Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].Der blinde Fanatismus der heiligen Kaste, um so wilder, je Der König kehrte jetzt nach seiner neuen Stadt am Weisheit, wenn sie sich des Mythischen und Mystischen entäußert, verfallen ist. 110) Hierher gehört die Brachmanenstadt Harma- talia (Diodor XVI. 103., Curtius IX. 8. 18.), bei deren Erobe- rung der Lagide Ptolemäus verwundet wurde. Die wunderliche Erzählung von seinem Traume auf dem Ruhebette des Königs scheint von Klitarch's Erfindung zu sein; wenigstens erzählt Arrian davon nichts, der doch desselben Lagiden Denkwürdigkeiten vor sich hatte. -- Abweichendes hat Strabo XV. p. 309. 111) Arrian VI. 29 *
Der blinde Fanatismus der heiligen Kaſte, um ſo wilder, je Der Koͤnig kehrte jetzt nach ſeiner neuen Stadt am Weisheit, wenn ſie ſich des Mythiſchen und Myſtiſchen entaͤußert, verfallen iſt. 110) Hierher gehoͤrt die Brachmanenſtadt Harma- talia (Diodor XVI. 103., Curtius IX. 8. 18.), bei deren Erobe- rung der Lagide Ptolemaͤus verwundet wurde. Die wunderliche Erzaͤhlung von ſeinem Traume auf dem Ruhebette des Koͤnigs ſcheint von Klitarch’s Erfindung zu ſein; wenigſtens erzaͤhlt Arrian davon nichts, der doch deſſelben Lagiden Denkwuͤrdigkeiten vor ſich hatte. — Abweichendes hat Strabo XV. p. 309. 111) Arrian VI. 29 *
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0465" n="451"/> <p>Der blinde Fanatismus der heiligen Kaſte, um ſo wilder, je<lb/> hoffnungsloſer er war, hatte, durch das Schickſal der Braminen<lb/> des Sambus ungeſchreckt, waͤhrend des Koͤnigs Abweſenheit den<lb/> Fuͤrſten Muſikanus und die Bevoͤlkerung ſeines Landes zum wil-<lb/> deſten Haß gegen die Fremden, zur offenbaren Empoͤrung, zur Er-<lb/> mordung der Macedoniſchen Beſatzungen aufzureizen gewußt; zu<lb/> beiden Seiten des Stromes loderte die Flamme des Aufruhrs,<lb/> Alles griff zu den Waffen; und waͤre der Wuth die Kraft des<lb/> Willens und der Fuͤhrung gleich geweſen, ſo haͤtte Alexander hier<lb/> einen ſchweren Stand haben moͤgen. Aber kaum nahte er, ſo<lb/> floh der Fuͤrſt Muſikanus uͤber den Indus; Pithon wurde zu<lb/> ſeiner Verfolgung nachgeſchickt; Alexander ſelbſt zog gegen die<lb/> Staͤdte, die, ohne gegenſeitigen Beiſtand, ohne verſtaͤndige Fuͤh-<lb/> rung und ohne Hoffnung ſich zu retten, dem Sieger ſchnell in<lb/> die Haͤnde fielen <note place="foot" n="110)">Hierher gehoͤrt die Brachmanenſtadt Harma-<lb/> talia (<hi rendition="#aq">Diodor XVI.</hi> 103., <hi rendition="#aq">Curtius IX.</hi> 8. 18.), bei deren Erobe-<lb/> rung der Lagide Ptolemaͤus verwundet wurde. Die wunderliche<lb/> Erzaͤhlung von ſeinem Traume auf dem Ruhebette des Koͤnigs<lb/> ſcheint von Klitarch’s Erfindung zu ſein; wenigſtens erzaͤhlt Arrian<lb/> davon nichts, der doch deſſelben Lagiden Denkwuͤrdigkeiten vor ſich<lb/> hatte. — Abweichendes hat <hi rendition="#aq">Strabo XV. p.</hi> 309.</note>; die Strafen des Abfalles waren ſtreng,<lb/> unzaͤhlige Indier wurden bei den Erſtuͤrmungen erſchlagen, oder<lb/> nach dem Siege hingerichtet, die Ueberlebenden in Sklaverei ver-<lb/> kauft, ihre Staͤdte zerſtoͤrt und die wenigen, die ſtehen blieben,<lb/> mit Burgen und Macedoniſcher Beſatzung verſehen, die das Land<lb/> der Truͤmmer und der Verwuͤſtung bewahren ſollten. Muſikanus<lb/> ſelbſt war gefangen worden, er und viele Braminen wurden des<lb/> Todes ſchuldig erkannt und an den Landſtraßen des Landes, deſſen<lb/> Ungluͤck ſie verſchuldet, aufgeknuͤpft <note xml:id="note-0465a" next="#note-0466" place="foot" n="111)"><hi rendition="#aq">Arrian VI.</hi></note>.</p><lb/> <p>Der Koͤnig kehrte jetzt nach ſeiner neuen Stadt am<lb/> Indus zuruͤck; die energiſche Strenge, mit der er die Empoͤrun-<lb/> gen erſtickt und geſtraft hatte, die Hinrichtungen und Verwuͤſtun-<lb/> gen im Lande des Muſikanus ſchienen endlich auf die Gemuͤther<lb/> der Indier den bezweckten Eindruck zu machen. Vor Allen be-<lb/><note xml:id="note-0465" prev="#note-0464a" place="foot" n="109)">Weisheit, wenn ſie ſich des Mythiſchen und Myſtiſchen entaͤußert,<lb/> verfallen iſt.</note><lb/> <fw place="bottom" type="sig">29 *</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [451/0465]
Der blinde Fanatismus der heiligen Kaſte, um ſo wilder, je
hoffnungsloſer er war, hatte, durch das Schickſal der Braminen
des Sambus ungeſchreckt, waͤhrend des Koͤnigs Abweſenheit den
Fuͤrſten Muſikanus und die Bevoͤlkerung ſeines Landes zum wil-
deſten Haß gegen die Fremden, zur offenbaren Empoͤrung, zur Er-
mordung der Macedoniſchen Beſatzungen aufzureizen gewußt; zu
beiden Seiten des Stromes loderte die Flamme des Aufruhrs,
Alles griff zu den Waffen; und waͤre der Wuth die Kraft des
Willens und der Fuͤhrung gleich geweſen, ſo haͤtte Alexander hier
einen ſchweren Stand haben moͤgen. Aber kaum nahte er, ſo
floh der Fuͤrſt Muſikanus uͤber den Indus; Pithon wurde zu
ſeiner Verfolgung nachgeſchickt; Alexander ſelbſt zog gegen die
Staͤdte, die, ohne gegenſeitigen Beiſtand, ohne verſtaͤndige Fuͤh-
rung und ohne Hoffnung ſich zu retten, dem Sieger ſchnell in
die Haͤnde fielen 110); die Strafen des Abfalles waren ſtreng,
unzaͤhlige Indier wurden bei den Erſtuͤrmungen erſchlagen, oder
nach dem Siege hingerichtet, die Ueberlebenden in Sklaverei ver-
kauft, ihre Staͤdte zerſtoͤrt und die wenigen, die ſtehen blieben,
mit Burgen und Macedoniſcher Beſatzung verſehen, die das Land
der Truͤmmer und der Verwuͤſtung bewahren ſollten. Muſikanus
ſelbſt war gefangen worden, er und viele Braminen wurden des
Todes ſchuldig erkannt und an den Landſtraßen des Landes, deſſen
Ungluͤck ſie verſchuldet, aufgeknuͤpft 111).
Der Koͤnig kehrte jetzt nach ſeiner neuen Stadt am
Indus zuruͤck; die energiſche Strenge, mit der er die Empoͤrun-
gen erſtickt und geſtraft hatte, die Hinrichtungen und Verwuͤſtun-
gen im Lande des Muſikanus ſchienen endlich auf die Gemuͤther
der Indier den bezweckten Eindruck zu machen. Vor Allen be-
109)
110) Hierher gehoͤrt die Brachmanenſtadt Harma-
talia (Diodor XVI. 103., Curtius IX. 8. 18.), bei deren Erobe-
rung der Lagide Ptolemaͤus verwundet wurde. Die wunderliche
Erzaͤhlung von ſeinem Traume auf dem Ruhebette des Koͤnigs
ſcheint von Klitarch’s Erfindung zu ſein; wenigſtens erzaͤhlt Arrian
davon nichts, der doch deſſelben Lagiden Denkwuͤrdigkeiten vor ſich
hatte. — Abweichendes hat Strabo XV. p. 309.
111) Arrian VI.
109) Weisheit, wenn ſie ſich des Mythiſchen und Myſtiſchen entaͤußert,
verfallen iſt.
29 *
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |