Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

Bild:
<< vorherige Seite

schwader des Macedonischen Flügels stürzten sich von rechts her
auf die verwirrten Haufen und vollendeten an dieser Seite den
Sieg.

Indeß hatten dem heftigen Vorrücken Alexanders die schweren
Phalangen so wenig folgen können, daß sich eine bedeutende Lücke
in der Macedonischen Fronte bildete; der Eifer des Angriffs, durch
die steilen Ufer gehemmt und vermehrt, löste die Reihen immer
mehr; mit der Unordnung wuchs der Eifer, sie zu vermeiden, und
die Gefahr, sie zu vergrößern; und als Alexander schon in dem
Centrum der Feinde wüthete und ihr linker Flügel wankte, stürzten
sich die Griechischen Söldner mit der größten Wuth in die Lücken
der Phalanx, der sie sich an Muth, Waffen und Kriegskunst gewach-
sen wußten; jetzt galt es, den schon verlorenen Sieg wieder zu ge-
winnen; gelang es, die Macedonier wieder hinter die steilen Ufer
zurückzudrängen, so war Alexander in der Flanke gefährdet und so
gut wie verloren; dasselbe feuerte die Phalangen zu doppelter
Tapferkeit an; wichen sie jetzt, so hatten sie den Sieg, den Alexan-
der schon gewonnen, Preis gegeben. Den Kampf des gleichen Mu-
thes und der gleichen Kräfte machte der alte Haß zwischen Grie-
chen und Macedoniern noch blutiger; man wüthete doppelt, weil der
Feind des Feindes Fluch und Todesseufzer verstand. Schon lagen
hundertundzwanzig Macedonier, unter ihnen der Phalangenführer
Ptolemäus, erschlagen, und noch währte das unentschiedene Ge-
metzel. -- So schwankte die Schlacht hier, die sich in der Nähe
des Gestades bereits für die Perser zu entscheiden schien; denn die
Persischen Reuter waren über den Pinarus gesetzt und hatten sich
mit solchem Ungestüm auf die Thessalischen Reuter geworfen, daß
eines der Geschwader ganz zersprengt wurde, und die anderen sich
nur durch die Geschicklichkeit ihrer raschen Pferde, indem sie sich
auf anderen und anderen Punkten stets von Neuem in die Persi-
schen Schwadronen warfen, zu behaupten vermochten; es war nicht
möglich, daß sie auf die Dauer der Uebermacht und der ungeheue-
ren Wuth der Persischen Reuter widerstanden. -- Da gerade be-
gann der linke Flügel vor dem Schwerte Alexanders zu weichen,
und Darius statt in der Schlacht und bei seinen Getreuen, sein
Heil in der Flucht zu suchen. Alexander sah seine Phalangen
in Gefahr und eilte, sie zu retten, ehe er den flüchtigen König wei-

ſchwader des Macedoniſchen Flügels ſtürzten ſich von rechts her
auf die verwirrten Haufen und vollendeten an dieſer Seite den
Sieg.

Indeß hatten dem heftigen Vorrücken Alexanders die ſchweren
Phalangen ſo wenig folgen können, daß ſich eine bedeutende Lücke
in der Macedoniſchen Fronte bildete; der Eifer des Angriffs, durch
die ſteilen Ufer gehemmt und vermehrt, löſte die Reihen immer
mehr; mit der Unordnung wuchs der Eifer, ſie zu vermeiden, und
die Gefahr, ſie zu vergrößern; und als Alexander ſchon in dem
Centrum der Feinde wüthete und ihr linker Flügel wankte, ſtürzten
ſich die Griechiſchen Söldner mit der größten Wuth in die Lücken
der Phalanx, der ſie ſich an Muth, Waffen und Kriegskunſt gewach-
ſen wußten; jetzt galt es, den ſchon verlorenen Sieg wieder zu ge-
winnen; gelang es, die Macedonier wieder hinter die ſteilen Ufer
zurückzudrängen, ſo war Alexander in der Flanke gefährdet und ſo
gut wie verloren; daſſelbe feuerte die Phalangen zu doppelter
Tapferkeit an; wichen ſie jetzt, ſo hatten ſie den Sieg, den Alexan-
der ſchon gewonnen, Preis gegeben. Den Kampf des gleichen Mu-
thes und der gleichen Kräfte machte der alte Haß zwiſchen Grie-
chen und Macedoniern noch blutiger; man wüthete doppelt, weil der
Feind des Feindes Fluch und Todesſeufzer verſtand. Schon lagen
hundertundzwanzig Macedonier, unter ihnen der Phalangenführer
Ptolemäus, erſchlagen, und noch währte das unentſchiedene Ge-
metzel. — So ſchwankte die Schlacht hier, die ſich in der Nähe
des Geſtades bereits für die Perſer zu entſcheiden ſchien; denn die
Perſiſchen Reuter waren über den Pinarus geſetzt und hatten ſich
mit ſolchem Ungeſtüm auf die Theſſaliſchen Reuter geworfen, daß
eines der Geſchwader ganz zerſprengt wurde, und die anderen ſich
nur durch die Geſchicklichkeit ihrer raſchen Pferde, indem ſie ſich
auf anderen und anderen Punkten ſtets von Neuem in die Perſi-
ſchen Schwadronen warfen, zu behaupten vermochten; es war nicht
möglich, daß ſie auf die Dauer der Uebermacht und der ungeheue-
ren Wuth der Perſiſchen Reuter widerſtanden. — Da gerade be-
gann der linke Flügel vor dem Schwerte Alexanders zu weichen,
und Darius ſtatt in der Schlacht und bei ſeinen Getreuen, ſein
Heil in der Flucht zu ſuchen. Alexander ſah ſeine Phalangen
in Gefahr und eilte, ſie zu retten, ehe er den flüchtigen König wei-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0183" n="169"/>
&#x017F;chwader des Macedoni&#x017F;chen Flügels &#x017F;türzten &#x017F;ich von rechts her<lb/>
auf die verwirrten Haufen und vollendeten an die&#x017F;er Seite den<lb/>
Sieg.</p><lb/>
          <p>Indeß hatten dem heftigen Vorrücken Alexanders die &#x017F;chweren<lb/>
Phalangen &#x017F;o wenig folgen können, daß &#x017F;ich eine bedeutende Lücke<lb/>
in der Macedoni&#x017F;chen Fronte bildete; der Eifer des Angriffs, durch<lb/>
die &#x017F;teilen Ufer gehemmt und vermehrt, lö&#x017F;te die Reihen immer<lb/>
mehr; mit der Unordnung wuchs der Eifer, &#x017F;ie zu vermeiden, und<lb/>
die Gefahr, &#x017F;ie zu vergrößern; und als Alexander &#x017F;chon in dem<lb/>
Centrum der Feinde wüthete und ihr linker Flügel wankte, &#x017F;türzten<lb/>
&#x017F;ich die Griechi&#x017F;chen Söldner mit der größten Wuth in die Lücken<lb/>
der Phalanx, der &#x017F;ie &#x017F;ich an Muth, Waffen und Kriegskun&#x017F;t gewach-<lb/>
&#x017F;en wußten; jetzt galt es, den &#x017F;chon verlorenen Sieg wieder zu ge-<lb/>
winnen; gelang es, die Macedonier wieder hinter die &#x017F;teilen Ufer<lb/>
zurückzudrängen, &#x017F;o war Alexander in der Flanke gefährdet und &#x017F;o<lb/>
gut wie verloren; da&#x017F;&#x017F;elbe feuerte die Phalangen zu doppelter<lb/>
Tapferkeit an; wichen &#x017F;ie jetzt, &#x017F;o hatten &#x017F;ie den Sieg, den Alexan-<lb/>
der &#x017F;chon gewonnen, Preis gegeben. Den Kampf des gleichen Mu-<lb/>
thes und der gleichen Kräfte machte der alte Haß zwi&#x017F;chen Grie-<lb/>
chen und Macedoniern noch blutiger; man wüthete doppelt, weil der<lb/>
Feind des Feindes Fluch und Todes&#x017F;eufzer ver&#x017F;tand. Schon lagen<lb/>
hundertundzwanzig Macedonier, unter ihnen der Phalangenführer<lb/>
Ptolemäus, er&#x017F;chlagen, und noch währte das unent&#x017F;chiedene Ge-<lb/>
metzel. &#x2014; So &#x017F;chwankte die Schlacht hier, die &#x017F;ich in der Nähe<lb/>
des Ge&#x017F;tades bereits für die Per&#x017F;er zu ent&#x017F;cheiden &#x017F;chien; denn die<lb/>
Per&#x017F;i&#x017F;chen Reuter waren über den Pinarus ge&#x017F;etzt und hatten &#x017F;ich<lb/>
mit &#x017F;olchem Unge&#x017F;tüm auf die The&#x017F;&#x017F;ali&#x017F;chen Reuter geworfen, daß<lb/>
eines der Ge&#x017F;chwader ganz zer&#x017F;prengt wurde, und die anderen &#x017F;ich<lb/>
nur durch die Ge&#x017F;chicklichkeit ihrer ra&#x017F;chen Pferde, indem &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
auf anderen und anderen Punkten &#x017F;tets von Neuem in die Per&#x017F;i-<lb/>
&#x017F;chen Schwadronen warfen, zu behaupten vermochten; es war nicht<lb/>
möglich, daß &#x017F;ie auf die Dauer der Uebermacht und der ungeheue-<lb/>
ren Wuth der Per&#x017F;i&#x017F;chen Reuter wider&#x017F;tanden. &#x2014; Da gerade be-<lb/>
gann der linke Flügel vor dem Schwerte Alexanders zu weichen,<lb/>
und Darius &#x017F;tatt in der Schlacht und bei &#x017F;einen Getreuen, &#x017F;ein<lb/>
Heil in der Flucht zu &#x017F;uchen. Alexander &#x017F;ah &#x017F;eine Phalangen<lb/>
in Gefahr und eilte, &#x017F;ie zu retten, ehe er den flüchtigen König wei-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[169/0183] ſchwader des Macedoniſchen Flügels ſtürzten ſich von rechts her auf die verwirrten Haufen und vollendeten an dieſer Seite den Sieg. Indeß hatten dem heftigen Vorrücken Alexanders die ſchweren Phalangen ſo wenig folgen können, daß ſich eine bedeutende Lücke in der Macedoniſchen Fronte bildete; der Eifer des Angriffs, durch die ſteilen Ufer gehemmt und vermehrt, löſte die Reihen immer mehr; mit der Unordnung wuchs der Eifer, ſie zu vermeiden, und die Gefahr, ſie zu vergrößern; und als Alexander ſchon in dem Centrum der Feinde wüthete und ihr linker Flügel wankte, ſtürzten ſich die Griechiſchen Söldner mit der größten Wuth in die Lücken der Phalanx, der ſie ſich an Muth, Waffen und Kriegskunſt gewach- ſen wußten; jetzt galt es, den ſchon verlorenen Sieg wieder zu ge- winnen; gelang es, die Macedonier wieder hinter die ſteilen Ufer zurückzudrängen, ſo war Alexander in der Flanke gefährdet und ſo gut wie verloren; daſſelbe feuerte die Phalangen zu doppelter Tapferkeit an; wichen ſie jetzt, ſo hatten ſie den Sieg, den Alexan- der ſchon gewonnen, Preis gegeben. Den Kampf des gleichen Mu- thes und der gleichen Kräfte machte der alte Haß zwiſchen Grie- chen und Macedoniern noch blutiger; man wüthete doppelt, weil der Feind des Feindes Fluch und Todesſeufzer verſtand. Schon lagen hundertundzwanzig Macedonier, unter ihnen der Phalangenführer Ptolemäus, erſchlagen, und noch währte das unentſchiedene Ge- metzel. — So ſchwankte die Schlacht hier, die ſich in der Nähe des Geſtades bereits für die Perſer zu entſcheiden ſchien; denn die Perſiſchen Reuter waren über den Pinarus geſetzt und hatten ſich mit ſolchem Ungeſtüm auf die Theſſaliſchen Reuter geworfen, daß eines der Geſchwader ganz zerſprengt wurde, und die anderen ſich nur durch die Geſchicklichkeit ihrer raſchen Pferde, indem ſie ſich auf anderen und anderen Punkten ſtets von Neuem in die Perſi- ſchen Schwadronen warfen, zu behaupten vermochten; es war nicht möglich, daß ſie auf die Dauer der Uebermacht und der ungeheue- ren Wuth der Perſiſchen Reuter widerſtanden. — Da gerade be- gann der linke Flügel vor dem Schwerte Alexanders zu weichen, und Darius ſtatt in der Schlacht und bei ſeinen Getreuen, ſein Heil in der Flucht zu ſuchen. Alexander ſah ſeine Phalangen in Gefahr und eilte, ſie zu retten, ehe er den flüchtigen König wei-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/183
Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/183>, abgerufen am 22.11.2024.