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Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890.

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der regengrünen Wälder.
keit verbrauchen und damit die in den Zweigen und im Stamm
enthaltenen Vorräte erschöpfen. In dem blattlosen Zustande ver-
bleiben die Bäume dann bis Ende April oder Anfang Mai, wo
feuchte Nordwestwinde als Vorläufer des tropischen Regens sie
neu beleben. Als nun aber beispielsweise 1875 der ganze Monat
Mai mit trockenem Ostwinde tief blauen Himmel zeigte, die Tem-
peratur an mehreren Tagen in der Sonne auf 35°C., im Schatten
bis auf 28°C. stieg, waren trotzdem schon Mitte April die Ery-
thrinen in feuerfarbenem Blütenschmuck und entfalteten die Bom-
baceen (B. Ceiba und Eriodendron anfractuosum) in wenigen
Tagen ihre handförmigen Blätter, viele andere Holzgewächse gaben
ebenfalls die auffallendsten Beweise einer sehr kräftig beginnenden
neuen Vegetationsperiode, obwohl von Feuchtigkeit im Boden
keine Spur zu finden war. (Es enthält bekanntlich auch der
dürrste Boden eine seiner Hygroskopizität entsprechende Menge
von Wasser, welches ihm aber die Wurzeln nicht mehr zu ent-
ziehen vermögen.)

Die einzige Möglichkeit eines Erklärungsversuches aus vor-
handenen äusseren Anlässen findet Ernst in den lebhaften Tem-
peraturschwankungen, welche die trockene Jahreszeit zumal an
ihrem Abschluss charakterisieren (30--35°C. im Sonnenschein und
15--20°C. in der Nacht). Die in dem gerade bei diesen Bäumen
weichen und schwammigen Holze eingeschlossenen Gase, bezw.
verdünnter Wasserdampf, sollen durch wechselnde Ausdehnungen
und Zusammenziehungen den Saftfluss erregen und die Vege-
tationserscheinungen auslösen, welche die Pflanze vernichten würden,
wenn nicht bald nachher die feuchte Jahreszeit wirklich einsetzen
würde. Es erscheint Ernst wahrscheinlich, dass in ähnlicher Weise,
wie die Pflanzen einer gewissen Wärmesumme bedürfen, um von
dem Tage des Ausschlagens der Blätter bis zur Blütenentfaltung
zu gelangen, so auch gewisse Arten eine bestimmte Summe von
Wärmedifferenzen brauchen, um jene Schwankungen ihrer inneren
Temperatur hervorzubringen, die sich später durch äusserlich sicht-
bare Vegetationserscheinungen kund geben. Wird diese Summe
schon während der trockenen Jahreszeit erreicht, so beginnen auch
schon dann die entsprechenden Phasen, und der Baum zehrt bis
zum Eintreten von Niederschlägen von dem in seinem Gewebe
aufgespeicherten Wasser.

Für die tropische Kultur und Verwertung pflanz-
licher Rohstoffe scheinen die periodisch-belaubten Wälder
nicht selten eine höhere Bedeutung als die immergrünen
Regenwälder zu haben; so gibt wenigstens auch Kurz
aus Britisch-Birma an, dass die tropische Forstkultur
dorten hauptsächlich mit jenen zu thun habe, weil die
meisten wichtigen Nutzholzbäume sich unter ihnen fin-
den. Das reichere Artgemisch aber heftet sich immer

der regengrünen Wälder.
keit verbrauchen und damit die in den Zweigen und im Stamm
enthaltenen Vorräte erschöpfen. In dem blattlosen Zustande ver-
bleiben die Bäume dann bis Ende April oder Anfang Mai, wo
feuchte Nordwestwinde als Vorläufer des tropischen Regens sie
neu beleben. Als nun aber beispielsweise 1875 der ganze Monat
Mai mit trockenem Ostwinde tief blauen Himmel zeigte, die Tem-
peratur an mehreren Tagen in der Sonne auf 35°C., im Schatten
bis auf 28°C. stieg, waren trotzdem schon Mitte April die Ery-
thrinen in feuerfarbenem Blütenschmuck und entfalteten die Bom-
baceen (B. Ceiba und Eriodendron anfractuosum) in wenigen
Tagen ihre handförmigen Blätter, viele andere Holzgewächse gaben
ebenfalls die auffallendsten Beweise einer sehr kräftig beginnenden
neuen Vegetationsperiode, obwohl von Feuchtigkeit im Boden
keine Spur zu finden war. (Es enthält bekanntlich auch der
dürrste Boden eine seiner Hygroskopizität entsprechende Menge
von Wasser, welches ihm aber die Wurzeln nicht mehr zu ent-
ziehen vermögen.)

Die einzige Möglichkeit eines Erklärungsversuches aus vor-
handenen äusseren Anlässen findet Ernst in den lebhaften Tem-
peraturschwankungen, welche die trockene Jahreszeit zumal an
ihrem Abschluss charakterisieren (30—35°C. im Sonnenschein und
15—20°C. in der Nacht). Die in dem gerade bei diesen Bäumen
weichen und schwammigen Holze eingeschlossenen Gase, bezw.
verdünnter Wasserdampf, sollen durch wechselnde Ausdehnungen
und Zusammenziehungen den Saftfluss erregen und die Vege-
tationserscheinungen auslösen, welche die Pflanze vernichten würden,
wenn nicht bald nachher die feuchte Jahreszeit wirklich einsetzen
würde. Es erscheint Ernst wahrscheinlich, dass in ähnlicher Weise,
wie die Pflanzen einer gewissen Wärmesumme bedürfen, um von
dem Tage des Ausschlagens der Blätter bis zur Blütenentfaltung
zu gelangen, so auch gewisse Arten eine bestimmte Summe von
Wärmedifferenzen brauchen, um jene Schwankungen ihrer inneren
Temperatur hervorzubringen, die sich später durch äusserlich sicht-
bare Vegetationserscheinungen kund geben. Wird diese Summe
schon während der trockenen Jahreszeit erreicht, so beginnen auch
schon dann die entsprechenden Phasen, und der Baum zehrt bis
zum Eintreten von Niederschlägen von dem in seinem Gewebe
aufgespeicherten Wasser.

Für die tropische Kultur und Verwertung pflanz-
licher Rohstoffe scheinen die periodisch-belaubten Wälder
nicht selten eine höhere Bedeutung als die immergrünen
Regenwälder zu haben; so gibt wenigstens auch Kurz
aus Britisch-Birma an, dass die tropische Forstkultur
dorten hauptsächlich mit jenen zu thun habe, weil die
meisten wichtigen Nutzholzbäume sich unter ihnen fin-
den. Das reichere Artgemisch aber heftet sich immer

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[259/0289] der regengrünen Wälder. keit verbrauchen und damit die in den Zweigen und im Stamm enthaltenen Vorräte erschöpfen. In dem blattlosen Zustande ver- bleiben die Bäume dann bis Ende April oder Anfang Mai, wo feuchte Nordwestwinde als Vorläufer des tropischen Regens sie neu beleben. Als nun aber beispielsweise 1875 der ganze Monat Mai mit trockenem Ostwinde tief blauen Himmel zeigte, die Tem- peratur an mehreren Tagen in der Sonne auf 35°C., im Schatten bis auf 28°C. stieg, waren trotzdem schon Mitte April die Ery- thrinen in feuerfarbenem Blütenschmuck und entfalteten die Bom- baceen (B. Ceiba und Eriodendron anfractuosum) in wenigen Tagen ihre handförmigen Blätter, viele andere Holzgewächse gaben ebenfalls die auffallendsten Beweise einer sehr kräftig beginnenden neuen Vegetationsperiode, obwohl von Feuchtigkeit im Boden keine Spur zu finden war. (Es enthält bekanntlich auch der dürrste Boden eine seiner Hygroskopizität entsprechende Menge von Wasser, welches ihm aber die Wurzeln nicht mehr zu ent- ziehen vermögen.) Die einzige Möglichkeit eines Erklärungsversuches aus vor- handenen äusseren Anlässen findet Ernst in den lebhaften Tem- peraturschwankungen, welche die trockene Jahreszeit zumal an ihrem Abschluss charakterisieren (30—35°C. im Sonnenschein und 15—20°C. in der Nacht). Die in dem gerade bei diesen Bäumen weichen und schwammigen Holze eingeschlossenen Gase, bezw. verdünnter Wasserdampf, sollen durch wechselnde Ausdehnungen und Zusammenziehungen den Saftfluss erregen und die Vege- tationserscheinungen auslösen, welche die Pflanze vernichten würden, wenn nicht bald nachher die feuchte Jahreszeit wirklich einsetzen würde. Es erscheint Ernst wahrscheinlich, dass in ähnlicher Weise, wie die Pflanzen einer gewissen Wärmesumme bedürfen, um von dem Tage des Ausschlagens der Blätter bis zur Blütenentfaltung zu gelangen, so auch gewisse Arten eine bestimmte Summe von Wärmedifferenzen brauchen, um jene Schwankungen ihrer inneren Temperatur hervorzubringen, die sich später durch äusserlich sicht- bare Vegetationserscheinungen kund geben. Wird diese Summe schon während der trockenen Jahreszeit erreicht, so beginnen auch schon dann die entsprechenden Phasen, und der Baum zehrt bis zum Eintreten von Niederschlägen von dem in seinem Gewebe aufgespeicherten Wasser. Für die tropische Kultur und Verwertung pflanz- licher Rohstoffe scheinen die periodisch-belaubten Wälder nicht selten eine höhere Bedeutung als die immergrünen Regenwälder zu haben; so gibt wenigstens auch Kurz aus Britisch-Birma an, dass die tropische Forstkultur dorten hauptsächlich mit jenen zu thun habe, weil die meisten wichtigen Nutzholzbäume sich unter ihnen fin- den. Das reichere Artgemisch aber heftet sich immer

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Zitationshilfe: Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/289>, abgerufen am 17.05.2024.