seits auch schon das schwere Fußvolk dem Ufer nahen sah. Jetzt begann Alexander zum Kampf vorzurücken, aber die Indier wag- ten nicht den Angriff zu erwarten; sie wandten sich zur Flucht in eine benachbarte, stark befestigte Stadt; die Macedonier verfolgten sie lebhaft, tödteten viele auf der Flucht und machten nicht eher, als unter den Mauern der Stadt, Halt 96).
Alexander ließ sofort die Stadt von der Reuterei umzingeln; doch wurde es später Abend, ehe das Fußvolk heran kam, zugleich waren Alle, die Reuterei von dem Flußübergange und der hefti- gen Verfolgung, das Fußvolk von dem weiten und schweren Mar- sche, so erschöpft, daß für diesen Tag nichts weiter unternommen werden konnte; so wurde das Lager rings um die Stadt her auf- geschlagen. Aber mit dem ersten Morgen begann Alexander mit der einen, Perdikkas mit der zweiten Hälfte des Heeres von allen Seiten das Stürmen gegen die Mauern; die Indier vermochten nicht sie zu behaupten, sie zogen sich von allen Seiten auf die stark befestigte Burg zurück. Alexander ließ auf seiner Seite ein Thor der Stadtmauer erbrechen, und drang an der Spitze seiner Leute, ohne Widerstand zu finden, in die Stadt und durch die Straßen zur Burg; sie war mit starken Mauern versehen, die Thürme wohlbemannt, die Belagerungsarbeit unter den Geschossen der Feinde gefährlich. Dennoch begannen die Macedonier sofort zu untergraben, andere brachten ein Paar Sturmleitern heran und versuchten sie anzulegen; aber der ununterbrochene Pfeilregen von den Thürmen machte selbst die Muthigsten stutzen. Da ergriff Alexander eine Leiter; in der Linken den Schild, in der Rechten sein Schwert, stieg er empor, ihm nach Peucestas und Leonnatus auf derselben, ein alter Kriegshauptmann Abreas auf einer zweiten
96)Arrian. Die Lage dieser Stadt ist nicht mehr nachzuwei- sen; möglich jedoch ist, daß sie etwa da, wo auf Macartney's Karte Sumpur verzeichnet ist, lag, und daß der Stromübergang Alex- anders von der Stadt Ima gen Sumpur führte; wenigstens füh- ren darauf die auf Macartney's Karte verzeichneten Wege, und es stimmt ziemlich damit, daß Alexanders Jacht (s. u.) mit der Strö- mung in vier Tagen bis zum Lager an der Mündung des Hyaro- tis hinabfuhr.
ſeits auch ſchon das ſchwere Fußvolk dem Ufer nahen ſah. Jetzt begann Alexander zum Kampf vorzuruͤcken, aber die Indier wag- ten nicht den Angriff zu erwarten; ſie wandten ſich zur Flucht in eine benachbarte, ſtark befeſtigte Stadt; die Macedonier verfolgten ſie lebhaft, toͤdteten viele auf der Flucht und machten nicht eher, als unter den Mauern der Stadt, Halt 96).
Alexander ließ ſofort die Stadt von der Reuterei umzingeln; doch wurde es ſpaͤter Abend, ehe das Fußvolk heran kam, zugleich waren Alle, die Reuterei von dem Flußuͤbergange und der hefti- gen Verfolgung, das Fußvolk von dem weiten und ſchweren Mar- ſche, ſo erſchoͤpft, daß fuͤr dieſen Tag nichts weiter unternommen werden konnte; ſo wurde das Lager rings um die Stadt her auf- geſchlagen. Aber mit dem erſten Morgen begann Alexander mit der einen, Perdikkas mit der zweiten Haͤlfte des Heeres von allen Seiten das Stuͤrmen gegen die Mauern; die Indier vermochten nicht ſie zu behaupten, ſie zogen ſich von allen Seiten auf die ſtark befeſtigte Burg zuruͤck. Alexander ließ auf ſeiner Seite ein Thor der Stadtmauer erbrechen, und drang an der Spitze ſeiner Leute, ohne Widerſtand zu finden, in die Stadt und durch die Straßen zur Burg; ſie war mit ſtarken Mauern verſehen, die Thuͤrme wohlbemannt, die Belagerungsarbeit unter den Geſchoſſen der Feinde gefaͤhrlich. Dennoch begannen die Macedonier ſofort zu untergraben, andere brachten ein Paar Sturmleitern heran und verſuchten ſie anzulegen; aber der ununterbrochene Pfeilregen von den Thuͤrmen machte ſelbſt die Muthigſten ſtutzen. Da ergriff Alexander eine Leiter; in der Linken den Schild, in der Rechten ſein Schwert, ſtieg er empor, ihm nach Peuceſtas und Leonnatus auf derſelben, ein alter Kriegshauptmann Abreas auf einer zweiten
96)Arrian. Die Lage dieſer Stadt iſt nicht mehr nachzuwei- ſen; moͤglich jedoch iſt, daß ſie etwa da, wo auf Macartney’s Karte Sumpur verzeichnet iſt, lag, und daß der Stromuͤbergang Alex- anders von der Stadt Ima gen Sumpur fuͤhrte; wenigſtens fuͤh- ren darauf die auf Macartney’s Karte verzeichneten Wege, und es ſtimmt ziemlich damit, daß Alexanders Jacht (ſ. u.) mit der Stroͤ- mung in vier Tagen bis zum Lager an der Muͤndung des Hyaro- tis hinabfuhr.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0452"n="438"/>ſeits auch ſchon das ſchwere Fußvolk dem Ufer nahen ſah. Jetzt<lb/>
begann Alexander zum Kampf vorzuruͤcken, aber die Indier wag-<lb/>
ten nicht den Angriff zu erwarten; ſie wandten ſich zur Flucht in<lb/>
eine benachbarte, ſtark befeſtigte Stadt; die Macedonier verfolgten<lb/>ſie lebhaft, toͤdteten viele auf der Flucht und machten nicht eher,<lb/>
als unter den Mauern der Stadt, Halt <noteplace="foot"n="96)"><hirendition="#aq">Arrian.</hi> Die Lage dieſer Stadt iſt nicht mehr nachzuwei-<lb/>ſen; moͤglich jedoch iſt, daß ſie etwa da, wo auf Macartney’s Karte<lb/>
Sumpur verzeichnet iſt, lag, und daß der Stromuͤbergang Alex-<lb/>
anders von der Stadt Ima gen Sumpur fuͤhrte; wenigſtens fuͤh-<lb/>
ren darauf die auf Macartney’s Karte verzeichneten Wege, und es<lb/>ſtimmt ziemlich damit, daß Alexanders Jacht (ſ. u.) mit der Stroͤ-<lb/>
mung in vier Tagen bis zum Lager an der Muͤndung des Hyaro-<lb/>
tis hinabfuhr.</note>.</p><lb/><p>Alexander ließ ſofort die Stadt von der Reuterei umzingeln;<lb/>
doch wurde es ſpaͤter Abend, ehe das Fußvolk heran kam, zugleich<lb/>
waren Alle, die Reuterei von dem Flußuͤbergange und der hefti-<lb/>
gen Verfolgung, das Fußvolk von dem weiten und ſchweren Mar-<lb/>ſche, ſo erſchoͤpft, daß fuͤr dieſen Tag nichts weiter unternommen<lb/>
werden konnte; ſo wurde das Lager rings um die Stadt her auf-<lb/>
geſchlagen. Aber mit dem erſten Morgen begann Alexander mit<lb/>
der einen, Perdikkas mit der zweiten Haͤlfte des Heeres von allen<lb/>
Seiten das Stuͤrmen gegen die Mauern; die Indier vermochten<lb/>
nicht ſie zu behaupten, ſie zogen ſich von allen Seiten auf die<lb/>ſtark befeſtigte Burg zuruͤck. Alexander ließ auf ſeiner Seite ein<lb/>
Thor der Stadtmauer erbrechen, und drang an der Spitze ſeiner<lb/>
Leute, ohne Widerſtand zu finden, in die Stadt und durch die<lb/>
Straßen zur Burg; ſie war mit ſtarken Mauern verſehen, die<lb/>
Thuͤrme wohlbemannt, die Belagerungsarbeit unter den Geſchoſſen<lb/>
der Feinde gefaͤhrlich. Dennoch begannen die Macedonier ſofort<lb/>
zu untergraben, andere brachten ein Paar Sturmleitern heran und<lb/>
verſuchten ſie anzulegen; aber der ununterbrochene Pfeilregen von<lb/>
den Thuͤrmen machte ſelbſt die Muthigſten ſtutzen. Da ergriff<lb/>
Alexander eine Leiter; in der Linken den Schild, in der Rechten<lb/>ſein Schwert, ſtieg er empor, ihm nach Peuceſtas und Leonnatus<lb/>
auf derſelben, ein alter Kriegshauptmann Abreas auf einer zweiten<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[438/0452]
ſeits auch ſchon das ſchwere Fußvolk dem Ufer nahen ſah. Jetzt
begann Alexander zum Kampf vorzuruͤcken, aber die Indier wag-
ten nicht den Angriff zu erwarten; ſie wandten ſich zur Flucht in
eine benachbarte, ſtark befeſtigte Stadt; die Macedonier verfolgten
ſie lebhaft, toͤdteten viele auf der Flucht und machten nicht eher,
als unter den Mauern der Stadt, Halt 96).
Alexander ließ ſofort die Stadt von der Reuterei umzingeln;
doch wurde es ſpaͤter Abend, ehe das Fußvolk heran kam, zugleich
waren Alle, die Reuterei von dem Flußuͤbergange und der hefti-
gen Verfolgung, das Fußvolk von dem weiten und ſchweren Mar-
ſche, ſo erſchoͤpft, daß fuͤr dieſen Tag nichts weiter unternommen
werden konnte; ſo wurde das Lager rings um die Stadt her auf-
geſchlagen. Aber mit dem erſten Morgen begann Alexander mit
der einen, Perdikkas mit der zweiten Haͤlfte des Heeres von allen
Seiten das Stuͤrmen gegen die Mauern; die Indier vermochten
nicht ſie zu behaupten, ſie zogen ſich von allen Seiten auf die
ſtark befeſtigte Burg zuruͤck. Alexander ließ auf ſeiner Seite ein
Thor der Stadtmauer erbrechen, und drang an der Spitze ſeiner
Leute, ohne Widerſtand zu finden, in die Stadt und durch die
Straßen zur Burg; ſie war mit ſtarken Mauern verſehen, die
Thuͤrme wohlbemannt, die Belagerungsarbeit unter den Geſchoſſen
der Feinde gefaͤhrlich. Dennoch begannen die Macedonier ſofort
zu untergraben, andere brachten ein Paar Sturmleitern heran und
verſuchten ſie anzulegen; aber der ununterbrochene Pfeilregen von
den Thuͤrmen machte ſelbſt die Muthigſten ſtutzen. Da ergriff
Alexander eine Leiter; in der Linken den Schild, in der Rechten
ſein Schwert, ſtieg er empor, ihm nach Peuceſtas und Leonnatus
auf derſelben, ein alter Kriegshauptmann Abreas auf einer zweiten
96) Arrian. Die Lage dieſer Stadt iſt nicht mehr nachzuwei-
ſen; moͤglich jedoch iſt, daß ſie etwa da, wo auf Macartney’s Karte
Sumpur verzeichnet iſt, lag, und daß der Stromuͤbergang Alex-
anders von der Stadt Ima gen Sumpur fuͤhrte; wenigſtens fuͤh-
ren darauf die auf Macartney’s Karte verzeichneten Wege, und es
ſtimmt ziemlich damit, daß Alexanders Jacht (ſ. u.) mit der Stroͤ-
mung in vier Tagen bis zum Lager an der Muͤndung des Hyaro-
tis hinabfuhr.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 438. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/452>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.