Indeß war das Heer aus Karamanien gen Persien gezogen; der Satrap Phrasaortes, den Alexander hier bestellt hatte, war zur Zeit des Indischen Feldzuges gestorben; Orxines, aus dem Geschlecht der Achämeniden, von großem Ansehen unter den Per- sern und unermeßlichen Reichthümern 22b), hatte, im Vertrauen auf seine Geburt und seinen Einfluß, die erledigte Satrapie über- nommen, und, wie nach Indien berichtet worden war, auf wür- dige Weise verwaltet; er kam jetzt dem Könige mit sehr reichen Geschenken von schönen Pferden, kostbaren Wagen, Edelsteinen, Prachtgeräthen, goldenen und silbernen Vasen, viertausend Talenten gemünzten Silbers entgegen, und es schien ihm sein früheres ei- genmächtiges Verfahren vergessen zu sein. Indeß zeigte sich bald genug, daß er den Pflichten der Satrapie, die er ungeheißen auf sich genommen, keinesweges nachgekommen sei. Schon das er- zürnte den König, daß er das Grab des großen Cyrus im Haine von Pasargadä erbrochen fand; bei seiner früheren Anwesenheit in Pasargadä hatte er die Kuppe des Steinhauses, in der der Sarg stand, öffnen und das Grab von Neuem schmücken lassen und den am Grabe wachenden Magiern die Fortsetzung ihres frommen Dienstes geboten; er wollte das Andenken des großen Königs auf jede Weise geehrt wissen; jetzt aber fand er das Grab zerstört, die goldene Bahre zerbrochen, den Sarg umgestürzt, den Leichnam, der Edelsteine und kostbare Geschmeide getragen hatte, verstümmelt, die Prachtgewänder, die goldenen Schaalen und an- dere Kostbarkeiten waren verschwunden. Alexander gab dem Ari- stobul Befehl, die Trümmern des Leichnams wieder in den Sarg zu legen, und mit dem Purpur zu bedecken, die Bahre wieder aufzurichten, Alles so, wie es vor dem Einbruch gewesen, herzustel- len, die Steinthür der Kuppe wieder einzusetzen und mit dem königlichen Siegel zu verschließen. Er selbst untersuchte dann, wer
22b) In der Schlacht von Gaugamela nennt ihn Curtius un- ter den Führern; er sagt: die Perser, Mardier (in den Bergen von Persis s. o. p. 249. Not. 56.) und Sogdianer, (v. 1. Sog- diani, vielleicht Susiani) unter Ariobarzanes und Orobatis, die den einzelnen Stämmen, und Orxines, der dem Ganzen vorstand. Arrian erwähnt seiner bei Gelegenheit dieser Schlacht nicht.
Indeß war das Heer aus Karamanien gen Perſien gezogen; der Satrap Phraſaortes, den Alexander hier beſtellt hatte, war zur Zeit des Indiſchen Feldzuges geſtorben; Orxines, aus dem Geſchlecht der Achaͤmeniden, von großem Anſehen unter den Per- ſern und unermeßlichen Reichthuͤmern 22b), hatte, im Vertrauen auf ſeine Geburt und ſeinen Einfluß, die erledigte Satrapie uͤber- nommen, und, wie nach Indien berichtet worden war, auf wuͤr- dige Weiſe verwaltet; er kam jetzt dem Koͤnige mit ſehr reichen Geſchenken von ſchoͤnen Pferden, koſtbaren Wagen, Edelſteinen, Prachtgeraͤthen, goldenen und ſilbernen Vaſen, viertauſend Talenten gemuͤnzten Silbers entgegen, und es ſchien ihm ſein fruͤheres ei- genmaͤchtiges Verfahren vergeſſen zu ſein. Indeß zeigte ſich bald genug, daß er den Pflichten der Satrapie, die er ungeheißen auf ſich genommen, keinesweges nachgekommen ſei. Schon das er- zuͤrnte den Koͤnig, daß er das Grab des großen Cyrus im Haine von Paſargadaͤ erbrochen fand; bei ſeiner fruͤheren Anweſenheit in Paſargadaͤ hatte er die Kuppe des Steinhauſes, in der der Sarg ſtand, oͤffnen und das Grab von Neuem ſchmuͤcken laſſen und den am Grabe wachenden Magiern die Fortſetzung ihres frommen Dienſtes geboten; er wollte das Andenken des großen Koͤnigs auf jede Weiſe geehrt wiſſen; jetzt aber fand er das Grab zerſtoͤrt, die goldene Bahre zerbrochen, den Sarg umgeſtuͤrzt, den Leichnam, der Edelſteine und koſtbare Geſchmeide getragen hatte, verſtuͤmmelt, die Prachtgewaͤnder, die goldenen Schaalen und an- dere Koſtbarkeiten waren verſchwunden. Alexander gab dem Ari- ſtobul Befehl, die Truͤmmern des Leichnams wieder in den Sarg zu legen, und mit dem Purpur zu bedecken, die Bahre wieder aufzurichten, Alles ſo, wie es vor dem Einbruch geweſen, herzuſtel- len, die Steinthuͤr der Kuppe wieder einzuſetzen und mit dem koͤniglichen Siegel zu verſchließen. Er ſelbſt unterſuchte dann, wer
22b) In der Schlacht von Gaugamela nennt ihn Curtius un- ter den Fuͤhrern; er ſagt: die Perſer, Mardier (in den Bergen von Perſis ſ. o. p. 249. Not. 56.) und Sogdianer, (v. 1. Sog- diani, vielleicht Suſiani) unter Ariobarzanes und Orobatis, die den einzelnen Staͤmmen, und Orxines, der dem Ganzen vorſtand. Arrian erwaͤhnt ſeiner bei Gelegenheit dieſer Schlacht nicht.
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Indeß war das Heer aus Karamanien gen Perſien gezogen;
der Satrap Phraſaortes, den Alexander hier beſtellt hatte, war
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Geſchlecht der Achaͤmeniden, von großem Anſehen unter den Per-
ſern und unermeßlichen Reichthuͤmern 22b), hatte, im Vertrauen
auf ſeine Geburt und ſeinen Einfluß, die erledigte Satrapie uͤber-
nommen, und, wie nach Indien berichtet worden war, auf wuͤr-
dige Weiſe verwaltet; er kam jetzt dem Koͤnige mit ſehr reichen
Geſchenken von ſchoͤnen Pferden, koſtbaren Wagen, Edelſteinen,
Prachtgeraͤthen, goldenen und ſilbernen Vaſen, viertauſend Talenten
gemuͤnzten Silbers entgegen, und es ſchien ihm ſein fruͤheres ei-
genmaͤchtiges Verfahren vergeſſen zu ſein. Indeß zeigte ſich bald
genug, daß er den Pflichten der Satrapie, die er ungeheißen auf
ſich genommen, keinesweges nachgekommen ſei. Schon das er-
zuͤrnte den Koͤnig, daß er das Grab des großen Cyrus im Haine
von Paſargadaͤ erbrochen fand; bei ſeiner fruͤheren Anweſenheit
in Paſargadaͤ hatte er die Kuppe des Steinhauſes, in der der
Sarg ſtand, oͤffnen und das Grab von Neuem ſchmuͤcken laſſen
und den am Grabe wachenden Magiern die Fortſetzung ihres
frommen Dienſtes geboten; er wollte das Andenken des großen
Koͤnigs auf jede Weiſe geehrt wiſſen; jetzt aber fand er das Grab
zerſtoͤrt, die goldene Bahre zerbrochen, den Sarg umgeſtuͤrzt, den
Leichnam, der Edelſteine und koſtbare Geſchmeide getragen hatte,
verſtuͤmmelt, die Prachtgewaͤnder, die goldenen Schaalen und an-
dere Koſtbarkeiten waren verſchwunden. Alexander gab dem Ari-
ſtobul Befehl, die Truͤmmern des Leichnams wieder in den Sarg
zu legen, und mit dem Purpur zu bedecken, die Bahre wieder
aufzurichten, Alles ſo, wie es vor dem Einbruch geweſen, herzuſtel-
len, die Steinthuͤr der Kuppe wieder einzuſetzen und mit dem
koͤniglichen Siegel zu verſchließen. Er ſelbſt unterſuchte dann, wer
22b) In der Schlacht von Gaugamela nennt ihn Curtius un-
ter den Fuͤhrern; er ſagt: die Perſer, Mardier (in den Bergen
von Perſis ſ. o. p. 249. Not. 56.) und Sogdianer, (v. 1. Sog-
diani, vielleicht Suſiani) unter Ariobarzanes und Orobatis, die
den einzelnen Staͤmmen, und Orxines, der dem Ganzen vorſtand.
Arrian erwaͤhnt ſeiner bei Gelegenheit dieſer Schlacht nicht.
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 489. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/503>, abgerufen am 22.11.2024.
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