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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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wichen war, gab, von der ungeheueren Anstrengung erschöpft, in
Alexanders Armen den Geist auf; der tapfere General Erigyius war
bei dem Sturme gefallen. Nach der Einnahme dieser Burg mußte
sich das flache Land unterwerfen; die Beruhigung der Sogdiana
war vollendet 74).

Spitamenes seinerseits glaubte, bevor ihm von dem rastlosen
Eifer Alexanders das ganze Grenzgebiet gesperrt würde, noch einen
Versuch auf das Sogdianische Land machen zu müssen; während
Alexander an den nordwestlichen Bergen stand, und nur ein Theil
des Heeres unter Könus Führung das untere Gebiet deckte, er-
schien er mit seinen Sogdianern und mit dreitausend Scythischen
Reutern, welche die versprochene Beute lockte, vor Bagä, an der
südwestlichen Grenze Sogdianas. Von diesem Einfall benachrichtigt,
rückte ihm Könus schleunig mit Heeresmacht entgegen; nach einem
blutigen Gefechte wurden die Scythen mit Verlust von achthun-
dert Mann zum Rückzuge gezwungen. Die Sogdianer und Baktri-
aner, die auch den letzten Versuch scheitern sahen, verließen, Data-
phernes an ihrer Spitze, den Spitamenes auf der Flucht und er-
gaben sich an Könus; die Massageten, um die Beute im Sogdia-
nerlande betrogen, plünderten die Zelte und Wagen der Abtrünni-
gen; sie flohen mit Spitamenes der Wüste zu. Da kam die Nach-
richt, Alexander, der eben die Gegend von Naura bewältigt habe,
sei von Norden her in die Wüste vorgedrungen, und somit Flucht
und Rettung unmöglich. Damals, so heißt es, trat die schöne Ge-
mahlin des Spitamenes, die kühne Genossin seiner Pläne und
Wagnisse, in ihres Herren Zelt und flehte ihn fußfällig an, ein

74) Curtius, der über diesen Zug allein Auskunft giebt, hat,
wie eine Vergleichung lehrt, die Belagerungsgeschichte des Chori-
enesfelsens auf diese Nauraburg übertragen; daher der sonderbare
Widerspruch bei ihm, daß Sysimithres capitulirt und seine Trup-
pen dennoch verfolgt werden. Hierher gehört die Erzählung bei Plut.
Alex.
58, Alexander habe den Oxyartes gefragt, ob Sysimithres
sehr tapfer sei, und auf dessen Antwort, daß er der feigste Mensch
von der Welt wäre, geantwortet: so werden wir den Fels leicht er-
obern, da der leicht zu überwinden sein wird, der ihn vertheidigen
sollte. Zugleich beweiset diese Anekdote, daß sich nicht in der Burg
des Sysimithres, wie Strabo meint, Roxane befand.

wichen war, gab, von der ungeheueren Anſtrengung erſchoͤpft, in
Alexanders Armen den Geiſt auf; der tapfere General Erigyius war
bei dem Sturme gefallen. Nach der Einnahme dieſer Burg mußte
ſich das flache Land unterwerfen; die Beruhigung der Sogdiana
war vollendet 74).

Spitamenes ſeinerſeits glaubte, bevor ihm von dem raſtloſen
Eifer Alexanders das ganze Grenzgebiet geſperrt wuͤrde, noch einen
Verſuch auf das Sogdianiſche Land machen zu muͤſſen; waͤhrend
Alexander an den nordweſtlichen Bergen ſtand, und nur ein Theil
des Heeres unter Koͤnus Fuͤhrung das untere Gebiet deckte, er-
ſchien er mit ſeinen Sogdianern und mit dreitauſend Scythiſchen
Reutern, welche die verſprochene Beute lockte, vor Bagaͤ, an der
ſuͤdweſtlichen Grenze Sogdianas. Von dieſem Einfall benachrichtigt,
ruͤckte ihm Koͤnus ſchleunig mit Heeresmacht entgegen; nach einem
blutigen Gefechte wurden die Scythen mit Verluſt von achthun-
dert Mann zum Ruͤckzuge gezwungen. Die Sogdianer und Baktri-
aner, die auch den letzten Verſuch ſcheitern ſahen, verließen, Data-
phernes an ihrer Spitze, den Spitamenes auf der Flucht und er-
gaben ſich an Koͤnus; die Maſſageten, um die Beute im Sogdia-
nerlande betrogen, pluͤnderten die Zelte und Wagen der Abtruͤnni-
gen; ſie flohen mit Spitamenes der Wuͤſte zu. Da kam die Nach-
richt, Alexander, der eben die Gegend von Naura bewaͤltigt habe,
ſei von Norden her in die Wuͤſte vorgedrungen, und ſomit Flucht
und Rettung unmoͤglich. Damals, ſo heißt es, trat die ſchoͤne Ge-
mahlin des Spitamenes, die kuͤhne Genoſſin ſeiner Plaͤne und
Wagniſſe, in ihres Herren Zelt und flehte ihn fußfaͤllig an, ein

74) Curtius, der uͤber dieſen Zug allein Auskunft giebt, hat,
wie eine Vergleichung lehrt, die Belagerungsgeſchichte des Chori-
enesfelſens auf dieſe Nauraburg uͤbertragen; daher der ſonderbare
Widerſpruch bei ihm, daß Syſimithres capitulirt und ſeine Trup-
pen dennoch verfolgt werden. Hierher gehoͤrt die Erzaͤhlung bei Plut.
Alex.
58, Alexander habe den Oxyartes gefragt, ob Syſimithres
ſehr tapfer ſei, und auf deſſen Antwort, daß er der feigſte Menſch
von der Welt waͤre, geantwortet: ſo werden wir den Fels leicht er-
obern, da der leicht zu uͤberwinden ſein wird, der ihn vertheidigen
ſollte. Zugleich beweiſet dieſe Anekdote, daß ſich nicht in der Burg
des Syſimithres, wie Strabo meint, Roxane befand.
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[341/0355] wichen war, gab, von der ungeheueren Anſtrengung erſchoͤpft, in Alexanders Armen den Geiſt auf; der tapfere General Erigyius war bei dem Sturme gefallen. Nach der Einnahme dieſer Burg mußte ſich das flache Land unterwerfen; die Beruhigung der Sogdiana war vollendet 74). Spitamenes ſeinerſeits glaubte, bevor ihm von dem raſtloſen Eifer Alexanders das ganze Grenzgebiet geſperrt wuͤrde, noch einen Verſuch auf das Sogdianiſche Land machen zu muͤſſen; waͤhrend Alexander an den nordweſtlichen Bergen ſtand, und nur ein Theil des Heeres unter Koͤnus Fuͤhrung das untere Gebiet deckte, er- ſchien er mit ſeinen Sogdianern und mit dreitauſend Scythiſchen Reutern, welche die verſprochene Beute lockte, vor Bagaͤ, an der ſuͤdweſtlichen Grenze Sogdianas. Von dieſem Einfall benachrichtigt, ruͤckte ihm Koͤnus ſchleunig mit Heeresmacht entgegen; nach einem blutigen Gefechte wurden die Scythen mit Verluſt von achthun- dert Mann zum Ruͤckzuge gezwungen. Die Sogdianer und Baktri- aner, die auch den letzten Verſuch ſcheitern ſahen, verließen, Data- phernes an ihrer Spitze, den Spitamenes auf der Flucht und er- gaben ſich an Koͤnus; die Maſſageten, um die Beute im Sogdia- nerlande betrogen, pluͤnderten die Zelte und Wagen der Abtruͤnni- gen; ſie flohen mit Spitamenes der Wuͤſte zu. Da kam die Nach- richt, Alexander, der eben die Gegend von Naura bewaͤltigt habe, ſei von Norden her in die Wuͤſte vorgedrungen, und ſomit Flucht und Rettung unmoͤglich. Damals, ſo heißt es, trat die ſchoͤne Ge- mahlin des Spitamenes, die kuͤhne Genoſſin ſeiner Plaͤne und Wagniſſe, in ihres Herren Zelt und flehte ihn fußfaͤllig an, ein 74) Curtius, der uͤber dieſen Zug allein Auskunft giebt, hat, wie eine Vergleichung lehrt, die Belagerungsgeſchichte des Chori- enesfelſens auf dieſe Nauraburg uͤbertragen; daher der ſonderbare Widerſpruch bei ihm, daß Syſimithres capitulirt und ſeine Trup- pen dennoch verfolgt werden. Hierher gehoͤrt die Erzaͤhlung bei Plut. Alex. 58, Alexander habe den Oxyartes gefragt, ob Syſimithres ſehr tapfer ſei, und auf deſſen Antwort, daß er der feigſte Menſch von der Welt waͤre, geantwortet: ſo werden wir den Fels leicht er- obern, da der leicht zu uͤberwinden ſein wird, der ihn vertheidigen ſollte. Zugleich beweiſet dieſe Anekdote, daß ſich nicht in der Burg des Syſimithres, wie Strabo meint, Roxane befand.

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/355>, abgerufen am 28.11.2024.