Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

Bild:
<< vorherige Seite

Hier ließ Alexander rasten, rückte dann durch die letzte Paß-
gegend, welche die nördlichsten Vorberge bilden, nach Aornos hinein
und von dort über die schönen Fruchtebenen Baktriens nach Bak-
tra, der Hauptstadt des Landes, ohne irgend wo Widerstand zu
finden. Denn Bessus, so lange die Feinde noch fern waren, voll
Zuversicht und in dem Wahne, daß die Gebirge und die Verwüstun-
gen an ihrer Nordseite das Turanische Land schützen würden, hatte
nicht sobald von dem Anrücken Alexanders gehört, als er auch eilends
aus Baktra aufbrach, über den Oxus floh, und, nachdem er die
Fahrzeuge, die ihn über den Strom gesetzt, verbrannt hatte, sich
mit seinem Heere nach Nautaka im Sogdianerlande zurückzog;
denn noch hatte er einige Tausend Sogdianer unter Spitamenes
und Oxyartes bei sich, die Baktrischen Reuter dagegen hatten sich,
sobald sie sahen, daß ihr Land Preis gegeben wurde, von Bessus
getrennt und in ihre Dörfer zerstreut, so daß Alexander mit leichter
Mühe alles Land diesseits des Oxus unterwarf. Zu gleicher Zeit
kam Artabazus und Erigyius aus der Arischen Satrapie zurück,
Satibarzanes war nach kurzem Kampfe besiegt, der tapfere Erigyius
hatte ihn mit eigner Hand getödtet; die Arier hatten die Waffen
sofort gestreckt und sich unterworfen. Alexander sandte den Mace-
donier Stasanor in jene Gegenden, mit dem Befehl, den bisherigen
Satrapen Arsames, der bei dem Aufstande eine zweideutige Rolle
gespielt hatte, zu verhaften, und statt seiner die Statthalterschaft zu
übernehmen. Die reiche Baktrische Satrapie erhielt der greise Arta-
bazus; Aornos, am Nordeingange der Pässe, wurde zum Waffenplatz
ausersehen 30), die Veteranen, die zum Dienst untauglich waren,
und die Thessalischen Freiwilligen, deren Zeit um war, reich beschenkt
in die Heimath entlassen 31).

So
birge sind fast ohne Bewohner und unser Lager war "des Berg-
stroms Bett" während des Tages."
30) Ob diese Stadt den
Namen Alexandria erhalten habe und Alexandreia kata Baktro
des Stephanus bezeichne, oder ob letztere mehr östlich zu suchen sei, wo
die Orientalischen Geographen Iskandereh nennen (Ebn Haukal 224.
Abulfeda bei Reiske
352.), wage ich nicht zu entscheiden.
31) Ar-
rian. Curt. VII.
5. 27.

Hier ließ Alexander raſten, rückte dann durch die letzte Paß-
gegend, welche die nördlichſten Vorberge bilden, nach Aornos hinein
und von dort über die ſchönen Fruchtebenen Baktriens nach Bak-
tra, der Hauptſtadt des Landes, ohne irgend wo Widerſtand zu
finden. Denn Beſſus, ſo lange die Feinde noch fern waren, voll
Zuverſicht und in dem Wahne, daß die Gebirge und die Verwüſtun-
gen an ihrer Nordſeite das Turaniſche Land ſchützen würden, hatte
nicht ſobald von dem Anrücken Alexanders gehört, als er auch eilends
aus Baktra aufbrach, über den Oxus floh, und, nachdem er die
Fahrzeuge, die ihn über den Strom geſetzt, verbrannt hatte, ſich
mit ſeinem Heere nach Nautaka im Sogdianerlande zurückzog;
denn noch hatte er einige Tauſend Sogdianer unter Spitamenes
und Oxyartes bei ſich, die Baktriſchen Reuter dagegen hatten ſich,
ſobald ſie ſahen, daß ihr Land Preis gegeben wurde, von Beſſus
getrennt und in ihre Dörfer zerſtreut, ſo daß Alexander mit leichter
Mühe alles Land dieſſeits des Oxus unterwarf. Zu gleicher Zeit
kam Artabazus und Erigyius aus der Ariſchen Satrapie zurück,
Satibarzanes war nach kurzem Kampfe beſiegt, der tapfere Erigyius
hatte ihn mit eigner Hand getödtet; die Arier hatten die Waffen
ſofort geſtreckt und ſich unterworfen. Alexander ſandte den Mace-
donier Staſanor in jene Gegenden, mit dem Befehl, den bisherigen
Satrapen Arſames, der bei dem Aufſtande eine zweideutige Rolle
geſpielt hatte, zu verhaften, und ſtatt ſeiner die Statthalterſchaft zu
übernehmen. Die reiche Baktriſche Satrapie erhielt der greiſe Arta-
bazus; Aornos, am Nordeingange der Päſſe, wurde zum Waffenplatz
auserſehen 30), die Veteranen, die zum Dienſt untauglich waren,
und die Theſſaliſchen Freiwilligen, deren Zeit um war, reich beſchenkt
in die Heimath entlaſſen 31).

So
birge ſind faſt ohne Bewohner und unſer Lager war „des Berg-
ſtroms Bett“ während des Tages.“
30) Ob dieſe Stadt den
Namen Alexandria erhalten habe und Αλεξανδϱεῖα κατὰ Βακτϱὸ
des Stephanus bezeichne, oder ob letztere mehr öſtlich zu ſuchen ſei, wo
die Orientaliſchen Geographen Iskandereh nennen (Ebn Haukal 224.
Abulfeda bei Reiske
352.), wage ich nicht zu entſcheiden.
31) Ar-
rian. Curt. VII.
5. 27.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0318" n="304"/>
          <p>Hier ließ Alexander ra&#x017F;ten, rückte dann durch die letzte Paß-<lb/>
gegend, welche die nördlich&#x017F;ten Vorberge bilden, nach Aornos hinein<lb/>
und von dort über die &#x017F;chönen Fruchtebenen Baktriens nach Bak-<lb/>
tra, der Haupt&#x017F;tadt des Landes, ohne irgend wo Wider&#x017F;tand zu<lb/>
finden. Denn Be&#x017F;&#x017F;us, &#x017F;o lange die Feinde noch fern waren, voll<lb/>
Zuver&#x017F;icht und in dem Wahne, daß die Gebirge und die Verwü&#x017F;tun-<lb/>
gen an ihrer Nord&#x017F;eite das Turani&#x017F;che Land &#x017F;chützen würden, hatte<lb/>
nicht &#x017F;obald von dem Anrücken Alexanders gehört, als er auch eilends<lb/>
aus Baktra aufbrach, über den Oxus floh, und, nachdem er die<lb/>
Fahrzeuge, die ihn über den Strom ge&#x017F;etzt, verbrannt hatte, &#x017F;ich<lb/>
mit &#x017F;einem Heere nach Nautaka im Sogdianerlande zurückzog;<lb/>
denn noch hatte er einige Tau&#x017F;end Sogdianer unter Spitamenes<lb/>
und Oxyartes bei &#x017F;ich, die Baktri&#x017F;chen Reuter dagegen hatten &#x017F;ich,<lb/>
&#x017F;obald &#x017F;ie &#x017F;ahen, daß ihr Land Preis gegeben wurde, von Be&#x017F;&#x017F;us<lb/>
getrennt und in ihre Dörfer zer&#x017F;treut, &#x017F;o daß Alexander mit leichter<lb/>
Mühe alles Land die&#x017F;&#x017F;eits des Oxus unterwarf. Zu gleicher Zeit<lb/>
kam Artabazus und Erigyius aus der Ari&#x017F;chen Satrapie zurück,<lb/>
Satibarzanes war nach kurzem Kampfe be&#x017F;iegt, der tapfere Erigyius<lb/>
hatte ihn mit eigner Hand getödtet; die Arier hatten die Waffen<lb/>
&#x017F;ofort ge&#x017F;treckt und &#x017F;ich unterworfen. Alexander &#x017F;andte den Mace-<lb/>
donier Sta&#x017F;anor in jene Gegenden, mit dem Befehl, den bisherigen<lb/>
Satrapen Ar&#x017F;ames, der bei dem Auf&#x017F;tande eine zweideutige Rolle<lb/>
ge&#x017F;pielt hatte, zu verhaften, und &#x017F;tatt &#x017F;einer die Statthalter&#x017F;chaft zu<lb/>
übernehmen. Die reiche Baktri&#x017F;che Satrapie erhielt der grei&#x017F;e Arta-<lb/>
bazus; Aornos, am Nordeingange der Pä&#x017F;&#x017F;e, wurde zum Waffenplatz<lb/>
auser&#x017F;ehen <note place="foot" n="30)">Ob die&#x017F;e Stadt den<lb/>
Namen Alexandria erhalten habe und &#x0391;&#x03BB;&#x03B5;&#x03BE;&#x03B1;&#x03BD;&#x03B4;&#x03F1;&#x03B5;&#x1FD6;&#x03B1; &#x03BA;&#x03B1;&#x03C4;&#x1F70; &#x0392;&#x03B1;&#x03BA;&#x03C4;&#x03F1;&#x1F78;<lb/>
des Stephanus bezeichne, oder ob letztere mehr ö&#x017F;tlich zu &#x017F;uchen &#x017F;ei, wo<lb/>
die Orientali&#x017F;chen Geographen Iskandereh nennen (<hi rendition="#aq">Ebn Haukal 224.<lb/>
Abulfeda bei Reiske</hi> 352.), wage ich nicht zu ent&#x017F;cheiden.</note>, die Veteranen, die zum Dien&#x017F;t untauglich waren,<lb/>
und die The&#x017F;&#x017F;ali&#x017F;chen Freiwilligen, deren Zeit um war, reich be&#x017F;chenkt<lb/>
in die Heimath entla&#x017F;&#x017F;en <note place="foot" n="31)"><hi rendition="#aq">Ar-<lb/>
rian. Curt. VII.</hi> 5. 27.</note>.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">So</fw><lb/>
          <note xml:id="note-0318" prev="#note-0317" place="foot" n="29)">birge &#x017F;ind fa&#x017F;t ohne Bewohner und un&#x017F;er Lager war &#x201E;des Berg-<lb/>
&#x017F;troms Bett&#x201C; während des Tages.&#x201C;</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[304/0318] Hier ließ Alexander raſten, rückte dann durch die letzte Paß- gegend, welche die nördlichſten Vorberge bilden, nach Aornos hinein und von dort über die ſchönen Fruchtebenen Baktriens nach Bak- tra, der Hauptſtadt des Landes, ohne irgend wo Widerſtand zu finden. Denn Beſſus, ſo lange die Feinde noch fern waren, voll Zuverſicht und in dem Wahne, daß die Gebirge und die Verwüſtun- gen an ihrer Nordſeite das Turaniſche Land ſchützen würden, hatte nicht ſobald von dem Anrücken Alexanders gehört, als er auch eilends aus Baktra aufbrach, über den Oxus floh, und, nachdem er die Fahrzeuge, die ihn über den Strom geſetzt, verbrannt hatte, ſich mit ſeinem Heere nach Nautaka im Sogdianerlande zurückzog; denn noch hatte er einige Tauſend Sogdianer unter Spitamenes und Oxyartes bei ſich, die Baktriſchen Reuter dagegen hatten ſich, ſobald ſie ſahen, daß ihr Land Preis gegeben wurde, von Beſſus getrennt und in ihre Dörfer zerſtreut, ſo daß Alexander mit leichter Mühe alles Land dieſſeits des Oxus unterwarf. Zu gleicher Zeit kam Artabazus und Erigyius aus der Ariſchen Satrapie zurück, Satibarzanes war nach kurzem Kampfe beſiegt, der tapfere Erigyius hatte ihn mit eigner Hand getödtet; die Arier hatten die Waffen ſofort geſtreckt und ſich unterworfen. Alexander ſandte den Mace- donier Staſanor in jene Gegenden, mit dem Befehl, den bisherigen Satrapen Arſames, der bei dem Aufſtande eine zweideutige Rolle geſpielt hatte, zu verhaften, und ſtatt ſeiner die Statthalterſchaft zu übernehmen. Die reiche Baktriſche Satrapie erhielt der greiſe Arta- bazus; Aornos, am Nordeingange der Päſſe, wurde zum Waffenplatz auserſehen 30), die Veteranen, die zum Dienſt untauglich waren, und die Theſſaliſchen Freiwilligen, deren Zeit um war, reich beſchenkt in die Heimath entlaſſen 31). So 29) 30) Ob dieſe Stadt den Namen Alexandria erhalten habe und Αλεξανδϱεῖα κατὰ Βακτϱὸ des Stephanus bezeichne, oder ob letztere mehr öſtlich zu ſuchen ſei, wo die Orientaliſchen Geographen Iskandereh nennen (Ebn Haukal 224. Abulfeda bei Reiske 352.), wage ich nicht zu entſcheiden. 31) Ar- rian. Curt. VII. 5. 27. 29) birge ſind faſt ohne Bewohner und unſer Lager war „des Berg- ſtroms Bett“ während des Tages.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/318
Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/318>, abgerufen am 20.04.2024.