den Babyloniern mit unendlichem Jubel empfangen; mit Fest- lichkeiten und Gelagen feierten sie seine Rückkehr.
Es befand sich zu dieser Zeit der Amphipolite Pithagoras, aus priesterlichem Geschlecht und der Opferschau kundig, in Ba- bylon; sein Bruder Apollodorus, der seit dem Jahre 331 Strateg der Landschaft war, hatte bei Alexanders Rückkehr aus Indien demsel- ben mit den Truppen der Satrapie entgegen ziehen müssen, und da ihn das strenge Strafgericht, welches der König über die schul- digen Satrapen ergehen ließ, auch für seine Zukunft besorge machte, so sandte er an seinen Bruder gen Babylon, er möge über sein Schicksal die Opfer beschauen. Pithagoras hatte ihn dann fragen lassen, wen er am meisten fürchte, über den wolle er schauen; und auf des Bruders Antwort, besonders der König und Hephästion beunruhigten ihn, hatte Pithagoras Opfer ange- stellt, und nach der Opferschau dem Bruder nach Ekbatana ge- schrieben, den Hephästion möge er nicht fürchten, der werde bald nicht mehr im Wege sein; und diesen Brief hatte Apollodor am Tage vor Hephästions Tode empfangen. Ferner opferte Pi- thagoras über Alexander; er fand dieselbe Schau und schrieb seinem Bruder dieselbe Antwort. Apollodorus, so heißt es, ging selbst zum Könige, um zu zeigen, daß seine Hingebung größer sei als die Sorge für sein eigenes Wohl, er sagte ihm von der Op- ferschau über Hephästion und ihrer Erfüllung; auch über ihn habe Pithagoras nichts Glückliches geschaut, er möge sein theures Le- ben hüthen und die Gefahren, vor denen die Götter warnten, ver- meiden. In Babylon nun ließ der König, um Näheres über jenes Opfer zu erfahren, den Priester Pithagoras zu sich kom- men, und fragte ihn, welche Schau er gehabt habe, daß er solches seinem Bruder geschrieben? Und da jener antwortete- "o König, es war die Leber ohne Kopf," rief Alexander: "wehe ein schwe- res Zeichen!" Dann dankte er dem Seher, daß er ihm offen und sonder Trug die Wahrheit gesagt, und entließ ihn mit allen Zei- chen seines königlichen Wohlwollens. Auf ihn selbst aber machte dieß Zusammentreffen der Hellenischen Opferschau mit den Warnun- gen der Astrologen den tiefsten Eindruck; es war ihm unheimlich in den Mauern dieser Stadt, die er vielleicht besser gemieden hätte; ihn beunruhigte der längere Aufenthalt in seiner Residenz, vor
den Babyloniern mit unendlichem Jubel empfangen; mit Feſt- lichkeiten und Gelagen feierten ſie ſeine Ruͤckkehr.
Es befand ſich zu dieſer Zeit der Amphipolite Pithagoras, aus prieſterlichem Geſchlecht und der Opferſchau kundig, in Ba- bylon; ſein Bruder Apollodorus, der ſeit dem Jahre 331 Strateg der Landſchaft war, hatte bei Alexanders Ruͤckkehr aus Indien demſel- ben mit den Truppen der Satrapie entgegen ziehen muͤſſen, und da ihn das ſtrenge Strafgericht, welches der Koͤnig uͤber die ſchul- digen Satrapen ergehen ließ, auch fuͤr ſeine Zukunft beſorge machte, ſo ſandte er an ſeinen Bruder gen Babylon, er moͤge uͤber ſein Schickſal die Opfer beſchauen. Pithagoras hatte ihn dann fragen laſſen, wen er am meiſten fuͤrchte, uͤber den wolle er ſchauen; und auf des Bruders Antwort, beſonders der Koͤnig und Hephaͤſtion beunruhigten ihn, hatte Pithagoras Opfer ange- ſtellt, und nach der Opferſchau dem Bruder nach Ekbatana ge- ſchrieben, den Hephaͤſtion moͤge er nicht fuͤrchten, der werde bald nicht mehr im Wege ſein; und dieſen Brief hatte Apollodor am Tage vor Hephaͤſtions Tode empfangen. Ferner opferte Pi- thagoras uͤber Alexander; er fand dieſelbe Schau und ſchrieb ſeinem Bruder dieſelbe Antwort. Apollodorus, ſo heißt es, ging ſelbſt zum Koͤnige, um zu zeigen, daß ſeine Hingebung groͤßer ſei als die Sorge fuͤr ſein eigenes Wohl, er ſagte ihm von der Op- ferſchau uͤber Hephaͤſtion und ihrer Erfuͤllung; auch uͤber ihn habe Pithagoras nichts Gluͤckliches geſchaut, er moͤge ſein theures Le- ben huͤthen und die Gefahren, vor denen die Goͤtter warnten, ver- meiden. In Babylon nun ließ der Koͤnig, um Naͤheres uͤber jenes Opfer zu erfahren, den Prieſter Pithagoras zu ſich kom- men, und fragte ihn, welche Schau er gehabt habe, daß er ſolches ſeinem Bruder geſchrieben? Und da jener antwortete- „o Koͤnig, es war die Leber ohne Kopf,“ rief Alexander: „wehe ein ſchwe- res Zeichen!“ Dann dankte er dem Seher, daß er ihm offen und ſonder Trug die Wahrheit geſagt, und entließ ihn mit allen Zei- chen ſeines koͤniglichen Wohlwollens. Auf ihn ſelbſt aber machte dieß Zuſammentreffen der Helleniſchen Opferſchau mit den Warnun- gen der Aſtrologen den tiefſten Eindruck; es war ihm unheimlich in den Mauern dieſer Stadt, die er vielleicht beſſer gemieden haͤtte; ihn beunruhigte der laͤngere Aufenthalt in ſeiner Reſidenz, vor
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den Babyloniern mit unendlichem Jubel empfangen; mit Feſt-
lichkeiten und Gelagen feierten ſie ſeine Ruͤckkehr.
Es befand ſich zu dieſer Zeit der Amphipolite Pithagoras,
aus prieſterlichem Geſchlecht und der Opferſchau kundig, in Ba-
bylon; ſein Bruder Apollodorus, der ſeit dem Jahre 331 Strateg
der Landſchaft war, hatte bei Alexanders Ruͤckkehr aus Indien demſel-
ben mit den Truppen der Satrapie entgegen ziehen muͤſſen, und
da ihn das ſtrenge Strafgericht, welches der Koͤnig uͤber die ſchul-
digen Satrapen ergehen ließ, auch fuͤr ſeine Zukunft beſorge
machte, ſo ſandte er an ſeinen Bruder gen Babylon, er moͤge
uͤber ſein Schickſal die Opfer beſchauen. Pithagoras hatte ihn
dann fragen laſſen, wen er am meiſten fuͤrchte, uͤber den wolle
er ſchauen; und auf des Bruders Antwort, beſonders der Koͤnig
und Hephaͤſtion beunruhigten ihn, hatte Pithagoras Opfer ange-
ſtellt, und nach der Opferſchau dem Bruder nach Ekbatana ge-
ſchrieben, den Hephaͤſtion moͤge er nicht fuͤrchten, der werde bald
nicht mehr im Wege ſein; und dieſen Brief hatte Apollodor am
Tage vor Hephaͤſtions Tode empfangen. Ferner opferte Pi-
thagoras uͤber Alexander; er fand dieſelbe Schau und ſchrieb
ſeinem Bruder dieſelbe Antwort. Apollodorus, ſo heißt es, ging
ſelbſt zum Koͤnige, um zu zeigen, daß ſeine Hingebung groͤßer ſei
als die Sorge fuͤr ſein eigenes Wohl, er ſagte ihm von der Op-
ferſchau uͤber Hephaͤſtion und ihrer Erfuͤllung; auch uͤber ihn habe
Pithagoras nichts Gluͤckliches geſchaut, er moͤge ſein theures Le-
ben huͤthen und die Gefahren, vor denen die Goͤtter warnten, ver-
meiden. In Babylon nun ließ der Koͤnig, um Naͤheres uͤber
jenes Opfer zu erfahren, den Prieſter Pithagoras zu ſich kom-
men, und fragte ihn, welche Schau er gehabt habe, daß er ſolches
ſeinem Bruder geſchrieben? Und da jener antwortete- „o Koͤnig,
es war die Leber ohne Kopf,“ rief Alexander: „wehe ein ſchwe-
res Zeichen!“ Dann dankte er dem Seher, daß er ihm offen und
ſonder Trug die Wahrheit geſagt, und entließ ihn mit allen Zei-
chen ſeines koͤniglichen Wohlwollens. Auf ihn ſelbſt aber machte
dieß Zuſammentreffen der Helleniſchen Opferſchau mit den Warnun-
gen der Aſtrologen den tiefſten Eindruck; es war ihm unheimlich in
den Mauern dieſer Stadt, die er vielleicht beſſer gemieden haͤtte;
ihn beunruhigte der laͤngere Aufenthalt in ſeiner Reſidenz, vor
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 569. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/583>, abgerufen am 22.11.2024.
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