Aramäischen Tieflande, und seit Darius Hystaspis Zeit der Mittel- punkt des Persischen Reiches; der Besitz dieser Weltstadt war der Preis des Sieges von Gaugamela. Alexander erwartete Wider- stand zu finden; er wußte wie ungeheuer die Mauern der Semira- mis seien, wie ein Netz von Kanälen sie umschließe, wie lange die Stadt des Cyrus und Darius Belagerung ausgehalten hatte; er erfuhr, daß sich Mazäus, der bei Arbela am längsten und glücklichsten das Feld behauptet, nach Babylon geworfen habe; es war zu fürchten, daß sich die Scenen von Halikarnaß und Tyrus wiederholten. Deshalb ließ Alexander, sobald er sich der Stadt nahete, sein Heer schlagfertig vorrücken; aber die Thore öffneten sich, die Babylonier mit Blumenkränzen und reichen Geschenken, die Chaldäer, die Ael- testen der Stadt, die Persischen Beamten an der Spitze, ka- men ihm entgegen; Mazäus übergab die Stadt, die Burg, die Schätze, und der siegreiche König hielt seinen Einzug in Semira- mis Riesenstadt.
Hier wurde den Truppen längere Rast gegeben; es war die erste wahrhaft morgenländische Fürstenstadt, die sie sahen; ungeheuer in ihrem Umfange, voller Bauwerke der staunenswürdigsten Art, die Riesenmauer, die hängenden Gärten der Semiramis, des Be- lus Würfelthurm, an dessen ungeheuerem Bau sich Xerxes wahn- sinnige Wuth über die Salamische Schmach vergebens versucht hatte, dazu die endlose Menschenmenge, die hier aus Arabien und Armenien, aus Persien und Syrien zusammenströmte, dann die überschwengliche Pracht und Lüsternheit des Lebens, der tausendfäl- tige Wechsel der süßesten Wollust und der berechnetesten Genüsse, kurz dieser ganze mährchenhafte Zauber morgenländischer Taumel- lust ward hier zu Babylon den Söhnen des Abendlandes als Preis
Mennis; denn Het, wo gleichfalls Bitumenquellen sind, liegt wohl zu weit, als daß es Alexander in vier Tagen hätte erreichen können". Niebuhr II. p. 349; Strabo XVI. p. 345 bezeichnet den Weg so: erst Arbela, dann die Berge des Sieges, wie sie Alexander nannte (Ka- radjag bis zur Mündung des großen Zab), dann der Uebergang über den Kapros (kleinen Zab), dann die Naphtaquellen (ich glaube die von Kerkuk, s. Ker Porter II. p. 440), dann Sardacä, Darius Hystas- pis Schloß, dann der Cyparissus (Torna), dann der Kapros (?) nahe bei Seleucia (offenbar die Diala, Silla bei Isid. Char.).
Aramäiſchen Tieflande, und ſeit Darius Hyſtaspis Zeit der Mittel- punkt des Perſiſchen Reiches; der Beſitz dieſer Weltſtadt war der Preis des Sieges von Gaugamela. Alexander erwartete Wider- ſtand zu finden; er wußte wie ungeheuer die Mauern der Semira- mis ſeien, wie ein Netz von Kanälen ſie umſchließe, wie lange die Stadt des Cyrus und Darius Belagerung ausgehalten hatte; er erfuhr, daß ſich Mazäus, der bei Arbela am längſten und glücklichſten das Feld behauptet, nach Babylon geworfen habe; es war zu fürchten, daß ſich die Scenen von Halikarnaß und Tyrus wiederholten. Deshalb ließ Alexander, ſobald er ſich der Stadt nahete, ſein Heer ſchlagfertig vorrücken; aber die Thore öffneten ſich, die Babylonier mit Blumenkränzen und reichen Geſchenken, die Chaldäer, die Ael- teſten der Stadt, die Perſiſchen Beamten an der Spitze, ka- men ihm entgegen; Mazäus übergab die Stadt, die Burg, die Schätze, und der ſiegreiche König hielt ſeinen Einzug in Semira- mis Rieſenſtadt.
Hier wurde den Truppen längere Raſt gegeben; es war die erſte wahrhaft morgenländiſche Fürſtenſtadt, die ſie ſahen; ungeheuer in ihrem Umfange, voller Bauwerke der ſtaunenswürdigſten Art, die Rieſenmauer, die hängenden Gärten der Semiramis, des Be- lus Würfelthurm, an deſſen ungeheuerem Bau ſich Xerxes wahn- ſinnige Wuth über die Salamiſche Schmach vergebens verſucht hatte, dazu die endloſe Menſchenmenge, die hier aus Arabien und Armenien, aus Perſien und Syrien zuſammenſtrömte, dann die überſchwengliche Pracht und Lüſternheit des Lebens, der tauſendfäl- tige Wechſel der ſüßeſten Wolluſt und der berechneteſten Genüſſe, kurz dieſer ganze mährchenhafte Zauber morgenländiſcher Taumel- luſt ward hier zu Babylon den Söhnen des Abendlandes als Preis
Mennis; denn Hêt, wo gleichfalls Bitumenquellen ſind, liegt wohl zu weit, als daß es Alexander in vier Tagen hätte erreichen können“. Niebuhr II. p. 349; Strabo XVI. p. 345 bezeichnet den Weg ſo: erſt Arbela, dann die Berge des Sieges, wie ſie Alexander nannte (Ka- radjag bis zur Mündung des großen Zab), dann der Uebergang über den Kapros (kleinen Zab), dann die Naphtaquellen (ich glaube die von Kerkuk, ſ. Ker Porter II. p. 440), dann Sardacä, Darius Hyſtas- pis Schloß, dann der Cypariſſus (Torna), dann der Kapros (?) nahe bei Seleucia (offenbar die Diala, Silla bei Isid. Char.).
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Aramäiſchen Tieflande, und ſeit Darius Hyſtaspis Zeit der Mittel-
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Preis des Sieges von Gaugamela. Alexander erwartete Wider-
ſtand zu finden; er wußte wie ungeheuer die Mauern der Semira-
mis ſeien, wie ein Netz von Kanälen ſie umſchließe, wie lange die
Stadt des Cyrus und Darius Belagerung ausgehalten hatte; er erfuhr,
daß ſich Mazäus, der bei Arbela am längſten und glücklichſten das
Feld behauptet, nach Babylon geworfen habe; es war zu fürchten,
daß ſich die Scenen von Halikarnaß und Tyrus wiederholten.
Deshalb ließ Alexander, ſobald er ſich der Stadt nahete, ſein Heer
ſchlagfertig vorrücken; aber die Thore öffneten ſich, die Babylonier
mit Blumenkränzen und reichen Geſchenken, die Chaldäer, die Ael-
teſten der Stadt, die Perſiſchen Beamten an der Spitze, ka-
men ihm entgegen; Mazäus übergab die Stadt, die Burg, die
Schätze, und der ſiegreiche König hielt ſeinen Einzug in Semira-
mis Rieſenſtadt.
Hier wurde den Truppen längere Raſt gegeben; es war die
erſte wahrhaft morgenländiſche Fürſtenſtadt, die ſie ſahen; ungeheuer
in ihrem Umfange, voller Bauwerke der ſtaunenswürdigſten Art,
die Rieſenmauer, die hängenden Gärten der Semiramis, des Be-
lus Würfelthurm, an deſſen ungeheuerem Bau ſich Xerxes wahn-
ſinnige Wuth über die Salamiſche Schmach vergebens verſucht
hatte, dazu die endloſe Menſchenmenge, die hier aus Arabien und
Armenien, aus Perſien und Syrien zuſammenſtrömte, dann die
überſchwengliche Pracht und Lüſternheit des Lebens, der tauſendfäl-
tige Wechſel der ſüßeſten Wolluſt und der berechneteſten Genüſſe,
kurz dieſer ganze mährchenhafte Zauber morgenländiſcher Taumel-
luſt ward hier zu Babylon den Söhnen des Abendlandes als Preis
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33) Mennis; denn Hêt, wo gleichfalls Bitumenquellen ſind, liegt wohl zu
weit, als daß es Alexander in vier Tagen hätte erreichen können“.
Niebuhr II. p. 349; Strabo XVI. p. 345 bezeichnet den Weg ſo: erſt
Arbela, dann die Berge des Sieges, wie ſie Alexander nannte (Ka-
radjag bis zur Mündung des großen Zab), dann der Uebergang über
den Kapros (kleinen Zab), dann die Naphtaquellen (ich glaube die
von Kerkuk, ſ. Ker Porter II. p. 440), dann Sardacä, Darius Hyſtas-
pis Schloß, dann der Cypariſſus (Torna), dann der Kapros (?)
nahe bei Seleucia (offenbar die Diala, Silla bei Isid. Char.).
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/247>, abgerufen am 15.08.2024.
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