Generales Amyntas, nach der Ermordung des Königs Philipp als einer der Verschworenen zum Tode verurtheilt, nach Asien geflohen war und im Persischen Heere Dienste genommen hatte. Macedo- nischer Seits waren nur zehn Todte, aber dreihundert Verwundete, da man bei der Dunkelheit der Nacht sich nicht so vorsichtig hatte vertheidigen können.
Die Maschinen begannen zu arbeiten, bald lagen zwei Thürme und die dazwischen liegende Mauer, auf der nordöstlichen Seite der Stadt, in Schutt; ein dritter Thurm war stark beschädigt, so daß eine Untergrabung ihn leicht zum Sturz bringen mußte; vielleicht hätte Alexander schon jetzt die Stadt mit Sturm nehmen können, wenn er nicht seine Soldaten so viel als möglich hätte schonen wol- len. Da saßen eines Nachmittags zwei Macedonier aus der Phalanx Perdikkas unter ihrem Zelt beim Wein, und sprachen gegen einander groß von sich und ihren Thaten, sie schwuren ganz Halikarnaß auf ihre Lanzenspitze zu nehmen, und die Persischen Memmen in der Stadt dazu; sie nahmen Schild und Speer und rückten selbander gegen die Mauern der Stadt, sie schwangen ihre Waffen und schrieen nach den Zinnen hinauf; das nun sahen und hörten die auf der Mauer, und machten gegen die zween Männer einen Aus- fall; diese aber wichen nicht vom Platz, wer ihnen zu nahe kam, wurde niedergemacht, und war zurückwich, ausgelacht; aber die Zahl der Feinde mehrte sich mit jedem Augenblick, und die zwei Män- ner, die überdies tiefer standen, erlagen fast dem Andrange der Mehrzahl. Indeß hatten ihre Kameraden im Lager diesen sonder- baren Sturmlauf mit angesehen, und eilten jetzt, da die Gefahr wuchs, zu ihrer Hülfe herbei; auch aus der Stadt mehrte sich der Zulauf, und es entspann sich ein hartnäckiger Kampf unter den Mauern; bald waren die Macedonier im Vortheil, warfen den Feind in die Thore zurück, und da die Mauern im Ganzen von Verthei- gern entblößt und an einer Stelle bereits eingestürzt waren, so schien nichts als der Befehl des Königs zum allgemeinen Angriff zu fehlen, um die Stadt einzunehmen. Alexander gab ihn nicht; es war bereits hinter jener Bresche eine neue Mauer mit einsprin- gendem Winkel erbaut worden, so daß ein Sturm nicht ohne gro- ßes Blutvergießen hätte bewerkstelligt werden können.
Sofort ließ Alexander seine Maschinen gegen diesen Theil der
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Generales Amyntas, nach der Ermordung des Königs Philipp als einer der Verſchworenen zum Tode verurtheilt, nach Aſien geflohen war und im Perſiſchen Heere Dienſte genommen hatte. Macedo- niſcher Seits waren nur zehn Todte, aber dreihundert Verwundete, da man bei der Dunkelheit der Nacht ſich nicht ſo vorſichtig hatte vertheidigen können.
Die Maſchinen begannen zu arbeiten, bald lagen zwei Thürme und die dazwiſchen liegende Mauer, auf der nordöſtlichen Seite der Stadt, in Schutt; ein dritter Thurm war ſtark beſchädigt, ſo daß eine Untergrabung ihn leicht zum Sturz bringen mußte; vielleicht hätte Alexander ſchon jetzt die Stadt mit Sturm nehmen können, wenn er nicht ſeine Soldaten ſo viel als möglich hätte ſchonen wol- len. Da ſaßen eines Nachmittags zwei Macedonier aus der Phalanx Perdikkas unter ihrem Zelt beim Wein, und ſprachen gegen einander groß von ſich und ihren Thaten, ſie ſchwuren ganz Halikarnaß auf ihre Lanzenſpitze zu nehmen, und die Perſiſchen Memmen in der Stadt dazu; ſie nahmen Schild und Speer und rückten ſelbander gegen die Mauern der Stadt, ſie ſchwangen ihre Waffen und ſchrieen nach den Zinnen hinauf; das nun ſahen und hörten die auf der Mauer, und machten gegen die zween Männer einen Aus- fall; dieſe aber wichen nicht vom Platz, wer ihnen zu nahe kam, wurde niedergemacht, und war zurückwich, ausgelacht; aber die Zahl der Feinde mehrte ſich mit jedem Augenblick, und die zwei Män- ner, die überdies tiefer ſtanden, erlagen faſt dem Andrange der Mehrzahl. Indeß hatten ihre Kameraden im Lager dieſen ſonder- baren Sturmlauf mit angeſehen, und eilten jetzt, da die Gefahr wuchs, zu ihrer Hülfe herbei; auch aus der Stadt mehrte ſich der Zulauf, und es entſpann ſich ein hartnäckiger Kampf unter den Mauern; bald waren die Macedonier im Vortheil, warfen den Feind in die Thore zurück, und da die Mauern im Ganzen von Verthei- gern entblößt und an einer Stelle bereits eingeſtürzt waren, ſo ſchien nichts als der Befehl des Königs zum allgemeinen Angriff zu fehlen, um die Stadt einzunehmen. Alexander gab ihn nicht; es war bereits hinter jener Breſche eine neue Mauer mit einſprin- gendem Winkel erbaut worden, ſo daß ein Sturm nicht ohne gro- ßes Blutvergießen hätte bewerkſtelligt werden können.
Sofort ließ Alexander ſeine Maſchinen gegen dieſen Theil der
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Generales Amyntas, nach der Ermordung des Königs Philipp als
einer der Verſchworenen zum Tode verurtheilt, nach Aſien geflohen
war und im Perſiſchen Heere Dienſte genommen hatte. Macedo-
niſcher Seits waren nur zehn Todte, aber dreihundert Verwundete,
da man bei der Dunkelheit der Nacht ſich nicht ſo vorſichtig hatte
vertheidigen können.
Die Maſchinen begannen zu arbeiten, bald lagen zwei Thürme
und die dazwiſchen liegende Mauer, auf der nordöſtlichen Seite der
Stadt, in Schutt; ein dritter Thurm war ſtark beſchädigt, ſo daß
eine Untergrabung ihn leicht zum Sturz bringen mußte; vielleicht
hätte Alexander ſchon jetzt die Stadt mit Sturm nehmen können,
wenn er nicht ſeine Soldaten ſo viel als möglich hätte ſchonen wol-
len. Da ſaßen eines Nachmittags zwei Macedonier aus der Phalanx
Perdikkas unter ihrem Zelt beim Wein, und ſprachen gegen einander
groß von ſich und ihren Thaten, ſie ſchwuren ganz Halikarnaß auf
ihre Lanzenſpitze zu nehmen, und die Perſiſchen Memmen in der
Stadt dazu; ſie nahmen Schild und Speer und rückten ſelbander
gegen die Mauern der Stadt, ſie ſchwangen ihre Waffen und
ſchrieen nach den Zinnen hinauf; das nun ſahen und hörten die
auf der Mauer, und machten gegen die zween Männer einen Aus-
fall; dieſe aber wichen nicht vom Platz, wer ihnen zu nahe kam,
wurde niedergemacht, und war zurückwich, ausgelacht; aber die Zahl
der Feinde mehrte ſich mit jedem Augenblick, und die zwei Män-
ner, die überdies tiefer ſtanden, erlagen faſt dem Andrange der
Mehrzahl. Indeß hatten ihre Kameraden im Lager dieſen ſonder-
baren Sturmlauf mit angeſehen, und eilten jetzt, da die Gefahr
wuchs, zu ihrer Hülfe herbei; auch aus der Stadt mehrte ſich der
Zulauf, und es entſpann ſich ein hartnäckiger Kampf unter den
Mauern; bald waren die Macedonier im Vortheil, warfen den Feind
in die Thore zurück, und da die Mauern im Ganzen von Verthei-
gern entblößt und an einer Stelle bereits eingeſtürzt waren, ſo
ſchien nichts als der Befehl des Königs zum allgemeinen Angriff
zu fehlen, um die Stadt einzunehmen. Alexander gab ihn nicht;
es war bereits hinter jener Breſche eine neue Mauer mit einſprin-
gendem Winkel erbaut worden, ſo daß ein Sturm nicht ohne gro-
ßes Blutvergießen hätte bewerkſtelligt werden können.
Sofort ließ Alexander ſeine Maſchinen gegen dieſen Theil der
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/145>, abgerufen am 25.11.2024.
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