zerstört, denen, die sich unterwarfen, verziehen und neue Macht verliehen, endlich in mehreren Kolonien dem Hellenistischen Leben, für das er diese Völker zu gewinnen hoffte, Kraft, Anhalt und Beispiel gegeben hatte, war es an der Zeit, durch ein offenbares und erfreuliches Zeugniß die Versöhnung zu feiern, die allein dem Neuen eine Zukunft sichern konnte. Des Königs Vermählung mit der Baktrianischen Fürstentochter Roxane 79), eben so sehr eine Maaßregel der weisesten Politik, wie das schöne Werk einer Neigung, die dem Herzen des großen Mannes Ehre macht, war zugleich das Vorbild jener vollkommenen Einigung Asiens und Eu- ropas, die Alexander als das Ziel seiner Siege und als die Grund- lage seiner Macht erkannt und in allmähliger Erweiterung durch- zuführen versucht hat.
Fragt man, in wie weit Alexanders großes Werk einer Ver- schmelzung des Abend- und Morgenlandes gelingen konnte und schon gelungen war, so muß man vor Allem auf das Verhältniß der Elemente sehen, die zu einander traten. Es ist die Eigenthümlich- keit des Asiatischen Wesens überhaupt, spröder, einförmiger und beschränkter zu sein; es mußte maaßgebend für die Gestaltung des Neuen werden, die Vorurtheile, die Anschauungsweise, die ganze Eigenthümlichkeit Asiatischer Völker mußte die Richtung bezeichnen, in der sie, nachdem sie einer Europäischen Macht unterworfen wa- ren, sich an diese gewöhnen, an dem Europäischen Wesen allmählig Theil zu nehmen lernen konnten. Darum die Asiatische Hofhal- tung, mit der sich der König umgab, darum seine Medische Tracht, in der er sich gefiel, wenn die Waffen ruhten, darum das Ceremo-
79) Nach Curtius Erzählung ist zu schließen, daß diese Ver- mählung zu dieser Zeit vor der Rückkehr nach Baktra gefeiert ist. Cohortanus heißt bei Curtius der Vater (VIII. 4. 25.), woraus der neueste Herausgeber, ungehörig wie er nicht pflegt, Oxyartes gemacht hat; Wesselings schöne Emendation zum Plutarch (Diod. tom. 8. p. 451.) bestätigt des Curtius vollkommen irriges Cohortanus satrapes, und zeigt, daß dieser Fehler auf alter Ungenauigkeit beruht; nach Strabo wäre die Hochzeit in eben der Burg, wohin Roxane früher geflüchtet war, gefeiert worden, also nach unserer Darstellung in der des Ario- mazes. Alle diese Verwirrungen aufzuklären, ist nicht mehr möglich.
zerſtoͤrt, denen, die ſich unterwarfen, verziehen und neue Macht verliehen, endlich in mehreren Kolonien dem Helleniſtiſchen Leben, fuͤr das er dieſe Voͤlker zu gewinnen hoffte, Kraft, Anhalt und Beiſpiel gegeben hatte, war es an der Zeit, durch ein offenbares und erfreuliches Zeugniß die Verſoͤhnung zu feiern, die allein dem Neuen eine Zukunft ſichern konnte. Des Koͤnigs Vermaͤhlung mit der Baktrianiſchen Fuͤrſtentochter Roxane 79), eben ſo ſehr eine Maaßregel der weiſeſten Politik, wie das ſchoͤne Werk einer Neigung, die dem Herzen des großen Mannes Ehre macht, war zugleich das Vorbild jener vollkommenen Einigung Aſiens und Eu- ropas, die Alexander als das Ziel ſeiner Siege und als die Grund- lage ſeiner Macht erkannt und in allmaͤhliger Erweiterung durch- zufuͤhren verſucht hat.
Fragt man, in wie weit Alexanders großes Werk einer Ver- ſchmelzung des Abend- und Morgenlandes gelingen konnte und ſchon gelungen war, ſo muß man vor Allem auf das Verhaͤltniß der Elemente ſehen, die zu einander traten. Es iſt die Eigenthuͤmlich- keit des Aſiatiſchen Weſens uͤberhaupt, ſproͤder, einfoͤrmiger und beſchraͤnkter zu ſein; es mußte maaßgebend fuͤr die Geſtaltung des Neuen werden, die Vorurtheile, die Anſchauungsweiſe, die ganze Eigenthuͤmlichkeit Aſiatiſcher Voͤlker mußte die Richtung bezeichnen, in der ſie, nachdem ſie einer Europaͤiſchen Macht unterworfen wa- ren, ſich an dieſe gewoͤhnen, an dem Europaͤiſchen Weſen allmaͤhlig Theil zu nehmen lernen konnten. Darum die Aſiatiſche Hofhal- tung, mit der ſich der Koͤnig umgab, darum ſeine Mediſche Tracht, in der er ſich gefiel, wenn die Waffen ruhten, darum das Ceremo-
79) Nach Curtius Erzaͤhlung iſt zu ſchließen, daß dieſe Ver- maͤhlung zu dieſer Zeit vor der Ruͤckkehr nach Baktra gefeiert iſt. Cohortanus heißt bei Curtius der Vater (VIII. 4. 25.), woraus der neueſte Herausgeber, ungehoͤrig wie er nicht pflegt, Oxyartes gemacht hat; Weſſelings ſchoͤne Emendation zum Plutarch (Diod. tom. 8. p. 451.) beſtaͤtigt des Curtius vollkommen irriges Cohortanus satrapes, und zeigt, daß dieſer Fehler auf alter Ungenauigkeit beruht; nach Strabo waͤre die Hochzeit in eben der Burg, wohin Roxane fruͤher gefluͤchtet war, gefeiert worden, alſo nach unſerer Darſtellung in der des Ario- mazes. Alle dieſe Verwirrungen aufzuklaͤren, iſt nicht mehr moͤglich.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0360"n="346"/>
zerſtoͤrt, denen, die ſich unterwarfen, verziehen und neue Macht<lb/>
verliehen, endlich in mehreren Kolonien dem Helleniſtiſchen Leben,<lb/>
fuͤr das er dieſe Voͤlker zu gewinnen hoffte, Kraft, Anhalt und<lb/>
Beiſpiel gegeben hatte, war es an der Zeit, durch ein offenbares<lb/>
und erfreuliches Zeugniß die Verſoͤhnung zu feiern, die allein dem<lb/>
Neuen eine Zukunft ſichern konnte. Des Koͤnigs Vermaͤhlung<lb/>
mit der Baktrianiſchen Fuͤrſtentochter Roxane <noteplace="foot"n="79)">Nach Curtius Erzaͤhlung iſt zu ſchließen, daß dieſe Ver-<lb/>
maͤhlung zu dieſer Zeit vor der Ruͤckkehr nach Baktra gefeiert iſt.<lb/>
Cohortanus heißt bei Curtius der Vater (<hirendition="#aq">VIII.</hi> 4. 25.), woraus der<lb/>
neueſte Herausgeber, ungehoͤrig wie er nicht pflegt, Oxyartes gemacht hat;<lb/>
Weſſelings ſchoͤne Emendation zum Plutarch (<hirendition="#aq">Diod. tom. 8. p.</hi> 451.)<lb/>
beſtaͤtigt des Curtius vollkommen irriges <hirendition="#aq">Cohortanus satrapes,</hi> und<lb/>
zeigt, daß dieſer Fehler auf alter Ungenauigkeit beruht; nach Strabo<lb/>
waͤre die Hochzeit in eben der Burg, wohin Roxane fruͤher gefluͤchtet<lb/>
war, gefeiert worden, alſo nach unſerer Darſtellung in der des Ario-<lb/>
mazes. Alle dieſe Verwirrungen aufzuklaͤren, iſt nicht mehr moͤglich.</note>, eben ſo ſehr<lb/>
eine Maaßregel der weiſeſten Politik, wie das ſchoͤne Werk einer<lb/>
Neigung, die dem Herzen des großen Mannes Ehre macht, war<lb/>
zugleich das Vorbild jener vollkommenen Einigung Aſiens und Eu-<lb/>
ropas, die Alexander als das Ziel ſeiner Siege und als die Grund-<lb/>
lage ſeiner Macht erkannt und in allmaͤhliger Erweiterung durch-<lb/>
zufuͤhren verſucht hat.</p><lb/><p>Fragt man, in wie weit Alexanders großes Werk einer Ver-<lb/>ſchmelzung des Abend- und Morgenlandes gelingen konnte und<lb/>ſchon gelungen war, ſo muß man vor Allem auf das Verhaͤltniß der<lb/>
Elemente ſehen, die zu einander traten. Es iſt die Eigenthuͤmlich-<lb/>
keit des Aſiatiſchen Weſens uͤberhaupt, ſproͤder, einfoͤrmiger und<lb/>
beſchraͤnkter zu ſein; es mußte maaßgebend fuͤr die Geſtaltung des<lb/>
Neuen werden, die Vorurtheile, die Anſchauungsweiſe, die ganze<lb/>
Eigenthuͤmlichkeit Aſiatiſcher Voͤlker mußte die Richtung bezeichnen,<lb/>
in der ſie, nachdem ſie einer Europaͤiſchen Macht unterworfen wa-<lb/>
ren, ſich an dieſe gewoͤhnen, an dem Europaͤiſchen Weſen allmaͤhlig<lb/>
Theil zu nehmen lernen konnten. Darum die Aſiatiſche Hofhal-<lb/>
tung, mit der ſich der Koͤnig umgab, darum ſeine Mediſche Tracht,<lb/>
in der er ſich gefiel, wenn die Waffen ruhten, darum das Ceremo-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[346/0360]
zerſtoͤrt, denen, die ſich unterwarfen, verziehen und neue Macht
verliehen, endlich in mehreren Kolonien dem Helleniſtiſchen Leben,
fuͤr das er dieſe Voͤlker zu gewinnen hoffte, Kraft, Anhalt und
Beiſpiel gegeben hatte, war es an der Zeit, durch ein offenbares
und erfreuliches Zeugniß die Verſoͤhnung zu feiern, die allein dem
Neuen eine Zukunft ſichern konnte. Des Koͤnigs Vermaͤhlung
mit der Baktrianiſchen Fuͤrſtentochter Roxane 79), eben ſo ſehr
eine Maaßregel der weiſeſten Politik, wie das ſchoͤne Werk einer
Neigung, die dem Herzen des großen Mannes Ehre macht, war
zugleich das Vorbild jener vollkommenen Einigung Aſiens und Eu-
ropas, die Alexander als das Ziel ſeiner Siege und als die Grund-
lage ſeiner Macht erkannt und in allmaͤhliger Erweiterung durch-
zufuͤhren verſucht hat.
Fragt man, in wie weit Alexanders großes Werk einer Ver-
ſchmelzung des Abend- und Morgenlandes gelingen konnte und
ſchon gelungen war, ſo muß man vor Allem auf das Verhaͤltniß der
Elemente ſehen, die zu einander traten. Es iſt die Eigenthuͤmlich-
keit des Aſiatiſchen Weſens uͤberhaupt, ſproͤder, einfoͤrmiger und
beſchraͤnkter zu ſein; es mußte maaßgebend fuͤr die Geſtaltung des
Neuen werden, die Vorurtheile, die Anſchauungsweiſe, die ganze
Eigenthuͤmlichkeit Aſiatiſcher Voͤlker mußte die Richtung bezeichnen,
in der ſie, nachdem ſie einer Europaͤiſchen Macht unterworfen wa-
ren, ſich an dieſe gewoͤhnen, an dem Europaͤiſchen Weſen allmaͤhlig
Theil zu nehmen lernen konnten. Darum die Aſiatiſche Hofhal-
tung, mit der ſich der Koͤnig umgab, darum ſeine Mediſche Tracht,
in der er ſich gefiel, wenn die Waffen ruhten, darum das Ceremo-
79) Nach Curtius Erzaͤhlung iſt zu ſchließen, daß dieſe Ver-
maͤhlung zu dieſer Zeit vor der Ruͤckkehr nach Baktra gefeiert iſt.
Cohortanus heißt bei Curtius der Vater (VIII. 4. 25.), woraus der
neueſte Herausgeber, ungehoͤrig wie er nicht pflegt, Oxyartes gemacht hat;
Weſſelings ſchoͤne Emendation zum Plutarch (Diod. tom. 8. p. 451.)
beſtaͤtigt des Curtius vollkommen irriges Cohortanus satrapes, und
zeigt, daß dieſer Fehler auf alter Ungenauigkeit beruht; nach Strabo
waͤre die Hochzeit in eben der Burg, wohin Roxane fruͤher gefluͤchtet
war, gefeiert worden, alſo nach unſerer Darſtellung in der des Ario-
mazes. Alle dieſe Verwirrungen aufzuklaͤren, iſt nicht mehr moͤglich.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/360>, abgerufen am 15.08.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.