Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite

Erste Besiedelung der Inseln.
grünen Algenfäden ein. Es scheint demnach, dass die Farne
die zuerst von ihnen besetzten Stellen später nicht mehr
aufgeben, wie überall der "beatus possessor" seine Fahne
entfalten kann, und dass sie aus diesem Grunde einen
bleibenden Reichtum der Inselfloren, unterstützt durch
deren klimatische Bedingungen, bilden. Die Besiedelung
des insularen Küstenstriches erfolgt dagegen zunächst
vom Meere aus; einige Samen schwemmen an, keimen,
entwickeln sich und bilden Humus, andere folgen nach,
sogar Epiphyten. Beerenfressende Vögel lassen sich auf
den Zweigen zuerst angesiedelter Küstenbäume nieder und
bringen weitere Keime mit. In Krakatoa ist der Anfang
auch dieser Küstenbesiedelung beobachtet, wie man ihn von
den Atolls abgeleitet hatte; interessanterweise ist die
Küstenvegetation fast ganz verschieden gewesen von der
auf dem Berggeröll angesiedelten: hier fast nur Farne,
dort nur küstenbewohnende Blütenpflanzen. Hemsley hat
(a. a. O., S. 42) die vorher gesammelten Erfahrungen
verarbeitet und Listen von Pflanzen zusammengestellt,
deren Verbreitung durch Meeresströme und Vögel wahr-
scheinlich ist. Bei den arktischen und antarktischen
Inseln spielt nun noch die Kraft des Erde und Geröll
übertragenden Eises mit, deren bekanntlich grosse Be-
deutung wir durch die Wirkungen der Eiszeit vor Augen
haben.

Flora hoher Gebirgsketten. Nächst den Inseln
sind hohe, gut gegliederte und durch reichere Entfaltung
verschiedenartiger Lebensbedingungen zu besonderen
Standorten geeignete Gebirgsketten und Gebirgsländer
durch ihren Reichtum an endemischen Formen ausge-
zeichnet. Dies geht soweit, dass man die Ansicht hat
aussprechen hören, die Floren der Erde seien überhaupt
in Gebirgsländern entstanden, die dort nicht mehr ende-
mischen Arten seien frühzeitig ausgewandert und hätten
in mannigfacher Umgestaltung die Floren der anstossen-
den Ebenen zusammengesetzt. Dies ist aber Uebertreibung;
denn es besitzt beispielsweise eines der an endemischen
Formen reichsten Florengebiete der Erde, nämlich Südwest-

Erste Besiedelung der Inseln.
grünen Algenfäden ein. Es scheint demnach, dass die Farne
die zuerst von ihnen besetzten Stellen später nicht mehr
aufgeben, wie überall der „beatus possessor“ seine Fahne
entfalten kann, und dass sie aus diesem Grunde einen
bleibenden Reichtum der Inselfloren, unterstützt durch
deren klimatische Bedingungen, bilden. Die Besiedelung
des insularen Küstenstriches erfolgt dagegen zunächst
vom Meere aus; einige Samen schwemmen an, keimen,
entwickeln sich und bilden Humus, andere folgen nach,
sogar Epiphyten. Beerenfressende Vögel lassen sich auf
den Zweigen zuerst angesiedelter Küstenbäume nieder und
bringen weitere Keime mit. In Krakatoa ist der Anfang
auch dieser Küstenbesiedelung beobachtet, wie man ihn von
den Atolls abgeleitet hatte; interessanterweise ist die
Küstenvegetation fast ganz verschieden gewesen von der
auf dem Berggeröll angesiedelten: hier fast nur Farne,
dort nur küstenbewohnende Blütenpflanzen. Hemsley hat
(a. a. O., S. 42) die vorher gesammelten Erfahrungen
verarbeitet und Listen von Pflanzen zusammengestellt,
deren Verbreitung durch Meeresströme und Vögel wahr-
scheinlich ist. Bei den arktischen und antarktischen
Inseln spielt nun noch die Kraft des Erde und Geröll
übertragenden Eises mit, deren bekanntlich grosse Be-
deutung wir durch die Wirkungen der Eiszeit vor Augen
haben.

Flora hoher Gebirgsketten. Nächst den Inseln
sind hohe, gut gegliederte und durch reichere Entfaltung
verschiedenartiger Lebensbedingungen zu besonderen
Standorten geeignete Gebirgsketten und Gebirgsländer
durch ihren Reichtum an endemischen Formen ausge-
zeichnet. Dies geht soweit, dass man die Ansicht hat
aussprechen hören, die Floren der Erde seien überhaupt
in Gebirgsländern entstanden, die dort nicht mehr ende-
mischen Arten seien frühzeitig ausgewandert und hätten
in mannigfacher Umgestaltung die Floren der anstossen-
den Ebenen zusammengesetzt. Dies ist aber Uebertreibung;
denn es besitzt beispielsweise eines der an endemischen
Formen reichsten Florengebiete der Erde, nämlich Südwest-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0160" n="138"/><fw place="top" type="header">Erste Besiedelung der Inseln.</fw><lb/>
grünen Algenfäden ein. Es scheint demnach, dass die Farne<lb/>
die zuerst von ihnen besetzten Stellen später nicht mehr<lb/>
aufgeben, wie überall der <hi rendition="#i">&#x201E;beatus possessor&#x201C;</hi> seine Fahne<lb/>
entfalten kann, und dass sie aus diesem Grunde einen<lb/>
bleibenden Reichtum der Inselfloren, unterstützt durch<lb/>
deren klimatische Bedingungen, bilden. Die Besiedelung<lb/>
des insularen Küstenstriches erfolgt dagegen zunächst<lb/>
vom Meere aus; einige Samen schwemmen an, keimen,<lb/>
entwickeln sich und bilden Humus, andere folgen nach,<lb/>
sogar Epiphyten. Beerenfressende Vögel lassen sich auf<lb/>
den Zweigen zuerst angesiedelter Küstenbäume nieder und<lb/>
bringen weitere Keime mit. In Krakatoa ist der Anfang<lb/>
auch dieser Küstenbesiedelung beobachtet, wie man ihn von<lb/>
den Atolls abgeleitet hatte; interessanterweise ist die<lb/>
Küstenvegetation fast ganz verschieden gewesen von der<lb/>
auf dem Berggeröll angesiedelten: hier fast nur Farne,<lb/>
dort nur küstenbewohnende Blütenpflanzen. Hemsley hat<lb/>
(a. a. O., S. 42) die vorher gesammelten Erfahrungen<lb/>
verarbeitet und Listen von Pflanzen zusammengestellt,<lb/>
deren Verbreitung durch Meeresströme und Vögel wahr-<lb/>
scheinlich ist. Bei den arktischen und antarktischen<lb/>
Inseln spielt nun noch die Kraft des Erde und Geröll<lb/>
übertragenden Eises mit, deren bekanntlich grosse Be-<lb/>
deutung wir durch die Wirkungen der Eiszeit vor Augen<lb/>
haben.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#b">Flora hoher Gebirgsketten.</hi> Nächst den Inseln<lb/>
sind hohe, gut gegliederte und durch reichere Entfaltung<lb/>
verschiedenartiger Lebensbedingungen zu besonderen<lb/>
Standorten geeignete Gebirgsketten und Gebirgsländer<lb/>
durch ihren Reichtum an endemischen Formen ausge-<lb/>
zeichnet. Dies geht soweit, dass man die Ansicht hat<lb/>
aussprechen hören, die Floren der Erde seien überhaupt<lb/>
in Gebirgsländern entstanden, die dort nicht mehr ende-<lb/>
mischen Arten seien frühzeitig ausgewandert und hätten<lb/>
in mannigfacher Umgestaltung die Floren der anstossen-<lb/>
den Ebenen zusammengesetzt. Dies ist aber Uebertreibung;<lb/>
denn es besitzt beispielsweise eines der an endemischen<lb/>
Formen reichsten Florengebiete der Erde, nämlich Südwest-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[138/0160] Erste Besiedelung der Inseln. grünen Algenfäden ein. Es scheint demnach, dass die Farne die zuerst von ihnen besetzten Stellen später nicht mehr aufgeben, wie überall der „beatus possessor“ seine Fahne entfalten kann, und dass sie aus diesem Grunde einen bleibenden Reichtum der Inselfloren, unterstützt durch deren klimatische Bedingungen, bilden. Die Besiedelung des insularen Küstenstriches erfolgt dagegen zunächst vom Meere aus; einige Samen schwemmen an, keimen, entwickeln sich und bilden Humus, andere folgen nach, sogar Epiphyten. Beerenfressende Vögel lassen sich auf den Zweigen zuerst angesiedelter Küstenbäume nieder und bringen weitere Keime mit. In Krakatoa ist der Anfang auch dieser Küstenbesiedelung beobachtet, wie man ihn von den Atolls abgeleitet hatte; interessanterweise ist die Küstenvegetation fast ganz verschieden gewesen von der auf dem Berggeröll angesiedelten: hier fast nur Farne, dort nur küstenbewohnende Blütenpflanzen. Hemsley hat (a. a. O., S. 42) die vorher gesammelten Erfahrungen verarbeitet und Listen von Pflanzen zusammengestellt, deren Verbreitung durch Meeresströme und Vögel wahr- scheinlich ist. Bei den arktischen und antarktischen Inseln spielt nun noch die Kraft des Erde und Geröll übertragenden Eises mit, deren bekanntlich grosse Be- deutung wir durch die Wirkungen der Eiszeit vor Augen haben. Flora hoher Gebirgsketten. Nächst den Inseln sind hohe, gut gegliederte und durch reichere Entfaltung verschiedenartiger Lebensbedingungen zu besonderen Standorten geeignete Gebirgsketten und Gebirgsländer durch ihren Reichtum an endemischen Formen ausge- zeichnet. Dies geht soweit, dass man die Ansicht hat aussprechen hören, die Floren der Erde seien überhaupt in Gebirgsländern entstanden, die dort nicht mehr ende- mischen Arten seien frühzeitig ausgewandert und hätten in mannigfacher Umgestaltung die Floren der anstossen- den Ebenen zusammengesetzt. Dies ist aber Uebertreibung; denn es besitzt beispielsweise eines der an endemischen Formen reichsten Florengebiete der Erde, nämlich Südwest-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/160
Zitationshilfe: Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/160>, abgerufen am 25.11.2024.