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Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890.

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Geschichte der Pflanzengeographie
nordischen Floren durchaus fremde Pflanzenarten und
Gattungen eröffneten. Dennoch fehlte der Gedanke an
eine einheitliche geographische Disziplin der Botanik bis
zu den ersten Jahren unseres Jahrhunderts, wo als ihre
Begründer A. v. Humboldt, Pyr. de Candolle und Rob.
Brown auftraten. "Es ist wunderbar -- so äussert sich
Alph. de Candolle (Geogr. bot. S. VI) darüber -- wie
diese drei Männer eigenartig von ganz verschiedenen
Ideen ausgingen, entsprechend ihren besonderen Studien
und den Ländern, aus denen sie ihre Eindrücke schöpften.
A. v. Humboldt zeigte sich durchaus als physikalischer
Geograph, und ausserdem verstand er infolge einer sehr
seltenen Kombination von Fähigkeiten ein Gemälde der
schönen äquatorialen Vegetation gleichsam in dichterischer
Form zu entwerfen. P. de Candolle beschäftigte sich
mit der europäischen Flora und den Beziehungen, welche
zwischen Ackerbau und den physiologischen Bedingungen
des Pflanzenlebens bestehen. R. Brown endlich, mit ernsten
Studien über die natürliche systematische Methode in der
Ergründung der Verwandtschaft beschäftigt, die er zuerst
auf die fremdartige Flora Australiens anwendete, lenkte
seine Aufmerksamkeit auf die Verteilung der grossen
Klassen und Ordnungen des Gewächsreiches über die
Erde (1810--1814); etwas später (1818), bei Gelegenheit
der Verarbeitung des ersten Herbariums aus der Flora
des Congo, richtete er seine scharfsinnigen Untersuchungen
auf den Ursprung einzelner Kulturpflanzen, auf die Ueber-
tragungen durch Luft- und Meeresströme, sowie auf das
ihm seltsam erscheinende Vorkommen einzelner Arten
in verschiedenen Tropenfloren zugleich, da nämlich die
Verschiedenheit weit entlegener Floren auch im tropischen
Gürtel bis dahin schon als Grundgesetz erkannt war."

Aber alle diese Arbeiten, so geistreich sie der da-
maligen Zeitlage nach erdacht waren, bildeten zuerst nur
zerstreute und unter sich nicht zusammenhängende Frag-
mente, bei deren Ausarbeitung der eine Schriftsteller
kaum durch die Resultate der anderen berührt wurde;
es bedurfte erst noch der Zusammenfassung, der Dar-
stellung der gemeinsamen Ziele, um die Pflanzengeo-

Geschichte der Pflanzengeographie
nordischen Floren durchaus fremde Pflanzenarten und
Gattungen eröffneten. Dennoch fehlte der Gedanke an
eine einheitliche geographische Disziplin der Botanik bis
zu den ersten Jahren unseres Jahrhunderts, wo als ihre
Begründer A. v. Humboldt, Pyr. de Candolle und Rob.
Brown auftraten. „Es ist wunderbar — so äussert sich
Alph. de Candolle (Géogr. bot. S. VI) darüber — wie
diese drei Männer eigenartig von ganz verschiedenen
Ideen ausgingen, entsprechend ihren besonderen Studien
und den Ländern, aus denen sie ihre Eindrücke schöpften.
A. v. Humboldt zeigte sich durchaus als physikalischer
Geograph, und ausserdem verstand er infolge einer sehr
seltenen Kombination von Fähigkeiten ein Gemälde der
schönen äquatorialen Vegetation gleichsam in dichterischer
Form zu entwerfen. P. de Candolle beschäftigte sich
mit der europäischen Flora und den Beziehungen, welche
zwischen Ackerbau und den physiologischen Bedingungen
des Pflanzenlebens bestehen. R. Brown endlich, mit ernsten
Studien über die natürliche systematische Methode in der
Ergründung der Verwandtschaft beschäftigt, die er zuerst
auf die fremdartige Flora Australiens anwendete, lenkte
seine Aufmerksamkeit auf die Verteilung der grossen
Klassen und Ordnungen des Gewächsreiches über die
Erde (1810—1814); etwas später (1818), bei Gelegenheit
der Verarbeitung des ersten Herbariums aus der Flora
des Congo, richtete er seine scharfsinnigen Untersuchungen
auf den Ursprung einzelner Kulturpflanzen, auf die Ueber-
tragungen durch Luft- und Meeresströme, sowie auf das
ihm seltsam erscheinende Vorkommen einzelner Arten
in verschiedenen Tropenfloren zugleich, da nämlich die
Verschiedenheit weit entlegener Floren auch im tropischen
Gürtel bis dahin schon als Grundgesetz erkannt war.“

Aber alle diese Arbeiten, so geistreich sie der da-
maligen Zeitlage nach erdacht waren, bildeten zuerst nur
zerstreute und unter sich nicht zusammenhängende Frag-
mente, bei deren Ausarbeitung der eine Schriftsteller
kaum durch die Resultate der anderen berührt wurde;
es bedurfte erst noch der Zusammenfassung, der Dar-
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[6/0028] Geschichte der Pflanzengeographie nordischen Floren durchaus fremde Pflanzenarten und Gattungen eröffneten. Dennoch fehlte der Gedanke an eine einheitliche geographische Disziplin der Botanik bis zu den ersten Jahren unseres Jahrhunderts, wo als ihre Begründer A. v. Humboldt, Pyr. de Candolle und Rob. Brown auftraten. „Es ist wunderbar — so äussert sich Alph. de Candolle (Géogr. bot. S. VI) darüber — wie diese drei Männer eigenartig von ganz verschiedenen Ideen ausgingen, entsprechend ihren besonderen Studien und den Ländern, aus denen sie ihre Eindrücke schöpften. A. v. Humboldt zeigte sich durchaus als physikalischer Geograph, und ausserdem verstand er infolge einer sehr seltenen Kombination von Fähigkeiten ein Gemälde der schönen äquatorialen Vegetation gleichsam in dichterischer Form zu entwerfen. P. de Candolle beschäftigte sich mit der europäischen Flora und den Beziehungen, welche zwischen Ackerbau und den physiologischen Bedingungen des Pflanzenlebens bestehen. R. Brown endlich, mit ernsten Studien über die natürliche systematische Methode in der Ergründung der Verwandtschaft beschäftigt, die er zuerst auf die fremdartige Flora Australiens anwendete, lenkte seine Aufmerksamkeit auf die Verteilung der grossen Klassen und Ordnungen des Gewächsreiches über die Erde (1810—1814); etwas später (1818), bei Gelegenheit der Verarbeitung des ersten Herbariums aus der Flora des Congo, richtete er seine scharfsinnigen Untersuchungen auf den Ursprung einzelner Kulturpflanzen, auf die Ueber- tragungen durch Luft- und Meeresströme, sowie auf das ihm seltsam erscheinende Vorkommen einzelner Arten in verschiedenen Tropenfloren zugleich, da nämlich die Verschiedenheit weit entlegener Floren auch im tropischen Gürtel bis dahin schon als Grundgesetz erkannt war.“ Aber alle diese Arbeiten, so geistreich sie der da- maligen Zeitlage nach erdacht waren, bildeten zuerst nur zerstreute und unter sich nicht zusammenhängende Frag- mente, bei deren Ausarbeitung der eine Schriftsteller kaum durch die Resultate der anderen berührt wurde; es bedurfte erst noch der Zusammenfassung, der Dar- stellung der gemeinsamen Ziele, um die Pflanzengeo-

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Zitationshilfe: Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/28>, abgerufen am 25.04.2024.