Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite

Beurteilung der Wärmewirkung
punkt eines auf die spezifischen Eigenschaften der Pflanze
begründeten Thermometers sei, dass aber von da an das
organische Leben einer unter dem Einflusse von Wärme
und Licht weitergehenden Maschine gleiche, welche
nichts von dem aufhebt, was sie schon geleistet. Das
Quecksilber im Thermometer steigt und sinkt, aber die
Pflanze schreitet niemals wieder zurück; sie kann bei
später eintretenden Frösten einen intermittierenden Still-
stand zeigen, aber sie fährt bei rückkehrender Wärme
da fort, wo der Frost sie traf.

Und wenn diese Verhältnisse bei uns herrschen, noch
deutlicher im hohen Norden, so darf man sie nicht im
geringsten übertragen auf die wärmeren Klimate; alle an-
gestellten Beobachtungen zeigen, dass in den trockenen
Tropen der Beginn der Vegetationsperiode von dem Ein-
tritt der Regenzeit abhängt, ja dass sich einige regel-
mässige Vegetationserscheinungen schon vor deren Ein-
tritt mit einer Lebhaftigkeit zeigen, welche beweist,
dass die Rhythmik schon an sich in diesen Fällen eine Cha-
raktereigenschaft geworden ist, dass sie nicht erst durch
den Eintritt von Regenfällen, durch zunehmende Bewöl-
kung, ausgelöst zu werden nötig hat. Die die Periode
bestimmenden Faktoren sind daher geographisch ver-
schieden, wirken aber niemals isoliert. Diese Anschauung
mit einer gewissen Freiheit aufgefasst scheint die ganze
theoretische Phänologie beherrschen zu müssen, wenn sie
sich mit den meteorologischen Daten und unseren physio-
logischen Kenntnissen in Einklang setzen will.

Ueber die Beziehungen des Steigens und Sinkens der
Temperatur zum Beginn und Schluss der Vegetations-
periode in den nördlich-kalten und gemässigten Ländern
sind allein genügende, oft sogar umständliche Beobach-
tungen angestellt und haben vielseitige Beachtung ge-
funden. Alphons de Candolle lieferte (Geogr. bot. Livre Ier)
eine vielseitige Erörterung darüber, klassisch für die da-
malige Zeit; eine die historische Entwickelung klar zu-
sammenfassende Arbeit ist die von Hult (G. J. Bd. IX,
S. 162), dessen eigene Ableitungen ein grosses Interesse
beanspruchen.

Beurteilung der Wärmewirkung
punkt eines auf die spezifischen Eigenschaften der Pflanze
begründeten Thermometers sei, dass aber von da an das
organische Leben einer unter dem Einflusse von Wärme
und Licht weitergehenden Maschine gleiche, welche
nichts von dem aufhebt, was sie schon geleistet. Das
Quecksilber im Thermometer steigt und sinkt, aber die
Pflanze schreitet niemals wieder zurück; sie kann bei
später eintretenden Frösten einen intermittierenden Still-
stand zeigen, aber sie fährt bei rückkehrender Wärme
da fort, wo der Frost sie traf.

Und wenn diese Verhältnisse bei uns herrschen, noch
deutlicher im hohen Norden, so darf man sie nicht im
geringsten übertragen auf die wärmeren Klimate; alle an-
gestellten Beobachtungen zeigen, dass in den trockenen
Tropen der Beginn der Vegetationsperiode von dem Ein-
tritt der Regenzeit abhängt, ja dass sich einige regel-
mässige Vegetationserscheinungen schon vor deren Ein-
tritt mit einer Lebhaftigkeit zeigen, welche beweist,
dass die Rhythmik schon an sich in diesen Fällen eine Cha-
raktereigenschaft geworden ist, dass sie nicht erst durch
den Eintritt von Regenfällen, durch zunehmende Bewöl-
kung, ausgelöst zu werden nötig hat. Die die Periode
bestimmenden Faktoren sind daher geographisch ver-
schieden, wirken aber niemals isoliert. Diese Anschauung
mit einer gewissen Freiheit aufgefasst scheint die ganze
theoretische Phänologie beherrschen zu müssen, wenn sie
sich mit den meteorologischen Daten und unseren physio-
logischen Kenntnissen in Einklang setzen will.

Ueber die Beziehungen des Steigens und Sinkens der
Temperatur zum Beginn und Schluss der Vegetations-
periode in den nördlich-kalten und gemässigten Ländern
sind allein genügende, oft sogar umständliche Beobach-
tungen angestellt und haben vielseitige Beachtung ge-
funden. Alphons de Candolle lieferte (Géogr. bot. Livre Ier)
eine vielseitige Erörterung darüber, klassisch für die da-
malige Zeit; eine die historische Entwickelung klar zu-
sammenfassende Arbeit ist die von Hult (G. J. Bd. IX,
S. 162), dessen eigene Ableitungen ein grosses Interesse
beanspruchen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0060" n="38"/><fw place="top" type="header">Beurteilung der Wärmewirkung</fw><lb/>
punkt eines auf die spezifischen Eigenschaften der Pflanze<lb/>
begründeten Thermometers sei, dass aber von da an das<lb/>
organische Leben einer unter dem Einflusse von Wärme<lb/>
und Licht weitergehenden Maschine gleiche, welche<lb/>
nichts von dem aufhebt, was sie schon geleistet. Das<lb/>
Quecksilber im Thermometer steigt und sinkt, aber die<lb/>
Pflanze schreitet niemals wieder zurück; sie kann bei<lb/>
später eintretenden Frösten einen intermittierenden Still-<lb/>
stand zeigen, aber sie fährt bei rückkehrender Wärme<lb/>
da fort, wo der Frost sie traf.</p><lb/>
        <p>Und wenn diese Verhältnisse bei uns herrschen, noch<lb/>
deutlicher im hohen Norden, so darf man sie nicht im<lb/>
geringsten übertragen auf die wärmeren Klimate; alle an-<lb/>
gestellten Beobachtungen zeigen, dass in den trockenen<lb/>
Tropen der Beginn der Vegetationsperiode von dem Ein-<lb/>
tritt der Regenzeit abhängt, ja dass sich einige regel-<lb/>
mässige Vegetationserscheinungen schon <hi rendition="#g">vor</hi> deren Ein-<lb/>
tritt mit einer Lebhaftigkeit zeigen, welche beweist,<lb/>
dass die Rhythmik schon an sich in diesen Fällen eine Cha-<lb/>
raktereigenschaft geworden ist, dass sie nicht erst durch<lb/>
den Eintritt von Regenfällen, durch zunehmende Bewöl-<lb/>
kung, ausgelöst zu werden nötig hat. Die die Periode<lb/>
bestimmenden Faktoren sind daher geographisch ver-<lb/>
schieden, wirken aber niemals isoliert. Diese Anschauung<lb/>
mit einer gewissen Freiheit aufgefasst scheint die ganze<lb/>
theoretische Phänologie beherrschen zu müssen, wenn sie<lb/>
sich mit den meteorologischen Daten und unseren physio-<lb/>
logischen Kenntnissen in Einklang setzen will.</p><lb/>
        <p>Ueber die Beziehungen des Steigens und Sinkens der<lb/>
Temperatur zum Beginn und Schluss der Vegetations-<lb/>
periode in den nördlich-kalten und gemässigten Ländern<lb/>
sind allein genügende, oft sogar umständliche Beobach-<lb/>
tungen angestellt und haben vielseitige Beachtung ge-<lb/>
funden. Alphons de Candolle lieferte (<hi rendition="#i">Géogr. bot.</hi> Livre I<hi rendition="#sup">er</hi>)<lb/>
eine vielseitige Erörterung darüber, klassisch für die da-<lb/>
malige Zeit; eine die historische Entwickelung klar zu-<lb/>
sammenfassende Arbeit ist die von Hult (<hi rendition="#i">G. J.</hi> Bd. IX,<lb/>
S. 162), dessen eigene Ableitungen ein grosses Interesse<lb/>
beanspruchen.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[38/0060] Beurteilung der Wärmewirkung punkt eines auf die spezifischen Eigenschaften der Pflanze begründeten Thermometers sei, dass aber von da an das organische Leben einer unter dem Einflusse von Wärme und Licht weitergehenden Maschine gleiche, welche nichts von dem aufhebt, was sie schon geleistet. Das Quecksilber im Thermometer steigt und sinkt, aber die Pflanze schreitet niemals wieder zurück; sie kann bei später eintretenden Frösten einen intermittierenden Still- stand zeigen, aber sie fährt bei rückkehrender Wärme da fort, wo der Frost sie traf. Und wenn diese Verhältnisse bei uns herrschen, noch deutlicher im hohen Norden, so darf man sie nicht im geringsten übertragen auf die wärmeren Klimate; alle an- gestellten Beobachtungen zeigen, dass in den trockenen Tropen der Beginn der Vegetationsperiode von dem Ein- tritt der Regenzeit abhängt, ja dass sich einige regel- mässige Vegetationserscheinungen schon vor deren Ein- tritt mit einer Lebhaftigkeit zeigen, welche beweist, dass die Rhythmik schon an sich in diesen Fällen eine Cha- raktereigenschaft geworden ist, dass sie nicht erst durch den Eintritt von Regenfällen, durch zunehmende Bewöl- kung, ausgelöst zu werden nötig hat. Die die Periode bestimmenden Faktoren sind daher geographisch ver- schieden, wirken aber niemals isoliert. Diese Anschauung mit einer gewissen Freiheit aufgefasst scheint die ganze theoretische Phänologie beherrschen zu müssen, wenn sie sich mit den meteorologischen Daten und unseren physio- logischen Kenntnissen in Einklang setzen will. Ueber die Beziehungen des Steigens und Sinkens der Temperatur zum Beginn und Schluss der Vegetations- periode in den nördlich-kalten und gemässigten Ländern sind allein genügende, oft sogar umständliche Beobach- tungen angestellt und haben vielseitige Beachtung ge- funden. Alphons de Candolle lieferte (Géogr. bot. Livre Ier) eine vielseitige Erörterung darüber, klassisch für die da- malige Zeit; eine die historische Entwickelung klar zu- sammenfassende Arbeit ist die von Hult (G. J. Bd. IX, S. 162), dessen eigene Ableitungen ein grosses Interesse beanspruchen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/60
Zitationshilfe: Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/60>, abgerufen am 05.05.2024.