nen Flucht hatten schnell die in der Stadt Zurückgebliebenen die Thore schließen lassen, damit nicht mit den Fliehenden zugleich die Macedonier den Eingang erzwängen; vor den Thoren drängten sich nun große Haufen unglücklicher Flüchtlinge zusammen, die, ohne Waffen, ohne Muth und Rettung, den Macedoniern preisgegeben, sämmtlich niedergemetzelt wurden. Mit Entsetzen sahen es die Be- lagerten, daß die Macedonier, von so großen Erfolgen angefeuert und von der hereinbrechenden Nacht begünstigt, im Begriff standen, die Thore zu erbrechen, in die Stadt selbst einzudringen; da ertönten durch die Dunkelheit hin die Trompeten des Lagers, sie riefen zum Abzuge. Alexander wünschte noch immer die Stadt zu retten; er hoffte, daß nach diesem Tage, der ihm nur vierzig Todte, dem Feinde dagegen an tausend gekostet und deutlich genug gezeigt hatte, daß einem neuen Angriff wohl der Fall der Stadt folgen dürfte, von Seiten der Belagerten Anträge gemacht werden würden, die er nur erwar- tete, um diesem unnatürlichen Kampf von Griechen gegen Griechen ein Ende zu machen.
In Halikarnaß beriethen die beiden Befehlshaber, Memnon und Orontobates, welche Maaßregeln zu ergreifen seien; es entging ihnen nicht, daß sie unter den jetzigen Umständen, da bereits ein Theil der Mauer eingestürzt, ein anderer dem Einsturz nahe, und die Besatzung durch viele Todte und Verwundete außerordentlich geschwächt war, die Belagerung nicht länger würden aushalten kön- nen; und wozu sollten sie die Stadt halten, da doch das Land be- reits verloren war; der Hafen, den zu behaupten für die Flotte von Wichtigkeit war, konnte durch Besetzung der Burg von Ha- likarnaß und durch die Behauptung der am Meerbusen von Do- ris belegenen festen Plätze genugsam gesichert werden; sie beschlossen, die Stadt Preis zu geben. Es war um Mitternacht, als die Ma- cedonischen Feldwachen über den Mauern der Stadt eine Feuers- brunst emporlodern sahen; Flüchtende, die aus der brennenden Stadt sich ins Feld zu den Macedonischen Vorposten retteten, berichteten, daß der große Thurm, der gegen die Macedonischen Maschinen er- richtet war, und die Waffenmagazine und die Stadtviertel zunächst an den Mauern brennten; man sah, wie ein heftiger Wind die Feuersbrunst in die Stadt hineintrieb; man erfuhr, daß das Um- sichgreifen der Flamme von denen in der Stadt auf alle Weise ge-
nen Flucht hatten ſchnell die in der Stadt Zurückgebliebenen die Thore ſchließen laſſen, damit nicht mit den Fliehenden zugleich die Macedonier den Eingang erzwängen; vor den Thoren drängten ſich nun große Haufen unglücklicher Flüchtlinge zuſammen, die, ohne Waffen, ohne Muth und Rettung, den Macedoniern preisgegeben, ſämmtlich niedergemetzelt wurden. Mit Entſetzen ſahen es die Be- lagerten, daß die Macedonier, von ſo großen Erfolgen angefeuert und von der hereinbrechenden Nacht begünſtigt, im Begriff ſtanden, die Thore zu erbrechen, in die Stadt ſelbſt einzudringen; da ertönten durch die Dunkelheit hin die Trompeten des Lagers, ſie riefen zum Abzuge. Alexander wünſchte noch immer die Stadt zu retten; er hoffte, daß nach dieſem Tage, der ihm nur vierzig Todte, dem Feinde dagegen an tauſend gekoſtet und deutlich genug gezeigt hatte, daß einem neuen Angriff wohl der Fall der Stadt folgen dürfte, von Seiten der Belagerten Anträge gemacht werden würden, die er nur erwar- tete, um dieſem unnatürlichen Kampf von Griechen gegen Griechen ein Ende zu machen.
In Halikarnaß beriethen die beiden Befehlshaber, Memnon und Orontobates, welche Maaßregeln zu ergreifen ſeien; es entging ihnen nicht, daß ſie unter den jetzigen Umſtänden, da bereits ein Theil der Mauer eingeſtürzt, ein anderer dem Einſturz nahe, und die Beſatzung durch viele Todte und Verwundete außerordentlich geſchwächt war, die Belagerung nicht länger würden aushalten kön- nen; und wozu ſollten ſie die Stadt halten, da doch das Land be- reits verloren war; der Hafen, den zu behaupten für die Flotte von Wichtigkeit war, konnte durch Beſetzung der Burg von Ha- likarnaß und durch die Behauptung der am Meerbuſen von Do- ris belegenen feſten Plätze genugſam geſichert werden; ſie beſchloſſen, die Stadt Preis zu geben. Es war um Mitternacht, als die Ma- cedoniſchen Feldwachen über den Mauern der Stadt eine Feuers- brunſt emporlodern ſahen; Flüchtende, die aus der brennenden Stadt ſich ins Feld zu den Macedoniſchen Vorpoſten retteten, berichteten, daß der große Thurm, der gegen die Macedoniſchen Maſchinen er- richtet war, und die Waffenmagazine und die Stadtviertel zunächſt an den Mauern brennten; man ſah, wie ein heftiger Wind die Feuersbrunſt in die Stadt hineintrieb; man erfuhr, daß das Um- ſichgreifen der Flamme von denen in der Stadt auf alle Weiſe ge-
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nen Flucht hatten ſchnell die in der Stadt Zurückgebliebenen die
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Macedonier den Eingang erzwängen; vor den Thoren drängten ſich
nun große Haufen unglücklicher Flüchtlinge zuſammen, die, ohne
Waffen, ohne Muth und Rettung, den Macedoniern preisgegeben,
ſämmtlich niedergemetzelt wurden. Mit Entſetzen ſahen es die Be-
lagerten, daß die Macedonier, von ſo großen Erfolgen angefeuert
und von der hereinbrechenden Nacht begünſtigt, im Begriff ſtanden, die
Thore zu erbrechen, in die Stadt ſelbſt einzudringen; da ertönten durch
die Dunkelheit hin die Trompeten des Lagers, ſie riefen zum Abzuge.
Alexander wünſchte noch immer die Stadt zu retten; er hoffte, daß
nach dieſem Tage, der ihm nur vierzig Todte, dem Feinde dagegen
an tauſend gekoſtet und deutlich genug gezeigt hatte, daß einem
neuen Angriff wohl der Fall der Stadt folgen dürfte, von Seiten
der Belagerten Anträge gemacht werden würden, die er nur erwar-
tete, um dieſem unnatürlichen Kampf von Griechen gegen Griechen
ein Ende zu machen.
In Halikarnaß beriethen die beiden Befehlshaber, Memnon
und Orontobates, welche Maaßregeln zu ergreifen ſeien; es entging
ihnen nicht, daß ſie unter den jetzigen Umſtänden, da bereits ein
Theil der Mauer eingeſtürzt, ein anderer dem Einſturz nahe, und
die Beſatzung durch viele Todte und Verwundete außerordentlich
geſchwächt war, die Belagerung nicht länger würden aushalten kön-
nen; und wozu ſollten ſie die Stadt halten, da doch das Land be-
reits verloren war; der Hafen, den zu behaupten für die Flotte
von Wichtigkeit war, konnte durch Beſetzung der Burg von Ha-
likarnaß und durch die Behauptung der am Meerbuſen von Do-
ris belegenen feſten Plätze genugſam geſichert werden; ſie beſchloſſen,
die Stadt Preis zu geben. Es war um Mitternacht, als die Ma-
cedoniſchen Feldwachen über den Mauern der Stadt eine Feuers-
brunſt emporlodern ſahen; Flüchtende, die aus der brennenden Stadt
ſich ins Feld zu den Macedoniſchen Vorpoſten retteten, berichteten,
daß der große Thurm, der gegen die Macedoniſchen Maſchinen er-
richtet war, und die Waffenmagazine und die Stadtviertel zunächſt
an den Mauern brennten; man ſah, wie ein heftiger Wind die
Feuersbrunſt in die Stadt hineintrieb; man erfuhr, daß das Um-
ſichgreifen der Flamme von denen in der Stadt auf alle Weiſe ge-
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/147>, abgerufen am 16.02.2025.
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