸ Dass es vollends unmöglich sei, und stets bleiben werde, höhere geistige Vorgänge aus der als bekannt vorausgesetzten Mechanik der Hirnatome zu verstehen, be¬ darf nicht der Ausführung. Doch ist, wie schon bemerkt, gar nicht nöthig, zu höheren Formen geistiger Thätig¬ keit zu greifen, um das Gewicht unserer Betrachtung zu vergrössern. Sie gewinnt gerade an Eindringlichkeit durch den Gegensatz zwischen der vollständigen Unwis¬ senheit, in welcher astronomische Kenntniss des Gehirnes uns über das Zustandekommen auch der niedersten geistigen Vorgänge liesse, und der durch solche Kenntniss gewährten ebenso vollständigen Enträthselung der höch¬ sten Probleme der Körperwelt. Ein aus irgend einem

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Zitationshilfe: Du Bois-Reymond, Emil Heinrich: Über die Grenzen des Naturerkennens. Leipzig, 1872, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dubois_naturerkennen_1872/34>, abgerufen am 28.03.2024.