fung gezwungen wurden, so war außer der Sicherung der Gren- zen und Straßen namentlich eine bei Weitem kürzere Verbindung zwischen Babylon und Aegypten gewonnen; es mußte dann vor Allem die Peträische Landschaft, so wie die Nordspitzen des rothen Meeres in Besitz genommen und colonisirt werden, es mußten sich an dieser Stelle die Landwege durch das Araberland mit dem Seewege um die Arabische Küste, dessen Entdeckung die nächste Absicht war, vereinigen.
Zu dem Ende waren bereits drei Schiffe den Strom hinab ins Meer gesandt worden. Zunächst kehrte Archias mit seiner Jacht zurück; er hatte südwärts von der Euphratmündung eine Insel30) gefunden, er berichtete sie sei klein, dicht bewaldet, von einem fried- lichen Völkchen bewohnt, das die Göttin Artemis verehrte und in ihrem Dienst die Hirsche und wilden Ziegen der Insel ungestört weiden lasse; sie liege in der Nähe des Meerbusens der Stadt Gerra, von der aus die Hauptstraße durch das Innere Arabiens zum Rothen und Mittelländischen Meere führe, und deren Ein- wohner als betriebsame und reiche Handelsleute genannt würden. Alexander gab, seltsam genug, dieser Insel den Namen jenes Ika- rus, der den kühnen Flug bis in die Sonnennähe gewagt und in den Wellen mit allzufrühem Tode gebüßt hat. Von der Insel Ikarus aus, berichtete Archias weiter, sei er südostwärts zu einer zweiten Insel gekommen, welche die Bewohner Tylos31) nann- ten; sie sei groß, weder steinig noch waldig, zum Feldbau geschickt und ein glückliches Eiland; er hätte hinzufügen können, daß sie in Mitten der unerschöpflichen Perlenriffe liege, von denen sich schon manche Sage unter den Macedoniern verbreitet hatte. Bald darauf kam die zweite Jacht, die Androsthenes geführt hatte,
30) Unzweifelhaft irrt Arrian mit seiner Angabe über die Entfernung dieser Insel von der Euphratmündung in der Art, wie es Mannert bezeichnet: wenigstens ist Srabo XV. p. 381, dem ich in der Karte gefolgt bin, vollkommen klar.
31) Nach Strabo XV. p. 382. lag Tylos oder Tyros eine Tagereise von dem Vorgebirge Maceta, zehn von Teredon (Diridotis) in den Euphratmündungen; freilich findet sich dort keine Insel, die man groß nennen könnte.
fung gezwungen wurden, ſo war außer der Sicherung der Gren- zen und Straßen namentlich eine bei Weitem kuͤrzere Verbindung zwiſchen Babylon und Aegypten gewonnen; es mußte dann vor Allem die Petraͤiſche Landſchaft, ſo wie die Nordſpitzen des rothen Meeres in Beſitz genommen und coloniſirt werden, es mußten ſich an dieſer Stelle die Landwege durch das Araberland mit dem Seewege um die Arabiſche Kuͤſte, deſſen Entdeckung die naͤchſte Abſicht war, vereinigen.
Zu dem Ende waren bereits drei Schiffe den Strom hinab ins Meer geſandt worden. Zunaͤchſt kehrte Archias mit ſeiner Jacht zuruͤck; er hatte ſuͤdwaͤrts von der Euphratmuͤndung eine Inſel30) gefunden, er berichtete ſie ſei klein, dicht bewaldet, von einem fried- lichen Voͤlkchen bewohnt, das die Goͤttin Artemis verehrte und in ihrem Dienſt die Hirſche und wilden Ziegen der Inſel ungeſtoͤrt weiden laſſe; ſie liege in der Naͤhe des Meerbuſens der Stadt Gerra, von der aus die Hauptſtraße durch das Innere Arabiens zum Rothen und Mittellaͤndiſchen Meere fuͤhre, und deren Ein- wohner als betriebſame und reiche Handelsleute genannt wuͤrden. Alexander gab, ſeltſam genug, dieſer Inſel den Namen jenes Ika- rus, der den kuͤhnen Flug bis in die Sonnennaͤhe gewagt und in den Wellen mit allzufruͤhem Tode gebuͤßt hat. Von der Inſel Ikarus aus, berichtete Archias weiter, ſei er ſuͤdoſtwaͤrts zu einer zweiten Inſel gekommen, welche die Bewohner Tylos31) nann- ten; ſie ſei groß, weder ſteinig noch waldig, zum Feldbau geſchickt und ein gluͤckliches Eiland; er haͤtte hinzufuͤgen koͤnnen, daß ſie in Mitten der unerſchoͤpflichen Perlenriffe liege, von denen ſich ſchon manche Sage unter den Macedoniern verbreitet hatte. Bald darauf kam die zweite Jacht, die Androſthenes gefuͤhrt hatte,
30) Unzweifelhaft irrt Arrian mit ſeiner Angabe uͤber die Entfernung dieſer Inſel von der Euphratmuͤndung in der Art, wie es Mannert bezeichnet: wenigſtens iſt Srabo XV. p. 381, dem ich in der Karte gefolgt bin, vollkommen klar.
31) Nach Strabo XV. p. 382. lag Tylos oder Tyros eine Tagereiſe von dem Vorgebirge Maceta, zehn von Teredon (Diridotis) in den Euphratmuͤndungen; freilich findet ſich dort keine Inſel, die man groß nennen koͤnnte.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0587"n="573"/>
fung gezwungen wurden, ſo war außer der Sicherung der Gren-<lb/>
zen und Straßen namentlich eine bei Weitem kuͤrzere Verbindung<lb/>
zwiſchen Babylon und Aegypten gewonnen; es mußte dann vor<lb/>
Allem die Petraͤiſche Landſchaft, ſo wie die Nordſpitzen des rothen<lb/>
Meeres in Beſitz genommen und coloniſirt werden, es mußten ſich<lb/>
an dieſer Stelle die Landwege durch das Araberland mit dem<lb/>
Seewege um die Arabiſche Kuͤſte, deſſen Entdeckung die naͤchſte<lb/>
Abſicht war, vereinigen.</p><lb/><p>Zu dem Ende waren bereits drei Schiffe den Strom hinab<lb/>
ins Meer geſandt worden. Zunaͤchſt kehrte Archias mit ſeiner Jacht<lb/>
zuruͤck; er hatte ſuͤdwaͤrts von der Euphratmuͤndung eine Inſel<noteplace="foot"n="30)">Unzweifelhaft irrt Arrian mit ſeiner Angabe uͤber die<lb/>
Entfernung dieſer Inſel von der Euphratmuͤndung in der Art, wie<lb/>
es Mannert bezeichnet: wenigſtens iſt Srabo <hirendition="#aq">XV. p.</hi> 381, dem ich<lb/>
in der Karte gefolgt bin, vollkommen klar.</note><lb/>
gefunden, er berichtete ſie ſei klein, dicht bewaldet, von einem fried-<lb/>
lichen Voͤlkchen bewohnt, das die Goͤttin Artemis verehrte und in<lb/>
ihrem Dienſt die Hirſche und wilden Ziegen der Inſel ungeſtoͤrt<lb/>
weiden laſſe; ſie liege in der Naͤhe des Meerbuſens der Stadt<lb/>
Gerra, von der aus die Hauptſtraße durch das Innere Arabiens<lb/>
zum Rothen und Mittellaͤndiſchen Meere fuͤhre, und deren Ein-<lb/>
wohner als betriebſame und reiche Handelsleute genannt wuͤrden.<lb/>
Alexander gab, ſeltſam genug, dieſer Inſel den Namen jenes Ika-<lb/>
rus, der den kuͤhnen Flug bis in die Sonnennaͤhe gewagt und in<lb/>
den Wellen mit allzufruͤhem Tode gebuͤßt hat. Von der Inſel<lb/>
Ikarus aus, berichtete Archias weiter, ſei er ſuͤdoſtwaͤrts zu einer<lb/>
zweiten Inſel gekommen, welche die Bewohner Tylos<noteplace="foot"n="31)">Nach Strabo <hirendition="#aq">XV.<lb/>
p.</hi> 382. lag Tylos oder Tyros eine Tagereiſe von dem Vorgebirge<lb/>
Maceta, zehn von Teredon (Diridotis) in den Euphratmuͤndungen;<lb/>
freilich findet ſich dort keine Inſel, die man groß nennen koͤnnte.</note> nann-<lb/>
ten; ſie ſei groß, weder ſteinig noch waldig, zum Feldbau geſchickt<lb/>
und ein gluͤckliches Eiland; er haͤtte hinzufuͤgen koͤnnen, daß ſie<lb/>
in Mitten der unerſchoͤpflichen Perlenriffe liege, von denen ſich<lb/>ſchon manche Sage unter den Macedoniern verbreitet hatte.<lb/>
Bald darauf kam die zweite Jacht, die Androſthenes gefuͤhrt hatte,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[573/0587]
fung gezwungen wurden, ſo war außer der Sicherung der Gren-
zen und Straßen namentlich eine bei Weitem kuͤrzere Verbindung
zwiſchen Babylon und Aegypten gewonnen; es mußte dann vor
Allem die Petraͤiſche Landſchaft, ſo wie die Nordſpitzen des rothen
Meeres in Beſitz genommen und coloniſirt werden, es mußten ſich
an dieſer Stelle die Landwege durch das Araberland mit dem
Seewege um die Arabiſche Kuͤſte, deſſen Entdeckung die naͤchſte
Abſicht war, vereinigen.
Zu dem Ende waren bereits drei Schiffe den Strom hinab
ins Meer geſandt worden. Zunaͤchſt kehrte Archias mit ſeiner Jacht
zuruͤck; er hatte ſuͤdwaͤrts von der Euphratmuͤndung eine Inſel 30)
gefunden, er berichtete ſie ſei klein, dicht bewaldet, von einem fried-
lichen Voͤlkchen bewohnt, das die Goͤttin Artemis verehrte und in
ihrem Dienſt die Hirſche und wilden Ziegen der Inſel ungeſtoͤrt
weiden laſſe; ſie liege in der Naͤhe des Meerbuſens der Stadt
Gerra, von der aus die Hauptſtraße durch das Innere Arabiens
zum Rothen und Mittellaͤndiſchen Meere fuͤhre, und deren Ein-
wohner als betriebſame und reiche Handelsleute genannt wuͤrden.
Alexander gab, ſeltſam genug, dieſer Inſel den Namen jenes Ika-
rus, der den kuͤhnen Flug bis in die Sonnennaͤhe gewagt und in
den Wellen mit allzufruͤhem Tode gebuͤßt hat. Von der Inſel
Ikarus aus, berichtete Archias weiter, ſei er ſuͤdoſtwaͤrts zu einer
zweiten Inſel gekommen, welche die Bewohner Tylos 31) nann-
ten; ſie ſei groß, weder ſteinig noch waldig, zum Feldbau geſchickt
und ein gluͤckliches Eiland; er haͤtte hinzufuͤgen koͤnnen, daß ſie
in Mitten der unerſchoͤpflichen Perlenriffe liege, von denen ſich
ſchon manche Sage unter den Macedoniern verbreitet hatte.
Bald darauf kam die zweite Jacht, die Androſthenes gefuͤhrt hatte,
30) Unzweifelhaft irrt Arrian mit ſeiner Angabe uͤber die
Entfernung dieſer Inſel von der Euphratmuͤndung in der Art, wie
es Mannert bezeichnet: wenigſtens iſt Srabo XV. p. 381, dem ich
in der Karte gefolgt bin, vollkommen klar.
31) Nach Strabo XV.
p. 382. lag Tylos oder Tyros eine Tagereiſe von dem Vorgebirge
Maceta, zehn von Teredon (Diridotis) in den Euphratmuͤndungen;
freilich findet ſich dort keine Inſel, die man groß nennen koͤnnte.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 573. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/587>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.