Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

Bild:
<< vorherige Seite

Alexander unter dem Schmettern der Trompeten über den Fluß
zu gehen begann; die Schützen und Schleuderer, die ersten am jen-
seitigen Ufer, deckten den Uebergang der Reuterei, die zunächst folgte;
sobald diese hinüber war, fingen die Plänkerer und die schweren Grie-
chischen Reuter, im Ganzen etwa zwölfhundert Pferde stark, das Ge-
fecht an; die Scythen, eben so flüchtig zum Rückzug, wie wild im
Angriff, umschwärmten sie bald von allen Seiten, beschossen sie mit
einem Hagel von Pfeilen, und setzten, ohne einem Angriff Stand zu
halten, der weit kleineren Zahl der Macedonier hart zu. Da aber bra-
chen die Schützen und Agrianer mit dem gesammten leichten Fußvolk,
das eben gelandet war, auf den Feind los, bald begann an einzelnen
Punkten ein stehendes Treffen; es zur Entscheidung zu bringen, gab
Alexander den reitenden Schützen und drei Geschwadern der Macedo-
nier den Befehl zum Einhauen; er selbst sprengte an der Spitze der
übrigen Geschwader, die in tiefen Colonnen vorrückten, den Kämpfen-
den in die Flanke, so daß sie jetzt, von allen Seiten beschäftigt, nicht
mehr im Stande, sich zum fliegenden Gefecht zu zerstreuen, an allen
Punkten zurückzujagen begannen; die Macedonier setzten ihnen auf
das Heftigste nach; die wilde Hast, die drückende Hitze, der bren-
nende Durst machte die Verfolgung höchst anstrengend; Alexander
selbst, auf das Aeußerste erschöpft, trank, ohne abzusitzen, von dem
schlechten Wasser, das die Salzsteppe bot; schnell und heftig stellte
sich die Wirkung des unglücklichen Trunkes ein; dennoch jagte er
den Feinden noch über eine Meile weit nach 48); endlich versagten
seine Kräfte, die Verfolgung wurde abgebrochen, der König krank
in das Lager zurückgetragen, die Gefahr, in der sich sein Leben be-
fand, bestätigte nur zu sehr die Zeichen der Götter, wie sie Ari-
stander gedeutet hatte 49); mit seinem Leben stand Alles auf dem
Spiele.

48) Plut. de fort. Alex. II.
49) Curtius erzählt sehr ab-
weichend; seine Erzählung wird schon dadurch verdächtig, daß er
meint, der Seythenkönig habe die Wichtigkeit der neuen Stadt ge-
ahndet (suis impositum esse cervicibus), und darum zu hindern
gesucht. Die berühmte Rede der Scythischen Gesandten paßt wenig
in den historischen Zusammenhang. Wie weit Alexander den Sey-
then nachgesetzt sei, wird verschieden (80, 100, 150 Stad.) angegeben.

Alexander unter dem Schmettern der Trompeten uͤber den Fluß
zu gehen begann; die Schuͤtzen und Schleuderer, die erſten am jen-
ſeitigen Ufer, deckten den Uebergang der Reuterei, die zunaͤchſt folgte;
ſobald dieſe hinuͤber war, fingen die Plaͤnkerer und die ſchweren Grie-
chiſchen Reuter, im Ganzen etwa zwoͤlfhundert Pferde ſtark, das Ge-
fecht an; die Scythen, eben ſo fluͤchtig zum Ruͤckzug, wie wild im
Angriff, umſchwaͤrmten ſie bald von allen Seiten, beſchoſſen ſie mit
einem Hagel von Pfeilen, und ſetzten, ohne einem Angriff Stand zu
halten, der weit kleineren Zahl der Macedonier hart zu. Da aber bra-
chen die Schuͤtzen und Agrianer mit dem geſammten leichten Fußvolk,
das eben gelandet war, auf den Feind los, bald begann an einzelnen
Punkten ein ſtehendes Treffen; es zur Entſcheidung zu bringen, gab
Alexander den reitenden Schuͤtzen und drei Geſchwadern der Macedo-
nier den Befehl zum Einhauen; er ſelbſt ſprengte an der Spitze der
uͤbrigen Geſchwader, die in tiefen Colonnen vorruͤckten, den Kaͤmpfen-
den in die Flanke, ſo daß ſie jetzt, von allen Seiten beſchaͤftigt, nicht
mehr im Stande, ſich zum fliegenden Gefecht zu zerſtreuen, an allen
Punkten zuruͤckzujagen begannen; die Macedonier ſetzten ihnen auf
das Heftigſte nach; die wilde Haſt, die druͤckende Hitze, der bren-
nende Durſt machte die Verfolgung hoͤchſt anſtrengend; Alexander
ſelbſt, auf das Aeußerſte erſchoͤpft, trank, ohne abzuſitzen, von dem
ſchlechten Waſſer, das die Salzſteppe bot; ſchnell und heftig ſtellte
ſich die Wirkung des ungluͤcklichen Trunkes ein; dennoch jagte er
den Feinden noch uͤber eine Meile weit nach 48); endlich verſagten
ſeine Kraͤfte, die Verfolgung wurde abgebrochen, der Koͤnig krank
in das Lager zuruͤckgetragen, die Gefahr, in der ſich ſein Leben be-
fand, beſtaͤtigte nur zu ſehr die Zeichen der Goͤtter, wie ſie Ari-
ſtander gedeutet hatte 49); mit ſeinem Leben ſtand Alles auf dem
Spiele.

48) Plut. de fort. Alex. II.
49) Curtius erzaͤhlt ſehr ab-
weichend; ſeine Erzaͤhlung wird ſchon dadurch verdaͤchtig, daß er
meint, der Seythenkoͤnig habe die Wichtigkeit der neuen Stadt ge-
ahndet (suis impositum esse cervicibus), und darum zu hindern
geſucht. Die beruͤhmte Rede der Scythiſchen Geſandten paßt wenig
in den hiſtoriſchen Zuſammenhang. Wie weit Alexander den Sey-
then nachgeſetzt ſei, wird verſchieden (80, 100, 150 Stad.) angegeben.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0333" n="319"/>
Alexander unter dem Schmettern der Trompeten u&#x0364;ber den Fluß<lb/>
zu gehen begann; die Schu&#x0364;tzen und Schleuderer, die er&#x017F;ten am jen-<lb/>
&#x017F;eitigen Ufer, deckten den Uebergang der Reuterei, die zuna&#x0364;ch&#x017F;t folgte;<lb/>
&#x017F;obald die&#x017F;e hinu&#x0364;ber war, fingen die Pla&#x0364;nkerer und die &#x017F;chweren Grie-<lb/>
chi&#x017F;chen Reuter, im Ganzen etwa zwo&#x0364;lfhundert Pferde &#x017F;tark, das Ge-<lb/>
fecht an; die Scythen, eben &#x017F;o flu&#x0364;chtig zum Ru&#x0364;ckzug, wie wild im<lb/>
Angriff, um&#x017F;chwa&#x0364;rmten &#x017F;ie bald von allen Seiten, be&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie mit<lb/>
einem Hagel von Pfeilen, und &#x017F;etzten, ohne einem Angriff Stand zu<lb/>
halten, der weit kleineren Zahl der Macedonier hart zu. Da aber bra-<lb/>
chen die Schu&#x0364;tzen und Agrianer mit dem ge&#x017F;ammten leichten Fußvolk,<lb/>
das eben gelandet war, auf den Feind los, bald begann an einzelnen<lb/>
Punkten ein &#x017F;tehendes Treffen; es zur Ent&#x017F;cheidung zu bringen, gab<lb/>
Alexander den reitenden Schu&#x0364;tzen und drei Ge&#x017F;chwadern der Macedo-<lb/>
nier den Befehl zum Einhauen; er &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;prengte an der Spitze der<lb/>
u&#x0364;brigen Ge&#x017F;chwader, die in tiefen Colonnen vorru&#x0364;ckten, den Ka&#x0364;mpfen-<lb/>
den in die Flanke, &#x017F;o daß &#x017F;ie jetzt, von allen Seiten be&#x017F;cha&#x0364;ftigt, nicht<lb/>
mehr im Stande, &#x017F;ich zum fliegenden Gefecht zu zer&#x017F;treuen, an allen<lb/>
Punkten zuru&#x0364;ckzujagen begannen; die Macedonier &#x017F;etzten ihnen auf<lb/>
das Heftig&#x017F;te nach; die wilde Ha&#x017F;t, die dru&#x0364;ckende Hitze, der bren-<lb/>
nende Dur&#x017F;t machte die Verfolgung ho&#x0364;ch&#x017F;t an&#x017F;trengend; Alexander<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t, auf das Aeußer&#x017F;te er&#x017F;cho&#x0364;pft, trank, ohne abzu&#x017F;itzen, von dem<lb/>
&#x017F;chlechten Wa&#x017F;&#x017F;er, das die Salz&#x017F;teppe bot; &#x017F;chnell und heftig &#x017F;tellte<lb/>
&#x017F;ich die Wirkung des unglu&#x0364;cklichen Trunkes ein; dennoch jagte er<lb/>
den Feinden noch u&#x0364;ber eine Meile weit nach <note place="foot" n="48)"><hi rendition="#aq">Plut. de fort. Alex. II.</hi></note>; endlich ver&#x017F;agten<lb/>
&#x017F;eine Kra&#x0364;fte, die Verfolgung wurde abgebrochen, der Ko&#x0364;nig krank<lb/>
in das Lager zuru&#x0364;ckgetragen, die Gefahr, in der &#x017F;ich &#x017F;ein Leben be-<lb/>
fand, be&#x017F;ta&#x0364;tigte nur zu &#x017F;ehr die Zeichen der Go&#x0364;tter, wie &#x017F;ie Ari-<lb/>
&#x017F;tander gedeutet hatte <note place="foot" n="49)">Curtius erza&#x0364;hlt &#x017F;ehr ab-<lb/>
weichend; &#x017F;eine Erza&#x0364;hlung wird &#x017F;chon dadurch verda&#x0364;chtig, daß er<lb/>
meint, der Seythenko&#x0364;nig habe die Wichtigkeit der neuen Stadt ge-<lb/>
ahndet (<hi rendition="#aq">suis impositum esse cervicibus</hi>), und darum zu hindern<lb/>
ge&#x017F;ucht. Die beru&#x0364;hmte Rede der Scythi&#x017F;chen Ge&#x017F;andten paßt wenig<lb/>
in den hi&#x017F;tori&#x017F;chen Zu&#x017F;ammenhang. Wie weit Alexander den Sey-<lb/>
then nachge&#x017F;etzt &#x017F;ei, wird ver&#x017F;chieden (80, 100, 150 Stad.) angegeben.</note>; mit &#x017F;einem Leben &#x017F;tand Alles auf dem<lb/>
Spiele.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[319/0333] Alexander unter dem Schmettern der Trompeten uͤber den Fluß zu gehen begann; die Schuͤtzen und Schleuderer, die erſten am jen- ſeitigen Ufer, deckten den Uebergang der Reuterei, die zunaͤchſt folgte; ſobald dieſe hinuͤber war, fingen die Plaͤnkerer und die ſchweren Grie- chiſchen Reuter, im Ganzen etwa zwoͤlfhundert Pferde ſtark, das Ge- fecht an; die Scythen, eben ſo fluͤchtig zum Ruͤckzug, wie wild im Angriff, umſchwaͤrmten ſie bald von allen Seiten, beſchoſſen ſie mit einem Hagel von Pfeilen, und ſetzten, ohne einem Angriff Stand zu halten, der weit kleineren Zahl der Macedonier hart zu. Da aber bra- chen die Schuͤtzen und Agrianer mit dem geſammten leichten Fußvolk, das eben gelandet war, auf den Feind los, bald begann an einzelnen Punkten ein ſtehendes Treffen; es zur Entſcheidung zu bringen, gab Alexander den reitenden Schuͤtzen und drei Geſchwadern der Macedo- nier den Befehl zum Einhauen; er ſelbſt ſprengte an der Spitze der uͤbrigen Geſchwader, die in tiefen Colonnen vorruͤckten, den Kaͤmpfen- den in die Flanke, ſo daß ſie jetzt, von allen Seiten beſchaͤftigt, nicht mehr im Stande, ſich zum fliegenden Gefecht zu zerſtreuen, an allen Punkten zuruͤckzujagen begannen; die Macedonier ſetzten ihnen auf das Heftigſte nach; die wilde Haſt, die druͤckende Hitze, der bren- nende Durſt machte die Verfolgung hoͤchſt anſtrengend; Alexander ſelbſt, auf das Aeußerſte erſchoͤpft, trank, ohne abzuſitzen, von dem ſchlechten Waſſer, das die Salzſteppe bot; ſchnell und heftig ſtellte ſich die Wirkung des ungluͤcklichen Trunkes ein; dennoch jagte er den Feinden noch uͤber eine Meile weit nach 48); endlich verſagten ſeine Kraͤfte, die Verfolgung wurde abgebrochen, der Koͤnig krank in das Lager zuruͤckgetragen, die Gefahr, in der ſich ſein Leben be- fand, beſtaͤtigte nur zu ſehr die Zeichen der Goͤtter, wie ſie Ari- ſtander gedeutet hatte 49); mit ſeinem Leben ſtand Alles auf dem Spiele. 48) Plut. de fort. Alex. II. 49) Curtius erzaͤhlt ſehr ab- weichend; ſeine Erzaͤhlung wird ſchon dadurch verdaͤchtig, daß er meint, der Seythenkoͤnig habe die Wichtigkeit der neuen Stadt ge- ahndet (suis impositum esse cervicibus), und darum zu hindern geſucht. Die beruͤhmte Rede der Scythiſchen Geſandten paßt wenig in den hiſtoriſchen Zuſammenhang. Wie weit Alexander den Sey- then nachgeſetzt ſei, wird verſchieden (80, 100, 150 Stad.) angegeben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/333
Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/333>, abgerufen am 26.11.2024.