Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite

Ararat. Persische Gebirge.
vor. Unter solchen Bedingungen reicht auch der Getreidebau am
Wansee und Bingöl Dagh bis 2300 m (Gerste), und bei 2000 m
Höhe gibt die Hochebene von Ersirum noch ergiebige Weizen-
ernten. Vom Bingöl-Dagh brachte Radde genaue Vegetationsan-
gaben mit: in der Höhe der obersten Birkengestrüppe beobachtete
er zugleich Astragalus- und Acantholimon-Gruppen, welche 500 m
tiefer schon wieder die Alleinherrschaft haben. Auch bei 3000 m
Höhe ist die Insolationswirkung oft eine so enorme, dass selbst
bei nördlicher Lage an keinen zusammenhängenden Rasen zu
denken ist und wiederum die Steppen-Charaktergattungen mit be-
sonderen Arten vertreten sind, hier Acantholimon glumaceum und
Astragalus denudatus. Aus den höchsten Höhen in der Nähe der
Schneeschrammen ziehen sich diese zurück, und dort erscheint eine
von Stauden und Zwiebelgewächsen gebildete Glacialformation:
Alsine aizoides und recurva, Androsace olympica, Centaurea rhi-
zantha (mit hellgelben Blumenköpfen inmitten der fiederlappig
zerschnittenen und dicht behaarten Blätter sitzend), Viola dichroa,
Gentiana septemfida und gelida, Dianthus petraeus, Myosotis sil-
vatica, Hedysarum obscurum, die im kaukasischen Hochgebirge
selten fehlende Artemisia splendens, besonders charakteristisch noch
an einzelnen Stellen Heldreichia rotundifolia und Gladiolus Rad-
deanus.

Am Kuh-Daena im Quellgebiet des Orontes findet gleich-
falls nach Kotschy eine direkte Ablösung der unteren Steppen-
pflanzen durch obere Hochgebirgsarten von ähnlichem Typus statt,
ohne dass ein geschlossener Waldgürtel sich einschaltete. Bei
5000 Fuss setzt K. die obere Grenze von Quercus persica an, bei
6000 Fuss die untere Gesträuchgrenze der Lonicera persica, nun
folgt 7000--8000 Fuss hoch eine nach hohen Umbelliferen be-
nannte Formation (Ferula erubescens, Dorema Aucheri), dann 8000
bis 10000 erst hohe und darauf niedere Astragalus-Arten, dann
noch über im August liegenden Schneefeldern Didymophysa, Mo-
riera, Polygonum radicosum. -- Auf den nördlichen Randgebirgen
Persiens treten dagegen in entsprechenden Höhen, oder bei grösserer
Niederschlagsmenge entsprechend tiefer, weit mehr boreale Typen
und auch gewöhnliche Mitteleuropäer auf, wie z. B. am westlichen
Elburs 2000 m hoch im schattigen Grunde der Thäler Carex sil-
vatica, Orchis incarnata und coriophora, Chaerophyllum aureum,
Euphrasia officinalis etc.

Noch ist kurz darauf hinzuweisen, dass eine grosse
Zahl höchst wichtiger Kulturpflanzen für Nahrung,
Haushalt und Gartenschmuck in dem weiten Bereich des
Orients ihr Heimatland haben oder doch wenigstens mit
Sicherheit ihr Indigenat vermuten lassen. Der Granat-
baum (Punica Granatum) ist wild in Abchasien-Min-
grelien, im ganzen Littorale des Kaspischen Meeres und
durch Persien hindurch bis zum östlichen Afghanistan noch

Ararat. Persische Gebirge.
vor. Unter solchen Bedingungen reicht auch der Getreidebau am
Wansee und Bingöl Dagh bis 2300 m (Gerste), und bei 2000 m
Höhe gibt die Hochebene von Ersirum noch ergiebige Weizen-
ernten. Vom Bingöl-Dagh brachte Radde genaue Vegetationsan-
gaben mit: in der Höhe der obersten Birkengestrüppe beobachtete
er zugleich Astragalus- und Acantholimon-Gruppen, welche 500 m
tiefer schon wieder die Alleinherrschaft haben. Auch bei 3000 m
Höhe ist die Insolationswirkung oft eine so enorme, dass selbst
bei nördlicher Lage an keinen zusammenhängenden Rasen zu
denken ist und wiederum die Steppen-Charaktergattungen mit be-
sonderen Arten vertreten sind, hier Acantholimon glumaceum und
Astragalus denudatus. Aus den höchsten Höhen in der Nähe der
Schneeschrammen ziehen sich diese zurück, und dort erscheint eine
von Stauden und Zwiebelgewächsen gebildete Glacialformation:
Alsine aizoïdes und recurva, Androsace olympica, Centaurea rhi-
zantha (mit hellgelben Blumenköpfen inmitten der fiederlappig
zerschnittenen und dicht behaarten Blätter sitzend), Viola dichroa,
Gentiana septemfida und gelida, Dianthus petraeus, Myosotis sil-
vatica, Hedysarum obscurum, die im kaukasischen Hochgebirge
selten fehlende Artemisia splendens, besonders charakteristisch noch
an einzelnen Stellen Heldreichia rotundifolia und Gladiolus Rad-
deanus.

Am Kuh-Daëna im Quellgebiet des Orontes findet gleich-
falls nach Kotschy eine direkte Ablösung der unteren Steppen-
pflanzen durch obere Hochgebirgsarten von ähnlichem Typus statt,
ohne dass ein geschlossener Waldgürtel sich einschaltete. Bei
5000 Fuss setzt K. die obere Grenze von Quercus persica an, bei
6000 Fuss die untere Gesträuchgrenze der Lonicera persica, nun
folgt 7000—8000 Fuss hoch eine nach hohen Umbelliferen be-
nannte Formation (Ferula erubescens, Dorema Aucheri), dann 8000
bis 10000 erst hohe und darauf niedere Astragalus-Arten, dann
noch über im August liegenden Schneefeldern Didymophysa, Mo-
riera, Polygonum radicosum. — Auf den nördlichen Randgebirgen
Persiens treten dagegen in entsprechenden Höhen, oder bei grösserer
Niederschlagsmenge entsprechend tiefer, weit mehr boreale Typen
und auch gewöhnliche Mitteleuropäer auf, wie z. B. am westlichen
Elburs 2000 m hoch im schattigen Grunde der Thäler Carex sil-
vatica, Orchis incarnata und coriophora, Chaerophyllum aureum,
Euphrasia officinalis etc.

Noch ist kurz darauf hinzuweisen, dass eine grosse
Zahl höchst wichtiger Kulturpflanzen für Nahrung,
Haushalt und Gartenschmuck in dem weiten Bereich des
Orients ihr Heimatland haben oder doch wenigstens mit
Sicherheit ihr Indigenat vermuten lassen. Der Granat-
baum (Punica Granatum) ist wild in Abchasien-Min-
grelien, im ganzen Littorale des Kaspischen Meeres und
durch Persien hindurch bis zum östlichen Afghanistan noch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0435" n="403"/><fw place="top" type="header">Ararat. Persische Gebirge.</fw><lb/>
vor. Unter solchen Bedingungen reicht auch der Getreidebau am<lb/>
Wansee und Bingöl Dagh bis 2300 m (Gerste), und bei 2000 m<lb/>
Höhe gibt die Hochebene von Ersirum noch ergiebige Weizen-<lb/>
ernten. Vom Bingöl-Dagh brachte Radde genaue Vegetationsan-<lb/>
gaben mit: in der Höhe der obersten Birkengestrüppe beobachtete<lb/>
er zugleich Astragalus- und Acantholimon-Gruppen, welche 500 m<lb/>
tiefer schon wieder die Alleinherrschaft haben. Auch bei 3000 m<lb/>
Höhe ist die Insolationswirkung oft eine so enorme, dass selbst<lb/>
bei nördlicher Lage an keinen zusammenhängenden Rasen zu<lb/>
denken ist und wiederum die Steppen-Charaktergattungen mit be-<lb/>
sonderen Arten vertreten sind, hier Acantholimon glumaceum und<lb/>
Astragalus denudatus. Aus den höchsten Höhen in der Nähe der<lb/>
Schneeschrammen ziehen sich diese zurück, und dort erscheint eine<lb/>
von Stauden und Zwiebelgewächsen gebildete Glacialformation:<lb/>
Alsine aizoïdes und recurva, Androsace olympica, Centaurea rhi-<lb/>
zantha (mit hellgelben Blumenköpfen inmitten der fiederlappig<lb/>
zerschnittenen und dicht behaarten Blätter sitzend), Viola dichroa,<lb/>
Gentiana septemfida und gelida, Dianthus petraeus, Myosotis sil-<lb/>
vatica, Hedysarum obscurum, die im kaukasischen Hochgebirge<lb/>
selten fehlende Artemisia splendens, besonders charakteristisch noch<lb/>
an einzelnen Stellen Heldreichia rotundifolia und Gladiolus Rad-<lb/>
deanus.</p><lb/>
            <p>Am Kuh-Daëna im Quellgebiet des Orontes findet gleich-<lb/>
falls nach Kotschy eine direkte Ablösung der unteren Steppen-<lb/>
pflanzen durch obere Hochgebirgsarten von ähnlichem Typus statt,<lb/>
ohne dass ein geschlossener Waldgürtel sich einschaltete. Bei<lb/>
5000 Fuss setzt K. die obere Grenze von Quercus persica an, bei<lb/>
6000 Fuss die untere Gesträuchgrenze der Lonicera persica, nun<lb/>
folgt 7000&#x2014;8000 Fuss hoch eine nach hohen Umbelliferen be-<lb/>
nannte Formation (Ferula erubescens, Dorema Aucheri), dann 8000<lb/>
bis 10000 erst hohe und darauf niedere Astragalus-Arten, dann<lb/>
noch über im August liegenden Schneefeldern Didymophysa, Mo-<lb/>
riera, Polygonum radicosum. &#x2014; Auf den nördlichen Randgebirgen<lb/>
Persiens treten dagegen in entsprechenden Höhen, oder bei grösserer<lb/>
Niederschlagsmenge entsprechend tiefer, weit mehr boreale Typen<lb/>
und auch gewöhnliche Mitteleuropäer auf, wie z. B. am westlichen<lb/>
Elburs 2000 m hoch im schattigen Grunde der Thäler Carex sil-<lb/>
vatica, Orchis incarnata und coriophora, Chaerophyllum aureum,<lb/>
Euphrasia officinalis etc.</p><lb/>
            <p>Noch ist kurz darauf hinzuweisen, dass eine grosse<lb/>
Zahl höchst wichtiger <hi rendition="#g">Kulturpflanzen</hi> für Nahrung,<lb/>
Haushalt und Gartenschmuck in dem weiten Bereich des<lb/>
Orients ihr Heimatland haben oder doch wenigstens mit<lb/>
Sicherheit ihr Indigenat vermuten lassen. Der Granat-<lb/>
baum (<hi rendition="#i">Punica Granatum</hi>) ist wild in Abchasien-Min-<lb/>
grelien, im ganzen Littorale des Kaspischen Meeres und<lb/>
durch Persien hindurch bis zum östlichen Afghanistan noch<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[403/0435] Ararat. Persische Gebirge. vor. Unter solchen Bedingungen reicht auch der Getreidebau am Wansee und Bingöl Dagh bis 2300 m (Gerste), und bei 2000 m Höhe gibt die Hochebene von Ersirum noch ergiebige Weizen- ernten. Vom Bingöl-Dagh brachte Radde genaue Vegetationsan- gaben mit: in der Höhe der obersten Birkengestrüppe beobachtete er zugleich Astragalus- und Acantholimon-Gruppen, welche 500 m tiefer schon wieder die Alleinherrschaft haben. Auch bei 3000 m Höhe ist die Insolationswirkung oft eine so enorme, dass selbst bei nördlicher Lage an keinen zusammenhängenden Rasen zu denken ist und wiederum die Steppen-Charaktergattungen mit be- sonderen Arten vertreten sind, hier Acantholimon glumaceum und Astragalus denudatus. Aus den höchsten Höhen in der Nähe der Schneeschrammen ziehen sich diese zurück, und dort erscheint eine von Stauden und Zwiebelgewächsen gebildete Glacialformation: Alsine aizoïdes und recurva, Androsace olympica, Centaurea rhi- zantha (mit hellgelben Blumenköpfen inmitten der fiederlappig zerschnittenen und dicht behaarten Blätter sitzend), Viola dichroa, Gentiana septemfida und gelida, Dianthus petraeus, Myosotis sil- vatica, Hedysarum obscurum, die im kaukasischen Hochgebirge selten fehlende Artemisia splendens, besonders charakteristisch noch an einzelnen Stellen Heldreichia rotundifolia und Gladiolus Rad- deanus. Am Kuh-Daëna im Quellgebiet des Orontes findet gleich- falls nach Kotschy eine direkte Ablösung der unteren Steppen- pflanzen durch obere Hochgebirgsarten von ähnlichem Typus statt, ohne dass ein geschlossener Waldgürtel sich einschaltete. Bei 5000 Fuss setzt K. die obere Grenze von Quercus persica an, bei 6000 Fuss die untere Gesträuchgrenze der Lonicera persica, nun folgt 7000—8000 Fuss hoch eine nach hohen Umbelliferen be- nannte Formation (Ferula erubescens, Dorema Aucheri), dann 8000 bis 10000 erst hohe und darauf niedere Astragalus-Arten, dann noch über im August liegenden Schneefeldern Didymophysa, Mo- riera, Polygonum radicosum. — Auf den nördlichen Randgebirgen Persiens treten dagegen in entsprechenden Höhen, oder bei grösserer Niederschlagsmenge entsprechend tiefer, weit mehr boreale Typen und auch gewöhnliche Mitteleuropäer auf, wie z. B. am westlichen Elburs 2000 m hoch im schattigen Grunde der Thäler Carex sil- vatica, Orchis incarnata und coriophora, Chaerophyllum aureum, Euphrasia officinalis etc. Noch ist kurz darauf hinzuweisen, dass eine grosse Zahl höchst wichtiger Kulturpflanzen für Nahrung, Haushalt und Gartenschmuck in dem weiten Bereich des Orients ihr Heimatland haben oder doch wenigstens mit Sicherheit ihr Indigenat vermuten lassen. Der Granat- baum (Punica Granatum) ist wild in Abchasien-Min- grelien, im ganzen Littorale des Kaspischen Meeres und durch Persien hindurch bis zum östlichen Afghanistan noch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/435
Zitationshilfe: Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/435>, abgerufen am 21.05.2024.