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Du Bois-Reymond, Emil Heinrich: Über die Grenzen des Naturerkennens. Leipzig, 1872.

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sionales für die unaufhörlich erneuten Eingriffe seiner
Allmacht.

Leibniz endlich pflegte dies Problem mittels des,
wie es scheint, ursprünglich von Geulincx herrührenden
Bildes zweier Uhren zu erläutern, die gleichen Gang
zeigen sollen.16 Auf dreierlei Art, sagt er, könne dies
geschehen. Erstens können beide Uhren durch Schwin¬
gungen, die sie einer gemeinsamen Befestigung mit¬
theilen, einander so beeinflussen, dass ihr Gang derselbe
werde, wie dies Huyghens beobachtet habe, und wie es
im Anfange dieses Jahrhunderts Breguet sogar angewen¬
det hat, um den Gang jeder der beiden Uhren gleichförmiger
zu machen.17 Zweitens könne stets die eine Uhr gestellt
werden, um sie in gleichem Gange mit der anderen zu
erhalten. Drittens könne von vorn herein der Künstler
so geschickt gewesen sein, dass er beide Uhren, obschon
ganz unabhängig von einander, gleich gehend gemacht
habe. Zwischen Leib und Seele sei die erste Art der
Verbindung anerkannt unmöglich. Die zweite, der occa¬
sionalistischen Lehre entsprechende, sei Gottes unwürdig,
den sie als Deus ex machina verwende. So bleibe nur
die dritte übrig, in der man Leibniz' eigene Lehre der
praestabilirten Harmonie wiedererkennt.

Allein diese und ähnliche Betrachtungen sind in den
Augen der neueren Naturforschung entwerthet und der
Wirkung auf die heutigen Ansichten beraubt durch die

sionales für die unaufhörlich erneuten Eingriffe seiner
Allmacht.

Leibniz endlich pflegte dies Problem mittels des,
wie es scheint, ursprünglich von Geulincx herrührenden
Bildes zweier Uhren zu erläutern, die gleichen Gang
zeigen sollen.16 Auf dreierlei Art, sagt er, könne dies
geschehen. Erstens können beide Uhren durch Schwin¬
gungen, die sie einer gemeinsamen Befestigung mit¬
theilen, einander so beeinflussen, dass ihr Gang derselbe
werde, wie dies Huyghens beobachtet habe, und wie es
im Anfange dieses Jahrhunderts Breguet sogar angewen¬
det hat, um den Gang jeder der beiden Uhren gleichförmiger
zu machen.17 Zweitens könne stets die eine Uhr gestellt
werden, um sie in gleichem Gange mit der anderen zu
erhalten. Drittens könne von vorn herein der Künstler
so geschickt gewesen sein, dass er beide Uhren, obschon
ganz unabhängig von einander, gleich gehend gemacht
habe. Zwischen Leib und Seele sei die erste Art der
Verbindung anerkannt unmöglich. Die zweite, der occa¬
sionalistischen Lehre entsprechende, sei Gottes unwürdig,
den sie als Deus ex machina verwende. So bleibe nur
die dritte übrig, in der man Leibniz' eigene Lehre der
praestabilirten Harmonie wiedererkennt.

Allein diese und ähnliche Betrachtungen sind in den
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[20/0028] sionales für die unaufhörlich erneuten Eingriffe seiner Allmacht. Leibniz endlich pflegte dies Problem mittels des, wie es scheint, ursprünglich von Geulincx herrührenden Bildes zweier Uhren zu erläutern, die gleichen Gang zeigen sollen. ¹⁶ Auf dreierlei Art, sagt er, könne dies geschehen. Erstens können beide Uhren durch Schwin¬ gungen, die sie einer gemeinsamen Befestigung mit¬ theilen, einander so beeinflussen, dass ihr Gang derselbe werde, wie dies Huyghens beobachtet habe, und wie es im Anfange dieses Jahrhunderts Breguet sogar angewen¬ det hat, um den Gang jeder der beiden Uhren gleichförmiger zu machen. ¹⁷ Zweitens könne stets die eine Uhr gestellt werden, um sie in gleichem Gange mit der anderen zu erhalten. Drittens könne von vorn herein der Künstler so geschickt gewesen sein, dass er beide Uhren, obschon ganz unabhängig von einander, gleich gehend gemacht habe. Zwischen Leib und Seele sei die erste Art der Verbindung anerkannt unmöglich. Die zweite, der occa¬ sionalistischen Lehre entsprechende, sei Gottes unwürdig, den sie als Deus ex machina verwende. So bleibe nur die dritte übrig, in der man Leibniz' eigene Lehre der praestabilirten Harmonie wiedererkennt. Allein diese und ähnliche Betrachtungen sind in den Augen der neueren Naturforschung entwerthet und der Wirkung auf die heutigen Ansichten beraubt durch die

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Zitationshilfe: Du Bois-Reymond, Emil Heinrich: Über die Grenzen des Naturerkennens. Leipzig, 1872, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dubois_naturerkennen_1872/28>, abgerufen am 25.04.2024.