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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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waren, kam der Thessaler Medius, der Freunde einer, und bat
den König, noch einer kleinen Gesellschaft bei ihm beiwohnen
zu wollen, es werde ein heiteres Gelag sein. Alexander hatte
den biederen Medius sehr gern, er ging mit ihm; die Fröhlich-
keit der vertrauten Männer heiterte auch ihn auf; er trank ihnen
der Reihe nach zu; gegen Morgen trennte man sich, man ver-
sprach sich am nächsten Abend wieder zu finden.41)

Alexander ging heim, badete, und schlief bis spät am Tage;
zur Abendtafel ging er wieder zu Medius, und man trank wie-
der fröhlich bis tief in die Nacht. Unwohl kehrte der König
zurück; er badete, aß ein Wenig und legte sich fiebernd zur
Ruhe. Am Morgen des 1. Juni erwachte er sehr unwohl;
durch die vielen Gemüthsbewegungen der letzten Zeit und über-
dieß durch die Gelage, die in den letzten Tagen schnell auf
einander gefolgt waren, für eine Krankheit nur zu empfänglich,
ward er von dem Fieber außerordentlich angegriffen; er mußte
sich auf seinem Lager zum Altare tragen lassen, um dort das
Morgenopfer, wie er jeden Tag pflegte, zu halten; dann lag er
im Männersaale auf dem Ruhebett, ließ die Generale vor sich
kommen und gab ihnen die nöthigen Befehle für den Aufbruch;
das Landheer sollte am 4. Juni aufbrechen, die Flotte dagegen,
mit der er selbst fahren werde, den Tag darauf. Dann ließ er
sich gegen Abend auf seinem Lager zum Euphrat hinabtragen,
bestieg ein Schiff und fuhr über den Strom zu den Gärten
jenseits; dort nahm er ein Bad und brachte unter Fieberschauern
die Nacht zu. Am anderen Morgen nach dem Bade und dem
Morgenopfer ging er in sein Kabinet und lag dort den Tag
über auf dem Ruhebett; Medius war bei ihm und suchte ihn
mit Gesprächen aufzuheitern; der König beschied die Anführer
für den nächsten Morgen vor sich; nachdem er wenig zur Nacht

41) Plutarch. Alex. 75. Athen. X. p. 432. Arrian VII. 24. Ich er-
wähne hier die unsinnige Muthmaßung, daß Alexander bei Me-
dius Gift, das Aristoteles angegeben und Kassander gebracht, er-
halten habe; ich werde in der Geschichte der Diadochen Gelegen-
helt haben, die Entstehung dieser Sage näher zu erörtern.

waren, kam der Theſſaler Medius, der Freunde einer, und bat
den Koͤnig, noch einer kleinen Geſellſchaft bei ihm beiwohnen
zu wollen, es werde ein heiteres Gelag ſein. Alexander hatte
den biederen Medius ſehr gern, er ging mit ihm; die Froͤhlich-
keit der vertrauten Maͤnner heiterte auch ihn auf; er trank ihnen
der Reihe nach zu; gegen Morgen trennte man ſich, man ver-
ſprach ſich am naͤchſten Abend wieder zu finden.41)

Alexander ging heim, badete, und ſchlief bis ſpaͤt am Tage;
zur Abendtafel ging er wieder zu Medius, und man trank wie-
der froͤhlich bis tief in die Nacht. Unwohl kehrte der Koͤnig
zuruͤck; er badete, aß ein Wenig und legte ſich fiebernd zur
Ruhe. Am Morgen des 1. Juni erwachte er ſehr unwohl;
durch die vielen Gemuͤthsbewegungen der letzten Zeit und uͤber-
dieß durch die Gelage, die in den letzten Tagen ſchnell auf
einander gefolgt waren, fuͤr eine Krankheit nur zu empfaͤnglich,
ward er von dem Fieber außerordentlich angegriffen; er mußte
ſich auf ſeinem Lager zum Altare tragen laſſen, um dort das
Morgenopfer, wie er jeden Tag pflegte, zu halten; dann lag er
im Maͤnnerſaale auf dem Ruhebett, ließ die Generale vor ſich
kommen und gab ihnen die noͤthigen Befehle fuͤr den Aufbruch;
das Landheer ſollte am 4. Juni aufbrechen, die Flotte dagegen,
mit der er ſelbſt fahren werde, den Tag darauf. Dann ließ er
ſich gegen Abend auf ſeinem Lager zum Euphrat hinabtragen,
beſtieg ein Schiff und fuhr uͤber den Strom zu den Gaͤrten
jenſeits; dort nahm er ein Bad und brachte unter Fieberſchauern
die Nacht zu. Am anderen Morgen nach dem Bade und dem
Morgenopfer ging er in ſein Kabinet und lag dort den Tag
uͤber auf dem Ruhebett; Medius war bei ihm und ſuchte ihn
mit Geſpraͤchen aufzuheitern; der Koͤnig beſchied die Anfuͤhrer
fuͤr den naͤchſten Morgen vor ſich; nachdem er wenig zur Nacht

41) Plutarch. Alex. 75. Athen. X. p. 432. Arrian VII. 24. Ich er-
waͤhne hier die unſinnige Muthmaßung, daß Alexander bei Me-
dius Gift, das Ariſtoteles angegeben und Kaſſander gebracht, er-
halten habe; ich werde in der Geſchichte der Diadochen Gelegen-
helt haben, die Entſtehung dieſer Sage naͤher zu eroͤrtern.
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[582/0596] waren, kam der Theſſaler Medius, der Freunde einer, und bat den Koͤnig, noch einer kleinen Geſellſchaft bei ihm beiwohnen zu wollen, es werde ein heiteres Gelag ſein. Alexander hatte den biederen Medius ſehr gern, er ging mit ihm; die Froͤhlich- keit der vertrauten Maͤnner heiterte auch ihn auf; er trank ihnen der Reihe nach zu; gegen Morgen trennte man ſich, man ver- ſprach ſich am naͤchſten Abend wieder zu finden. 41) Alexander ging heim, badete, und ſchlief bis ſpaͤt am Tage; zur Abendtafel ging er wieder zu Medius, und man trank wie- der froͤhlich bis tief in die Nacht. Unwohl kehrte der Koͤnig zuruͤck; er badete, aß ein Wenig und legte ſich fiebernd zur Ruhe. Am Morgen des 1. Juni erwachte er ſehr unwohl; durch die vielen Gemuͤthsbewegungen der letzten Zeit und uͤber- dieß durch die Gelage, die in den letzten Tagen ſchnell auf einander gefolgt waren, fuͤr eine Krankheit nur zu empfaͤnglich, ward er von dem Fieber außerordentlich angegriffen; er mußte ſich auf ſeinem Lager zum Altare tragen laſſen, um dort das Morgenopfer, wie er jeden Tag pflegte, zu halten; dann lag er im Maͤnnerſaale auf dem Ruhebett, ließ die Generale vor ſich kommen und gab ihnen die noͤthigen Befehle fuͤr den Aufbruch; das Landheer ſollte am 4. Juni aufbrechen, die Flotte dagegen, mit der er ſelbſt fahren werde, den Tag darauf. Dann ließ er ſich gegen Abend auf ſeinem Lager zum Euphrat hinabtragen, beſtieg ein Schiff und fuhr uͤber den Strom zu den Gaͤrten jenſeits; dort nahm er ein Bad und brachte unter Fieberſchauern die Nacht zu. Am anderen Morgen nach dem Bade und dem Morgenopfer ging er in ſein Kabinet und lag dort den Tag uͤber auf dem Ruhebett; Medius war bei ihm und ſuchte ihn mit Geſpraͤchen aufzuheitern; der Koͤnig beſchied die Anfuͤhrer fuͤr den naͤchſten Morgen vor ſich; nachdem er wenig zur Nacht 41) Plutarch. Alex. 75. Athen. X. p. 432. Arrian VII. 24. Ich er- waͤhne hier die unſinnige Muthmaßung, daß Alexander bei Me- dius Gift, das Ariſtoteles angegeben und Kaſſander gebracht, er- halten habe; ich werde in der Geſchichte der Diadochen Gelegen- helt haben, die Entſtehung dieſer Sage naͤher zu eroͤrtern.

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 582. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/596>, abgerufen am 27.04.2024.