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Droysen, Johann Gustav: Grundriss der Historik. Leipzig, 1868.

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diese Erscheinung erklärt; "in allen übrigen grossen Gebieten der
Forschung, sagt er, wird die Nothwendigkeit der Verallgemeinerung
von Jedermann zugegeben, und wir begegnen edlen Anstrengungen,
auf besondere Thatsachen gestützt die Gesetze zu entdecken, unter
deren Herrschaft die Thatsachen stehen. Die Historiker hingegen sind
so weit davon entfernt dies Verfahren zu dem ihrigen zu machen, dass
unter ihnen der sonderbare Gedanke vorherrscht, ihr Geschäft sei
lediglich Begebenheiten zu erzählen und diese allenfalls mit passenden
sittlichen und politischen Betrachtungen zu beleben."

Es gehört eine gewisse Geduld dazu, diesen im Schritt durchge-
henden Trivialitäten, dieser sich immer um sich selbst herum wälzen-
den Begriffsverwirrung nachzugehen. Also Verallgemeinerungen sind
die Gesetze, die Buckle sucht; auf dem Wege der Verallgemeinerung
glaubt er die Gesetze finden zu können, welche die Erscheinungen
der sittlichen Welt erklären, das heisst mit Nothwendigkeit bestimmen.
Sind denn die Regeln einer Sprache Sprachgesetze? Gewiss summirt
die Induction aus dem Einzelnen die Thatscche des Allgemeinen, aber
nicht indem sie es verallgemeinert, sondern die Einzelnheiten in ihrer
Gemeinsamkeit zusammenfasst. Aber um aus der Regel zum Gesetz
fortzuschreiten, um den Grund der allgemeinen Erscheinung zu finden,
bedarf es des analytischen Verfahrens. Buckle hält es nicht für noth-
wendig, sich und uns Rechenschaft über die Logik seiner Untersuchung
zu geben; er begnügt sich ein "vorläufiges Hinderniss" zu beseitigen,
das ihm seinen Weg zu sperren scheint. Es heisse, sagt er, in mensch-
lichen Dingen sei etwas Providentielles und Geheimnissvolles, welches
sie unserer Forschung undurchdringlich mache und uns ihren künfti-
gen Verlauf für immer verbergen werde"; er begegnet diesem Hinder-
niss mit der "einfachen" Alternative: "sind die Handlungen der Men-
schen und folglich auch der Gesellschaft bestimmten Gesetzen unter-
worfen, oder sind sie das Ergebniss entweder des Zufalls oder einer
übernatürlichen Einwirkung?" Ja wohl: diese Wolke ist ein Kameel
oder entweder ein Wiesel oder Wallfisch.

Wir haben schon früher bemerkt, dass, wenn es eine Wissenschaft
der Geschichte geben soll, diese ihre eigene Erkenntnissart, ihren
eigenen Erkenntnissbereich haben muss; wenn anderweitig die Induc-
tion oder die Deduction vortreffliche Resultate ergeben hat, so kann

diese Erscheinung erklärt; „in allen übrigen grossen Gebieten der
Forschung, sagt er, wird die Nothwendigkeit der Verallgemeinerung
von Jedermann zugegeben, und wir begegnen edlen Anstrengungen,
auf besondere Thatsachen gestützt die Gesetze zu entdecken, unter
deren Herrschaft die Thatsachen stehen. Die Historiker hingegen sind
so weit davon entfernt dies Verfahren zu dem ihrigen zu machen, dass
unter ihnen der sonderbare Gedanke vorherrscht, ihr Geschäft sei
lediglich Begebenheiten zu erzählen und diese allenfalls mit passenden
sittlichen und politischen Betrachtungen zu beleben.“

Es gehört eine gewisse Geduld dazu, diesen im Schritt durchge-
henden Trivialitäten, dieser sich immer um sich selbst herum wälzen-
den Begriffsverwirrung nachzugehen. Also Verallgemeinerungen sind
die Gesetze, die Buckle sucht; auf dem Wege der Verallgemeinerung
glaubt er die Gesetze finden zu können, welche die Erscheinungen
der sittlichen Welt erklären, das heisst mit Nothwendigkeit bestimmen.
Sind denn die Regeln einer Sprache Sprachgesetze? Gewiss summirt
die Induction aus dem Einzelnen die Thatscche des Allgemeinen, aber
nicht indem sie es verallgemeinert, sondern die Einzelnheiten in ihrer
Gemeinsamkeit zusammenfasst. Aber um aus der Regel zum Gesetz
fortzuschreiten, um den Grund der allgemeinen Erscheinung zu finden,
bedarf es des analytischen Verfahrens. Buckle hält es nicht für noth-
wendig, sich und uns Rechenschaft über die Logik seiner Untersuchung
zu geben; er begnügt sich ein „vorläufiges Hinderniss“ zu beseitigen,
das ihm seinen Weg zu sperren scheint. Es heisse, sagt er, in mensch-
lichen Dingen sei etwas Providentielles und Geheimnissvolles, welches
sie unserer Forschung undurchdringlich mache und uns ihren künfti-
gen Verlauf für immer verbergen werde“; er begegnet diesem Hinder-
niss mit der „einfachen“ Alternative: „sind die Handlungen der Men-
schen und folglich auch der Gesellschaft bestimmten Gesetzen unter-
worfen, oder sind sie das Ergebniss entweder des Zufalls oder einer
übernatürlichen Einwirkung?“ Ja wohl: diese Wolke ist ein Kameel
oder entweder ein Wiesel oder Wallfisch.

Wir haben schon früher bemerkt, dass, wenn es eine Wissenschaft
der Geschichte geben soll, diese ihre eigene Erkenntnissart, ihren
eigenen Erkenntnissbereich haben muss; wenn anderweitig die Induc-
tion oder die Deduction vortreffliche Resultate ergeben hat, so kann

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[52/0061] diese Erscheinung erklärt; „in allen übrigen grossen Gebieten der Forschung, sagt er, wird die Nothwendigkeit der Verallgemeinerung von Jedermann zugegeben, und wir begegnen edlen Anstrengungen, auf besondere Thatsachen gestützt die Gesetze zu entdecken, unter deren Herrschaft die Thatsachen stehen. Die Historiker hingegen sind so weit davon entfernt dies Verfahren zu dem ihrigen zu machen, dass unter ihnen der sonderbare Gedanke vorherrscht, ihr Geschäft sei lediglich Begebenheiten zu erzählen und diese allenfalls mit passenden sittlichen und politischen Betrachtungen zu beleben.“ Es gehört eine gewisse Geduld dazu, diesen im Schritt durchge- henden Trivialitäten, dieser sich immer um sich selbst herum wälzen- den Begriffsverwirrung nachzugehen. Also Verallgemeinerungen sind die Gesetze, die Buckle sucht; auf dem Wege der Verallgemeinerung glaubt er die Gesetze finden zu können, welche die Erscheinungen der sittlichen Welt erklären, das heisst mit Nothwendigkeit bestimmen. Sind denn die Regeln einer Sprache Sprachgesetze? Gewiss summirt die Induction aus dem Einzelnen die Thatscche des Allgemeinen, aber nicht indem sie es verallgemeinert, sondern die Einzelnheiten in ihrer Gemeinsamkeit zusammenfasst. Aber um aus der Regel zum Gesetz fortzuschreiten, um den Grund der allgemeinen Erscheinung zu finden, bedarf es des analytischen Verfahrens. Buckle hält es nicht für noth- wendig, sich und uns Rechenschaft über die Logik seiner Untersuchung zu geben; er begnügt sich ein „vorläufiges Hinderniss“ zu beseitigen, das ihm seinen Weg zu sperren scheint. Es heisse, sagt er, in mensch- lichen Dingen sei etwas Providentielles und Geheimnissvolles, welches sie unserer Forschung undurchdringlich mache und uns ihren künfti- gen Verlauf für immer verbergen werde“; er begegnet diesem Hinder- niss mit der „einfachen“ Alternative: „sind die Handlungen der Men- schen und folglich auch der Gesellschaft bestimmten Gesetzen unter- worfen, oder sind sie das Ergebniss entweder des Zufalls oder einer übernatürlichen Einwirkung?“ Ja wohl: diese Wolke ist ein Kameel oder entweder ein Wiesel oder Wallfisch. Wir haben schon früher bemerkt, dass, wenn es eine Wissenschaft der Geschichte geben soll, diese ihre eigene Erkenntnissart, ihren eigenen Erkenntnissbereich haben muss; wenn anderweitig die Induc- tion oder die Deduction vortreffliche Resultate ergeben hat, so kann

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Grundriss der Historik. Leipzig, 1868, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_historik_1868/61>, abgerufen am 25.11.2024.