Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite

Haupt- und Einzelbestände.
Vegetationszonen der Erde durch ihre massenhafte Ver-
teilung charakterisieren, so die Einzelbestände oder
die Spezialformationen in ihrer besonderen Anordnung
jede natürliche Vegetationsregion.

In einem Aufsatz über die Mittel, welche diese Einzelforma-
tionen zur Charakterisierung einer natürlichen Vegetationsregion
bieten (Englers botan. Jahrb. XI, 21), und auf welchen ich hier
für weitere Vertiefung der Frage verweise, habe ich die Methode
an einer Gliederung der Bestände im mitteldeutschen Gebirgs-
und Hügellande vom Harz bis zu den Sudeten versucht. Es ist
dabei die Erklärung für "Einzelformation" gegeben, dass darunter
im Rahmen der ganzen Vegetationsregion jeder selbständige,
einen natürlichen Abschluss in sich selbst findende Bestand be-
stimmter Vegetationsformen (Bäume, Sträucher, Gräser etc.)
zu verstehen ist, welcher aus bestimmten, dem Florengebietscha-
rakter entsprechenden Arten der Charakterfamilien des herrschen-
den Florenreichs sich zusammensetzt und durch das Zusammen-
treffen bestimmter klimatischer, sowie in der Bewässerung und in
dem Substrat begründeter Lokalbedingungen erhalten wird. Diese
Bedingungen halten die Scheidung der Spezialformationen auf-
recht, solange das hergestellte Gleichgewicht nicht durch äussere
Anlässe oder organische Schwäche der herrschenden Pflanzenarten
gestört wird; jeder Bestand bietet dadurch den sporadisch auftre-
tenden Arten besondere Standorte, deren Erhaltung eng mit der
Erhaltung, der Ausbreitung oder dem Verschwinden dieser For-
mation verknüpft ist.

Florenkunde und spezielle Pflanzengeogra-
phie
. Aus diesen allgemeinen Bemerkungen lässt sich
beurteilen, dass die Florenkenntnis der einzelnen Länder
nur durch harmonische Verbindung des botanisch-syste-
matischen und des biologisch-geographischen Gesichts-
punktes erschöpfend erreicht werden kann; die Mehrzahl
der für die verschiedenen, weiten und engen Länder-
bezirke geschriebenen "Floren" werden daher ihrer Auf-
gabe zur Zeit noch sehr einseitig gerecht, indem sie Be-
schreibungen der in diesem Bezirke vereinigten Pflanzen
nach der systematischen Klassifikation zusammenstellen.
Geographisch wird dadurch nur das zu weiterer Bearbei-
tung gebotene Material angedeutet, geleistet wird in dieser
Beziehung alsdann nichts. Es fehlt hier noch vielfach
der innere Zusammenhang zwischen der floristischen
Systematik und der biologischen Geographie, als wenn
beides ganz unzusammenhängende Dinge wären. Und

Haupt- und Einzelbestände.
Vegetationszonen der Erde durch ihre massenhafte Ver-
teilung charakterisieren, so die Einzelbestände oder
die Spezialformationen in ihrer besonderen Anordnung
jede natürliche Vegetationsregion.

In einem Aufsatz über die Mittel, welche diese Einzelforma-
tionen zur Charakterisierung einer natürlichen Vegetationsregion
bieten (Englers botan. Jahrb. XI, 21), und auf welchen ich hier
für weitere Vertiefung der Frage verweise, habe ich die Methode
an einer Gliederung der Bestände im mitteldeutschen Gebirgs-
und Hügellande vom Harz bis zu den Sudeten versucht. Es ist
dabei die Erklärung für „Einzelformation“ gegeben, dass darunter
im Rahmen der ganzen Vegetationsregion jeder selbständige,
einen natürlichen Abschluss in sich selbst findende Bestand be-
stimmter Vegetationsformen (Bäume, Sträucher, Gräser etc.)
zu verstehen ist, welcher aus bestimmten, dem Florengebietscha-
rakter entsprechenden Arten der Charakterfamilien des herrschen-
den Florenreichs sich zusammensetzt und durch das Zusammen-
treffen bestimmter klimatischer, sowie in der Bewässerung und in
dem Substrat begründeter Lokalbedingungen erhalten wird. Diese
Bedingungen halten die Scheidung der Spezialformationen auf-
recht, solange das hergestellte Gleichgewicht nicht durch äussere
Anlässe oder organische Schwäche der herrschenden Pflanzenarten
gestört wird; jeder Bestand bietet dadurch den sporadisch auftre-
tenden Arten besondere Standorte, deren Erhaltung eng mit der
Erhaltung, der Ausbreitung oder dem Verschwinden dieser For-
mation verknüpft ist.

Florenkunde und spezielle Pflanzengeogra-
phie
. Aus diesen allgemeinen Bemerkungen lässt sich
beurteilen, dass die Florenkenntnis der einzelnen Länder
nur durch harmonische Verbindung des botanisch-syste-
matischen und des biologisch-geographischen Gesichts-
punktes erschöpfend erreicht werden kann; die Mehrzahl
der für die verschiedenen, weiten und engen Länder-
bezirke geschriebenen „Floren“ werden daher ihrer Auf-
gabe zur Zeit noch sehr einseitig gerecht, indem sie Be-
schreibungen der in diesem Bezirke vereinigten Pflanzen
nach der systematischen Klassifikation zusammenstellen.
Geographisch wird dadurch nur das zu weiterer Bearbei-
tung gebotene Material angedeutet, geleistet wird in dieser
Beziehung alsdann nichts. Es fehlt hier noch vielfach
der innere Zusammenhang zwischen der floristischen
Systematik und der biologischen Geographie, als wenn
beides ganz unzusammenhängende Dinge wären. Und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0364" n="334"/><fw place="top" type="header">Haupt- und Einzelbestände.</fw><lb/>
Vegetationszonen der Erde durch ihre massenhafte Ver-<lb/>
teilung charakterisieren, so die <hi rendition="#g">Einzelbestände</hi> oder<lb/>
die Spezialformationen in ihrer besonderen Anordnung<lb/>
jede natürliche Vegetationsregion.</p><lb/>
          <p>In einem Aufsatz über die Mittel, welche diese Einzelforma-<lb/>
tionen zur Charakterisierung einer natürlichen Vegetationsregion<lb/>
bieten (Englers botan. Jahrb. XI, 21), und auf welchen ich hier<lb/>
für weitere Vertiefung der Frage verweise, habe ich die Methode<lb/>
an einer Gliederung der Bestände im mitteldeutschen Gebirgs-<lb/>
und Hügellande vom Harz bis zu den Sudeten versucht. Es ist<lb/>
dabei die Erklärung für &#x201E;Einzelformation&#x201C; gegeben, dass darunter<lb/>
im Rahmen der ganzen Vegetationsregion jeder selbständige,<lb/>
einen natürlichen Abschluss in sich selbst findende Bestand be-<lb/>
stimmter <hi rendition="#g">Vegetationsformen</hi> (Bäume, Sträucher, Gräser etc.)<lb/>
zu verstehen ist, welcher aus bestimmten, dem Florengebietscha-<lb/>
rakter entsprechenden <hi rendition="#g">Arten</hi> der Charakterfamilien des herrschen-<lb/>
den Florenreichs sich zusammensetzt und durch das Zusammen-<lb/>
treffen bestimmter klimatischer, sowie in der Bewässerung und in<lb/>
dem Substrat begründeter Lokalbedingungen erhalten wird. Diese<lb/>
Bedingungen halten die Scheidung der Spezialformationen auf-<lb/>
recht, solange das hergestellte Gleichgewicht nicht durch äussere<lb/>
Anlässe oder organische Schwäche der herrschenden Pflanzenarten<lb/>
gestört wird; jeder Bestand bietet dadurch den sporadisch auftre-<lb/>
tenden Arten besondere Standorte, deren Erhaltung eng mit der<lb/>
Erhaltung, der Ausbreitung oder dem Verschwinden dieser For-<lb/>
mation verknüpft ist.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Florenkunde und spezielle Pflanzengeogra-<lb/>
phie</hi>. Aus diesen allgemeinen Bemerkungen lässt sich<lb/>
beurteilen, dass die Florenkenntnis der einzelnen Länder<lb/>
nur durch harmonische Verbindung des botanisch-syste-<lb/>
matischen und des biologisch-geographischen Gesichts-<lb/>
punktes erschöpfend erreicht werden kann; die Mehrzahl<lb/>
der für die verschiedenen, weiten und engen Länder-<lb/>
bezirke geschriebenen &#x201E;Floren&#x201C; werden daher ihrer Auf-<lb/>
gabe zur Zeit noch sehr einseitig gerecht, indem sie Be-<lb/>
schreibungen der in diesem Bezirke vereinigten Pflanzen<lb/>
nach der systematischen Klassifikation zusammenstellen.<lb/>
Geographisch wird dadurch nur das zu weiterer Bearbei-<lb/>
tung gebotene Material angedeutet, geleistet wird in dieser<lb/>
Beziehung alsdann nichts. Es fehlt hier noch vielfach<lb/>
der innere Zusammenhang zwischen der floristischen<lb/>
Systematik und der biologischen Geographie, als wenn<lb/>
beides ganz unzusammenhängende Dinge wären. Und<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[334/0364] Haupt- und Einzelbestände. Vegetationszonen der Erde durch ihre massenhafte Ver- teilung charakterisieren, so die Einzelbestände oder die Spezialformationen in ihrer besonderen Anordnung jede natürliche Vegetationsregion. In einem Aufsatz über die Mittel, welche diese Einzelforma- tionen zur Charakterisierung einer natürlichen Vegetationsregion bieten (Englers botan. Jahrb. XI, 21), und auf welchen ich hier für weitere Vertiefung der Frage verweise, habe ich die Methode an einer Gliederung der Bestände im mitteldeutschen Gebirgs- und Hügellande vom Harz bis zu den Sudeten versucht. Es ist dabei die Erklärung für „Einzelformation“ gegeben, dass darunter im Rahmen der ganzen Vegetationsregion jeder selbständige, einen natürlichen Abschluss in sich selbst findende Bestand be- stimmter Vegetationsformen (Bäume, Sträucher, Gräser etc.) zu verstehen ist, welcher aus bestimmten, dem Florengebietscha- rakter entsprechenden Arten der Charakterfamilien des herrschen- den Florenreichs sich zusammensetzt und durch das Zusammen- treffen bestimmter klimatischer, sowie in der Bewässerung und in dem Substrat begründeter Lokalbedingungen erhalten wird. Diese Bedingungen halten die Scheidung der Spezialformationen auf- recht, solange das hergestellte Gleichgewicht nicht durch äussere Anlässe oder organische Schwäche der herrschenden Pflanzenarten gestört wird; jeder Bestand bietet dadurch den sporadisch auftre- tenden Arten besondere Standorte, deren Erhaltung eng mit der Erhaltung, der Ausbreitung oder dem Verschwinden dieser For- mation verknüpft ist. Florenkunde und spezielle Pflanzengeogra- phie. Aus diesen allgemeinen Bemerkungen lässt sich beurteilen, dass die Florenkenntnis der einzelnen Länder nur durch harmonische Verbindung des botanisch-syste- matischen und des biologisch-geographischen Gesichts- punktes erschöpfend erreicht werden kann; die Mehrzahl der für die verschiedenen, weiten und engen Länder- bezirke geschriebenen „Floren“ werden daher ihrer Auf- gabe zur Zeit noch sehr einseitig gerecht, indem sie Be- schreibungen der in diesem Bezirke vereinigten Pflanzen nach der systematischen Klassifikation zusammenstellen. Geographisch wird dadurch nur das zu weiterer Bearbei- tung gebotene Material angedeutet, geleistet wird in dieser Beziehung alsdann nichts. Es fehlt hier noch vielfach der innere Zusammenhang zwischen der floristischen Systematik und der biologischen Geographie, als wenn beides ganz unzusammenhängende Dinge wären. Und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/364
Zitationshilfe: Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/364>, abgerufen am 21.05.2024.