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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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Großkönige, für ihre materiellen Interessen jetzt mehr als frü-
her gesorgt war; und es giebt ausdrückliche Zeugnisse, daß in den
nächsten Jahrzehnten die Völker Alexanders Regierung als die
Zeit ihres Glückes und einer milden Herrschaft priesen 98). Be-
denkt man, daß funfzig Jahre später das Aegyptische Reich allein
fast halb so viel Einkünfte rechnete, als die ganze Monarchie Alex-
anders 99), und daß Kleomenes, unter Alexanders Satrapen der
am meisten verschriene, während seiner achtjährigen Verwaltung
nicht mehr als achttausend Talente zusammengescharrt hatte, welche
während der vielgerühmten Regierung des ersten Lagiden, in vier-
zig durch viele kostspielige Kriege ausgezeichneten Jahren, fast genau
um das Hundertfache vermehrt waren 100), so wird man behaupten
dürfen, daß Alexanders Verwaltungssystem, wenigstens im Ver-
hältniß zu dem Persischen und zu dem der Hellenistischen Fürsten,
um der Römer nicht zu erwähnen, milde und für die Völker
förderlich gewesen sei.

Bereits oben ist angeführt worden, wie unter Alexanders
Regierung Alles zusammen wirkte, die Betriebsamkeit und den
Verkehr der Völker neu zu beleben und zum Theil erst zu er-
wecken; vielleicht nie wieder ist von dem persönlichen Einfluß ei-
nes
Mannes eine so ungeheuere und so plötzliche Umgestaltung
aller hierauf bezüglichen Verhältnisse ausgegangen; sie war nicht
das glückliche Ergebniß zusammentreffender Zufälligkeiten, sondern
von dem Könige bezweckt und mit bewußter Consequenz durchge-
führt. Denn wenn ein Mal die Völker Asiens aufgerüttelt wa-
ren, wenn der Westen die Genüsse des Ostens, der Osten die
Künste des Westens kennen und bedürfen gelernt hatte, wenn die
Abendländer, die in Indien oder Baktrien geblieben, die Asiaten,
die aus allen Satrapien am Hofe versammelt waren, des Heimi-
schen in der Fremde nur um so mehr begehrten, wenn das Durchein-

98) Plutarch. apophth.; derselbe sagt in dem ersten Aufsatze
über das Glück Alexanders: er durchzog Asien nicht Banditen-
mäßig, noch war er Willens, es als einen Raub oder als die Beute
eines unverhofften Glückes zu zerreißen oder zu zerfleischen.
99) Hieronymus in Daniel. IX. 8.
100) Appian praof. 10.

Großkoͤnige, fuͤr ihre materiellen Intereſſen jetzt mehr als fruͤ-
her geſorgt war; und es giebt ausdruͤckliche Zeugniſſe, daß in den
naͤchſten Jahrzehnten die Voͤlker Alexanders Regierung als die
Zeit ihres Gluͤckes und einer milden Herrſchaft prieſen 98). Be-
denkt man, daß funfzig Jahre ſpaͤter das Aegyptiſche Reich allein
faſt halb ſo viel Einkuͤnfte rechnete, als die ganze Monarchie Alex-
anders 99), und daß Kleomenes, unter Alexanders Satrapen der
am meiſten verſchriene, waͤhrend ſeiner achtjaͤhrigen Verwaltung
nicht mehr als achttauſend Talente zuſammengeſcharrt hatte, welche
waͤhrend der vielgeruͤhmten Regierung des erſten Lagiden, in vier-
zig durch viele koſtſpielige Kriege ausgezeichneten Jahren, faſt genau
um das Hundertfache vermehrt waren 100), ſo wird man behaupten
duͤrfen, daß Alexanders Verwaltungsſyſtem, wenigſtens im Ver-
haͤltniß zu dem Perſiſchen und zu dem der Helleniſtiſchen Fuͤrſten,
um der Roͤmer nicht zu erwaͤhnen, milde und fuͤr die Voͤlker
foͤrderlich geweſen ſei.

Bereits oben iſt angefuͤhrt worden, wie unter Alexanders
Regierung Alles zuſammen wirkte, die Betriebſamkeit und den
Verkehr der Voͤlker neu zu beleben und zum Theil erſt zu er-
wecken; vielleicht nie wieder iſt von dem perſoͤnlichen Einfluß ei-
nes
Mannes eine ſo ungeheuere und ſo ploͤtzliche Umgeſtaltung
aller hierauf bezuͤglichen Verhaͤltniſſe ausgegangen; ſie war nicht
das gluͤckliche Ergebniß zuſammentreffender Zufaͤlligkeiten, ſondern
von dem Koͤnige bezweckt und mit bewußter Conſequenz durchge-
fuͤhrt. Denn wenn ein Mal die Voͤlker Aſiens aufgeruͤttelt wa-
ren, wenn der Weſten die Genuͤſſe des Oſtens, der Oſten die
Kuͤnſte des Weſtens kennen und beduͤrfen gelernt hatte, wenn die
Abendlaͤnder, die in Indien oder Baktrien geblieben, die Aſiaten,
die aus allen Satrapien am Hofe verſammelt waren, des Heimi-
ſchen in der Fremde nur um ſo mehr begehrten, wenn das Durchein-

98) Plutarch. apophth.; derſelbe ſagt in dem erſten Aufſatze
uͤber das Gluͤck Alexanders: er durchzog Aſien nicht Banditen-
maͤßig, noch war er Willens, es als einen Raub oder als die Beute
eines unverhofften Gluͤckes zu zerreißen oder zu zerfleiſchen.
99) Hieronymus in Daniel. IX. 8.
100) Appian praof. 10.
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[543/0557] Großkoͤnige, fuͤr ihre materiellen Intereſſen jetzt mehr als fruͤ- her geſorgt war; und es giebt ausdruͤckliche Zeugniſſe, daß in den naͤchſten Jahrzehnten die Voͤlker Alexanders Regierung als die Zeit ihres Gluͤckes und einer milden Herrſchaft prieſen 98). Be- denkt man, daß funfzig Jahre ſpaͤter das Aegyptiſche Reich allein faſt halb ſo viel Einkuͤnfte rechnete, als die ganze Monarchie Alex- anders 99), und daß Kleomenes, unter Alexanders Satrapen der am meiſten verſchriene, waͤhrend ſeiner achtjaͤhrigen Verwaltung nicht mehr als achttauſend Talente zuſammengeſcharrt hatte, welche waͤhrend der vielgeruͤhmten Regierung des erſten Lagiden, in vier- zig durch viele koſtſpielige Kriege ausgezeichneten Jahren, faſt genau um das Hundertfache vermehrt waren 100), ſo wird man behaupten duͤrfen, daß Alexanders Verwaltungsſyſtem, wenigſtens im Ver- haͤltniß zu dem Perſiſchen und zu dem der Helleniſtiſchen Fuͤrſten, um der Roͤmer nicht zu erwaͤhnen, milde und fuͤr die Voͤlker foͤrderlich geweſen ſei. Bereits oben iſt angefuͤhrt worden, wie unter Alexanders Regierung Alles zuſammen wirkte, die Betriebſamkeit und den Verkehr der Voͤlker neu zu beleben und zum Theil erſt zu er- wecken; vielleicht nie wieder iſt von dem perſoͤnlichen Einfluß ei- nes Mannes eine ſo ungeheuere und ſo ploͤtzliche Umgeſtaltung aller hierauf bezuͤglichen Verhaͤltniſſe ausgegangen; ſie war nicht das gluͤckliche Ergebniß zuſammentreffender Zufaͤlligkeiten, ſondern von dem Koͤnige bezweckt und mit bewußter Conſequenz durchge- fuͤhrt. Denn wenn ein Mal die Voͤlker Aſiens aufgeruͤttelt wa- ren, wenn der Weſten die Genuͤſſe des Oſtens, der Oſten die Kuͤnſte des Weſtens kennen und beduͤrfen gelernt hatte, wenn die Abendlaͤnder, die in Indien oder Baktrien geblieben, die Aſiaten, die aus allen Satrapien am Hofe verſammelt waren, des Heimi- ſchen in der Fremde nur um ſo mehr begehrten, wenn das Durchein- 98) Plutarch. apophth.; derſelbe ſagt in dem erſten Aufſatze uͤber das Gluͤck Alexanders: er durchzog Aſien nicht Banditen- maͤßig, noch war er Willens, es als einen Raub oder als die Beute eines unverhofften Gluͤckes zu zerreißen oder zu zerfleiſchen. 99) Hieronymus in Daniel. IX. 8. 100) Appian praof. 10.

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 543. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/557>, abgerufen am 27.04.2024.