ten und Neuen; die letzte und gewichtigste Repräsentation des alt Macedonischen war moralisch bewältigt; und gerade die Maaß- regeln, denen sie erlegen war, gaben diesem Siege Alexanders eine doppelte Wichtigkeit. Der Vorzug, den der König der Macedo- nischen Kriegsmacht bisher hatte zugestehen müssen, war aufgeho- ben, Asiatische Truppen traten in die Namen und Ehren des alt Macedonischen Heeres ein, es gab fortan zwischen Siegern und Besiegten keinen anderen Unterschied, als den des persönlichen Wer- thes und der Treue für den König. Man muß gestehen, daß der Aufruhr von Opis die schwerste Probe gewesen ist, welche das System Alexanders zu bestehen gehabt hat; und daß es gelang ihn zu bewältigen, war ein Beweis, daß das Hellenistische König- thum, welches so schnell und kühn emporgebaut war, daß dieses große Werk der neuen Zeit in sich fest und vollendet dastand, so daß das Gerüst und die stützenden Träger seiner Gründung hinwegge- brochen werden konnten. Aber wäre es nicht möglich gewesen, daß die Veteranen in Opis über die Neuerungen des Königs den Sieg davon getragen hätten? Ohnfehlbar, wenn sie selbst noch in Wahrheit Macedonier gewesen wären; sie waren es nicht mehr, sie hatten selbst das Neue, das sie bekämpften, in sich aufgenom- men, sie hatten sich in das Asiatische Leben hineingelebt, ohne die- sem neuen Elemente das Recht, zu dem es berufen war, zugeste- hen zu wollen; und dieser Hochmuth, nur als Sieger dessen, das auch sie im innersten Wesen besiegt und durchdrungen hatte, gel- ten zu wollen, war die Schuld, um deren Willen sie erlagen. Indem so das Macedonische Heer, das Werkzeug, mit dem das Werk der neuen Zeit geschaffen war, von der mächtigen Hand des Meisters zerbrochen ward, war das Werk selbst als vollendet geweiht, und jeder Gefahr gewachsen; was auch die Zerwürfnisse und Verwir- rungen der nächstfolgenden Zeit an den äußeren Formen dieses Reiches gerüttelt und zerstört haben, das Hellenistische Leben, die große Einigung des Griechenthums unter Macedonischem, Asiens unter Persischem Namen, war für Jahrhunderte gegründet.
So hatte sich das Neue durch alle Stadien innerer und äu- ßerer Gefährdungen hindurch gekämpft; als Gedanke einer neuen Zeit anerkannt, als Princip des neuen Königthums ausgesprochen, als Regiment des Reiches an der Spitze, als Heeresmacht orga-
ten und Neuen; die letzte und gewichtigſte Repraͤſentation des alt Macedoniſchen war moraliſch bewaͤltigt; und gerade die Maaß- regeln, denen ſie erlegen war, gaben dieſem Siege Alexanders eine doppelte Wichtigkeit. Der Vorzug, den der Koͤnig der Macedo- niſchen Kriegsmacht bisher hatte zugeſtehen muͤſſen, war aufgeho- ben, Aſiatiſche Truppen traten in die Namen und Ehren des alt Macedoniſchen Heeres ein, es gab fortan zwiſchen Siegern und Beſiegten keinen anderen Unterſchied, als den des perſoͤnlichen Wer- thes und der Treue fuͤr den Koͤnig. Man muß geſtehen, daß der Aufruhr von Opis die ſchwerſte Probe geweſen iſt, welche das Syſtem Alexanders zu beſtehen gehabt hat; und daß es gelang ihn zu bewaͤltigen, war ein Beweis, daß das Helleniſtiſche Koͤnig- thum, welches ſo ſchnell und kuͤhn emporgebaut war, daß dieſes große Werk der neuen Zeit in ſich feſt und vollendet daſtand, ſo daß das Geruͤſt und die ſtuͤtzenden Traͤger ſeiner Gruͤndung hinwegge- brochen werden konnten. Aber waͤre es nicht moͤglich geweſen, daß die Veteranen in Opis uͤber die Neuerungen des Koͤnigs den Sieg davon getragen haͤtten? Ohnfehlbar, wenn ſie ſelbſt noch in Wahrheit Macedonier geweſen waͤren; ſie waren es nicht mehr, ſie hatten ſelbſt das Neue, das ſie bekaͤmpften, in ſich aufgenom- men, ſie hatten ſich in das Aſiatiſche Leben hineingelebt, ohne die- ſem neuen Elemente das Recht, zu dem es berufen war, zugeſte- hen zu wollen; und dieſer Hochmuth, nur als Sieger deſſen, das auch ſie im innerſten Weſen beſiegt und durchdrungen hatte, gel- ten zu wollen, war die Schuld, um deren Willen ſie erlagen. Indem ſo das Macedoniſche Heer, das Werkzeug, mit dem das Werk der neuen Zeit geſchaffen war, von der maͤchtigen Hand des Meiſters zerbrochen ward, war das Werk ſelbſt als vollendet geweiht, und jeder Gefahr gewachſen; was auch die Zerwuͤrfniſſe und Verwir- rungen der naͤchſtfolgenden Zeit an den aͤußeren Formen dieſes Reiches geruͤttelt und zerſtoͤrt haben, das Helleniſtiſche Leben, die große Einigung des Griechenthums unter Macedoniſchem, Aſiens unter Perſiſchem Namen, war fuͤr Jahrhunderte gegruͤndet.
So hatte ſich das Neue durch alle Stadien innerer und aͤu- ßerer Gefaͤhrdungen hindurch gekaͤmpft; als Gedanke einer neuen Zeit anerkannt, als Princip des neuen Koͤnigthums ausgeſprochen, als Regiment des Reiches an der Spitze, als Heeresmacht orga-
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ten und Neuen; die letzte und gewichtigſte Repraͤſentation des
alt Macedoniſchen war moraliſch bewaͤltigt; und gerade die Maaß-
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doppelte Wichtigkeit. Der Vorzug, den der Koͤnig der Macedo-
niſchen Kriegsmacht bisher hatte zugeſtehen muͤſſen, war aufgeho-
ben, Aſiatiſche Truppen traten in die Namen und Ehren des alt
Macedoniſchen Heeres ein, es gab fortan zwiſchen Siegern und
Beſiegten keinen anderen Unterſchied, als den des perſoͤnlichen Wer-
thes und der Treue fuͤr den Koͤnig. Man muß geſtehen, daß der
Aufruhr von Opis die ſchwerſte Probe geweſen iſt, welche das
Syſtem Alexanders zu beſtehen gehabt hat; und daß es gelang
ihn zu bewaͤltigen, war ein Beweis, daß das Helleniſtiſche Koͤnig-
thum, welches ſo ſchnell und kuͤhn emporgebaut war, daß dieſes große
Werk der neuen Zeit in ſich feſt und vollendet daſtand, ſo daß
das Geruͤſt und die ſtuͤtzenden Traͤger ſeiner Gruͤndung hinwegge-
brochen werden konnten. Aber waͤre es nicht moͤglich geweſen,
daß die Veteranen in Opis uͤber die Neuerungen des Koͤnigs den
Sieg davon getragen haͤtten? Ohnfehlbar, wenn ſie ſelbſt noch in
Wahrheit Macedonier geweſen waͤren; ſie waren es nicht mehr,
ſie hatten ſelbſt das Neue, das ſie bekaͤmpften, in ſich aufgenom-
men, ſie hatten ſich in das Aſiatiſche Leben hineingelebt, ohne die-
ſem neuen Elemente das Recht, zu dem es berufen war, zugeſte-
hen zu wollen; und dieſer Hochmuth, nur als Sieger deſſen, das
auch ſie im innerſten Weſen beſiegt und durchdrungen hatte, gel-
ten zu wollen, war die Schuld, um deren Willen ſie erlagen. Indem
ſo das Macedoniſche Heer, das Werkzeug, mit dem das Werk der
neuen Zeit geſchaffen war, von der maͤchtigen Hand des Meiſters
zerbrochen ward, war das Werk ſelbſt als vollendet geweiht, und
jeder Gefahr gewachſen; was auch die Zerwuͤrfniſſe und Verwir-
rungen der naͤchſtfolgenden Zeit an den aͤußeren Formen dieſes
Reiches geruͤttelt und zerſtoͤrt haben, das Helleniſtiſche Leben, die
große Einigung des Griechenthums unter Macedoniſchem, Aſiens
unter Perſiſchem Namen, war fuͤr Jahrhunderte gegruͤndet.
So hatte ſich das Neue durch alle Stadien innerer und aͤu-
ßerer Gefaͤhrdungen hindurch gekaͤmpft; als Gedanke einer neuen
Zeit anerkannt, als Princip des neuen Koͤnigthums ausgeſprochen,
als Regiment des Reiches an der Spitze, als Heeresmacht orga-
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 517. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/531>, abgerufen am 22.11.2024.
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