Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

Bild:
<< vorherige Seite

richteten; sie traten immer deutlicher hervor, je näher die Grenzen
Macedoniens den Persischen Satrapien kamen; Athenische Ge-
sandte unterließen nicht, auf die dringende Gefahr aufmerksam zu
machen; jetzt rückte Philipp gegen Perinth und Byzanz; wenn er
diese Städte wegnahm, so stand ihm der Uebergang nach Asien
offen. Darum wurden in aller Eile einige Griechische Schaaren
die im Persischen Solde standen, unter Apollonius nach Perinth
gesendet, und sie waren stark genug, in Verbindung mit den By-
zantinern die kräftigen Angriffe des Macedonischen Königs zurück-
zuschlagen. Jedenfalls waren Mentor und Memnon die Urheber
dieser Maaßregel; an der Spitze der Griechischen Söldnerschaaren
im untern Asien waren sie die Stütze der Persischen Macht und
deren Verfechter, im Falle daß von Europa her irgend eine Gefahr
drohen sollte. Nach dem kurz darauf erfolgten Tode Mentors ging
diese wichtige Stelle eines Befehlshabers des stehenden Heeres für
Kleinasien an Memnon über, und bald genug sollte er Gelegenheit
haben, sein nicht gewöhnliches Feldherrntalent zu bewähren.

Während auf diese Weise die Satrapien im äußersten Westen
des Reiches, entweder in sich selbst von Kämpfen und Insurrectionen
bewegt, oder alle Aufmerksamkeit auf die Verhältnisse in Europa
gewendet, in immer lebhafteren Verkehr mit Griechenland kamen,
herrschte der König auf seiner Hofburg zu Susa in zügelloser Wild-
heit und Grausamkeit fort; Alle haßten und fürchteten ihn, der Ein-
zige dem er Vertrauen schenkte, misbrauchte es. Der Aegyptische
Eunuch Bagoas, sein oberster Kämmerer, tückisch und herrschsüch-
tig von Natur, dem blinden Aberglauben seines Vaterlandes, zu
dessen Untergang er selbst hülfreiche Hand geleistet hatte, ganz er-
geben, hatte dem Könige die Schändung seiner vaterländischen Hei-
ligthümer und den Tod des heiligen Apisstieres nicht vergessen.
Je mehr sich der König durch seine Grausamkeit verhaßt machte,
desto kühner wurden die Plane seines tückischen Lieblings; Bagoas
gewann den Arzt des Königs, ein Gifttrank machte dem Leben des
verhaßten Despoten ein Ende; und so groß war die Bosheit des
Eunuchen und seine Frechheit, daß er den Leichnam des Großkönigs
nicht nach der Sitte der Väter in die Königsgräber von Persepolis
bringen, sondern ihn in Stücke zerreißen, und, was den Persern das
Scheußlichste ist, von Katzen auffressen ließ. Das Reich war in

richteten; ſie traten immer deutlicher hervor, je näher die Grenzen
Macedoniens den Perſiſchen Satrapien kamen; Atheniſche Ge-
ſandte unterließen nicht, auf die dringende Gefahr aufmerkſam zu
machen; jetzt rückte Philipp gegen Perinth und Byzanz; wenn er
dieſe Städte wegnahm, ſo ſtand ihm der Uebergang nach Aſien
offen. Darum wurden in aller Eile einige Griechiſche Schaaren
die im Perſiſchen Solde ſtanden, unter Apollonius nach Perinth
geſendet, und ſie waren ſtark genug, in Verbindung mit den By-
zantinern die kräftigen Angriffe des Macedoniſchen Königs zurück-
zuſchlagen. Jedenfalls waren Mentor und Memnon die Urheber
dieſer Maaßregel; an der Spitze der Griechiſchen Söldnerſchaaren
im untern Aſien waren ſie die Stütze der Perſiſchen Macht und
deren Verfechter, im Falle daß von Europa her irgend eine Gefahr
drohen ſollte. Nach dem kurz darauf erfolgten Tode Mentors ging
dieſe wichtige Stelle eines Befehlshabers des ſtehenden Heeres für
Kleinaſien an Memnon über, und bald genug ſollte er Gelegenheit
haben, ſein nicht gewöhnliches Feldherrntalent zu bewähren.

Während auf dieſe Weiſe die Satrapien im äußerſten Weſten
des Reiches, entweder in ſich ſelbſt von Kämpfen und Inſurrectionen
bewegt, oder alle Aufmerkſamkeit auf die Verhältniſſe in Europa
gewendet, in immer lebhafteren Verkehr mit Griechenland kamen,
herrſchte der König auf ſeiner Hofburg zu Suſa in zügelloſer Wild-
heit und Grauſamkeit fort; Alle haßten und fürchteten ihn, der Ein-
zige dem er Vertrauen ſchenkte, misbrauchte es. Der Aegyptiſche
Eunuch Bagoas, ſein oberſter Kämmerer, tückiſch und herrſchſüch-
tig von Natur, dem blinden Aberglauben ſeines Vaterlandes, zu
deſſen Untergang er ſelbſt hülfreiche Hand geleiſtet hatte, ganz er-
geben, hatte dem Könige die Schändung ſeiner vaterländiſchen Hei-
ligthümer und den Tod des heiligen Apisſtieres nicht vergeſſen.
Je mehr ſich der König durch ſeine Grauſamkeit verhaßt machte,
deſto kühner wurden die Plane ſeines tückiſchen Lieblings; Bagoas
gewann den Arzt des Königs, ein Gifttrank machte dem Leben des
verhaßten Despoten ein Ende; und ſo groß war die Bosheit des
Eunuchen und ſeine Frechheit, daß er den Leichnam des Großkönigs
nicht nach der Sitte der Väter in die Königsgräber von Perſepolis
bringen, ſondern ihn in Stücke zerreißen, und, was den Perſern das
Scheußlichſte iſt, von Katzen auffreſſen ließ. Das Reich war in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0044" n="30"/>
richteten; &#x017F;ie traten immer deutlicher hervor, je näher die Grenzen<lb/>
Macedoniens den Per&#x017F;i&#x017F;chen Satrapien kamen; Atheni&#x017F;che Ge-<lb/>
&#x017F;andte unterließen nicht, auf die dringende Gefahr aufmerk&#x017F;am zu<lb/>
machen; jetzt rückte Philipp gegen Perinth und Byzanz; wenn er<lb/>
die&#x017F;e Städte wegnahm, &#x017F;o &#x017F;tand ihm der Uebergang nach A&#x017F;ien<lb/>
offen. Darum wurden in aller Eile einige Griechi&#x017F;che Schaaren<lb/>
die im Per&#x017F;i&#x017F;chen Solde &#x017F;tanden, unter Apollonius nach Perinth<lb/>
ge&#x017F;endet, und &#x017F;ie waren &#x017F;tark genug, in Verbindung mit den By-<lb/>
zantinern die kräftigen Angriffe des Macedoni&#x017F;chen Königs zurück-<lb/>
zu&#x017F;chlagen. Jedenfalls waren Mentor und Memnon die Urheber<lb/>
die&#x017F;er Maaßregel; an der Spitze der Griechi&#x017F;chen Söldner&#x017F;chaaren<lb/>
im untern A&#x017F;ien waren &#x017F;ie die Stütze der Per&#x017F;i&#x017F;chen Macht und<lb/>
deren Verfechter, im Falle daß von Europa her irgend eine Gefahr<lb/>
drohen &#x017F;ollte. Nach dem kurz darauf erfolgten Tode Mentors ging<lb/>
die&#x017F;e wichtige Stelle eines Befehlshabers des &#x017F;tehenden Heeres für<lb/>
Kleina&#x017F;ien an Memnon über, und bald genug &#x017F;ollte er Gelegenheit<lb/>
haben, &#x017F;ein nicht gewöhnliches Feldherrntalent zu bewähren.</p><lb/>
          <p>Während auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e die Satrapien im äußer&#x017F;ten We&#x017F;ten<lb/>
des Reiches, entweder in &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t von Kämpfen und In&#x017F;urrectionen<lb/>
bewegt, oder alle Aufmerk&#x017F;amkeit auf die Verhältni&#x017F;&#x017F;e in Europa<lb/>
gewendet, in immer lebhafteren Verkehr mit Griechenland kamen,<lb/>
herr&#x017F;chte der König auf &#x017F;einer Hofburg zu Su&#x017F;a in zügello&#x017F;er Wild-<lb/>
heit und Grau&#x017F;amkeit fort; Alle haßten und fürchteten ihn, der Ein-<lb/>
zige dem er Vertrauen &#x017F;chenkte, misbrauchte es. Der Aegypti&#x017F;che<lb/>
Eunuch <hi rendition="#g">Bagoas</hi>, &#x017F;ein ober&#x017F;ter Kämmerer, tücki&#x017F;ch und herr&#x017F;ch&#x017F;üch-<lb/>
tig von Natur, dem blinden Aberglauben &#x017F;eines Vaterlandes, zu<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Untergang er &#x017F;elb&#x017F;t hülfreiche Hand gelei&#x017F;tet hatte, ganz er-<lb/>
geben, hatte dem Könige die Schändung &#x017F;einer vaterländi&#x017F;chen Hei-<lb/>
ligthümer und den Tod des heiligen Apis&#x017F;tieres nicht verge&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Je mehr &#x017F;ich der König durch &#x017F;eine Grau&#x017F;amkeit verhaßt machte,<lb/>
de&#x017F;to kühner wurden die Plane &#x017F;eines tücki&#x017F;chen Lieblings; Bagoas<lb/>
gewann den Arzt des Königs, ein Gifttrank machte dem Leben des<lb/>
verhaßten Despoten ein Ende; und &#x017F;o groß war die Bosheit des<lb/>
Eunuchen und &#x017F;eine Frechheit, daß er den Leichnam des Großkönigs<lb/>
nicht nach der Sitte der Väter in die Königsgräber von Per&#x017F;epolis<lb/>
bringen, &#x017F;ondern ihn in Stücke zerreißen, und, was den Per&#x017F;ern das<lb/>
Scheußlich&#x017F;te i&#x017F;t, von Katzen auffre&#x017F;&#x017F;en ließ. Das Reich war in<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[30/0044] richteten; ſie traten immer deutlicher hervor, je näher die Grenzen Macedoniens den Perſiſchen Satrapien kamen; Atheniſche Ge- ſandte unterließen nicht, auf die dringende Gefahr aufmerkſam zu machen; jetzt rückte Philipp gegen Perinth und Byzanz; wenn er dieſe Städte wegnahm, ſo ſtand ihm der Uebergang nach Aſien offen. Darum wurden in aller Eile einige Griechiſche Schaaren die im Perſiſchen Solde ſtanden, unter Apollonius nach Perinth geſendet, und ſie waren ſtark genug, in Verbindung mit den By- zantinern die kräftigen Angriffe des Macedoniſchen Königs zurück- zuſchlagen. Jedenfalls waren Mentor und Memnon die Urheber dieſer Maaßregel; an der Spitze der Griechiſchen Söldnerſchaaren im untern Aſien waren ſie die Stütze der Perſiſchen Macht und deren Verfechter, im Falle daß von Europa her irgend eine Gefahr drohen ſollte. Nach dem kurz darauf erfolgten Tode Mentors ging dieſe wichtige Stelle eines Befehlshabers des ſtehenden Heeres für Kleinaſien an Memnon über, und bald genug ſollte er Gelegenheit haben, ſein nicht gewöhnliches Feldherrntalent zu bewähren. Während auf dieſe Weiſe die Satrapien im äußerſten Weſten des Reiches, entweder in ſich ſelbſt von Kämpfen und Inſurrectionen bewegt, oder alle Aufmerkſamkeit auf die Verhältniſſe in Europa gewendet, in immer lebhafteren Verkehr mit Griechenland kamen, herrſchte der König auf ſeiner Hofburg zu Suſa in zügelloſer Wild- heit und Grauſamkeit fort; Alle haßten und fürchteten ihn, der Ein- zige dem er Vertrauen ſchenkte, misbrauchte es. Der Aegyptiſche Eunuch Bagoas, ſein oberſter Kämmerer, tückiſch und herrſchſüch- tig von Natur, dem blinden Aberglauben ſeines Vaterlandes, zu deſſen Untergang er ſelbſt hülfreiche Hand geleiſtet hatte, ganz er- geben, hatte dem Könige die Schändung ſeiner vaterländiſchen Hei- ligthümer und den Tod des heiligen Apisſtieres nicht vergeſſen. Je mehr ſich der König durch ſeine Grauſamkeit verhaßt machte, deſto kühner wurden die Plane ſeines tückiſchen Lieblings; Bagoas gewann den Arzt des Königs, ein Gifttrank machte dem Leben des verhaßten Despoten ein Ende; und ſo groß war die Bosheit des Eunuchen und ſeine Frechheit, daß er den Leichnam des Großkönigs nicht nach der Sitte der Väter in die Königsgräber von Perſepolis bringen, ſondern ihn in Stücke zerreißen, und, was den Perſern das Scheußlichſte iſt, von Katzen auffreſſen ließ. Das Reich war in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/44
Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/44>, abgerufen am 22.11.2024.