Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

Bild:
<< vorherige Seite

Die Fundamentalschlachtordnung des Macedonischen Heeres
war folgende: das Heer bildete zwei Flügel, von denen der linke
unter Parmenions Anführung stand, der rechte unter Alexander in
der Regel den Hauptangriff machte. Das Fußvolk beider Flügel,
vier Divisionen Phalanx links, und zwei Divisionen nebst den
Hypaspistencorps rechts, bildeten die Hauptlinie; an diese schloß
sich die leichte und schwere Reuterei und das leichte Fußvolk an,
und zwar waren auf dem rechten Flügel stets die acht Ilen der
Macedonischen Ritterschaft, die Päonischen Reuter und Plänkerer,
die Agrianischen Jäger und Bogenschützen; auf dem linken Flügel
stets die Thessalische Ritterschaft nebst den Griechischen Reutern,
die Odrysischen Thracier des Agathon, endlich die Masse des leich-
ten Fußvolkes, die oft aus der Schlachtlinie zur Deckung des La-
gers und der Bagage ausgesondert wurde. Zur Entwickelung der
ganzen Schlachtlinie war bei der gedrängtesten Aufstellung, wenn
die Phalanx verschildet und sechszehn Mann tief, die Reuterei acht
Pferde tief stand, wenigstens eine Ebene von einer halben Meile
Breite erforderlich; in der Regel aber bildete die Phalanx allein
eine Linie von fast fünftausend Schritten. --

So die Armee, mit der Alexander das Morgenland zu erobern
gedachte; verhältnißmäßig gering der Zahl nach hatte sie in ihrer
organischen Gestaltung, in der trefflichen Kriegsübung der einzelnen
Corps, in der moralischen Kraft Aller, endlich in der Persönlichkeit
des Königs und der Generale alle Aussicht auf glücklichen Erfolg;
das Perserreich war nicht dazu angethan, Widerstand zu leisten; in
seiner Ausdehnung, in dem Verhältniß der beherrschten Völker, in
dem mangelhaften Charaker der Verwaltung und der Heeresmacht
lag die Nothwendigkeit seines Falles.

Betrachtet man den Zustand des Perserreiches, wie er zu der
Zeit war, als Darius Kodomannus den Thron bestieg, so erkennt
man leicht, wie alles in Auflösung und zum Untergange reif war.
Der Grund war nicht die Sittenverderbniß des Hofes, des herr-
schenden Stammes, der beherrschten Völker; stete Begleiterin des
Despotismus, thut sie niemals der despotischen Gewalt Abbruch,
und das größeste Reich der neueren Zeit giebt den Beweis, wie
mitten unter der scheußlichsten Liederlichkeit des Hofes, unter steten
Kabalen und Schändlichkeiten der Großen, unter gewaltsamem Thron-

Die Fundamentalſchlachtordnung des Macedoniſchen Heeres
war folgende: das Heer bildete zwei Flügel, von denen der linke
unter Parmenions Anführung ſtand, der rechte unter Alexander in
der Regel den Hauptangriff machte. Das Fußvolk beider Flügel,
vier Diviſionen Phalanx links, und zwei Diviſionen nebſt den
Hypaspiſtencorps rechts, bildeten die Hauptlinie; an dieſe ſchloß
ſich die leichte und ſchwere Reuterei und das leichte Fußvolk an,
und zwar waren auf dem rechten Flügel ſtets die acht Ilen der
Macedoniſchen Ritterſchaft, die Päoniſchen Reuter und Plänkerer,
die Agrianiſchen Jäger und Bogenſchützen; auf dem linken Flügel
ſtets die Theſſaliſche Ritterſchaft nebſt den Griechiſchen Reutern,
die Odryſiſchen Thracier des Agathon, endlich die Maſſe des leich-
ten Fußvolkes, die oft aus der Schlachtlinie zur Deckung des La-
gers und der Bagage ausgeſondert wurde. Zur Entwickelung der
ganzen Schlachtlinie war bei der gedrängteſten Aufſtellung, wenn
die Phalanx verſchildet und ſechszehn Mann tief, die Reuterei acht
Pferde tief ſtand, wenigſtens eine Ebene von einer halben Meile
Breite erforderlich; in der Regel aber bildete die Phalanx allein
eine Linie von faſt fünftauſend Schritten. —

So die Armee, mit der Alexander das Morgenland zu erobern
gedachte; verhältnißmäßig gering der Zahl nach hatte ſie in ihrer
organiſchen Geſtaltung, in der trefflichen Kriegsübung der einzelnen
Corps, in der moraliſchen Kraft Aller, endlich in der Perſönlichkeit
des Königs und der Generale alle Ausſicht auf glücklichen Erfolg;
das Perſerreich war nicht dazu angethan, Widerſtand zu leiſten; in
ſeiner Ausdehnung, in dem Verhältniß der beherrſchten Völker, in
dem mangelhaften Charaker der Verwaltung und der Heeresmacht
lag die Nothwendigkeit ſeines Falles.

Betrachtet man den Zuſtand des Perſerreiches, wie er zu der
Zeit war, als Darius Kodomannus den Thron beſtieg, ſo erkennt
man leicht, wie alles in Auflöſung und zum Untergange reif war.
Der Grund war nicht die Sittenverderbniß des Hofes, des herr-
ſchenden Stammes, der beherrſchten Völker; ſtete Begleiterin des
Despotismus, thut ſie niemals der despotiſchen Gewalt Abbruch,
und das größeſte Reich der neueren Zeit giebt den Beweis, wie
mitten unter der ſcheußlichſten Liederlichkeit des Hofes, unter ſteten
Kabalen und Schändlichkeiten der Großen, unter gewaltſamem Thron-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0115" n="101"/>
          <p>Die Fundamental&#x017F;chlachtordnung des Macedoni&#x017F;chen Heeres<lb/>
war folgende: das Heer bildete zwei Flügel, von denen der linke<lb/>
unter Parmenions Anführung &#x017F;tand, der rechte unter Alexander in<lb/>
der Regel den Hauptangriff machte. Das Fußvolk beider Flügel,<lb/>
vier Divi&#x017F;ionen Phalanx links, und zwei Divi&#x017F;ionen neb&#x017F;t den<lb/>
Hypaspi&#x017F;tencorps rechts, bildeten die Hauptlinie; an die&#x017F;e &#x017F;chloß<lb/>
&#x017F;ich die leichte und &#x017F;chwere Reuterei und das leichte Fußvolk an,<lb/>
und zwar waren auf dem rechten Flügel &#x017F;tets die acht Ilen der<lb/>
Macedoni&#x017F;chen Ritter&#x017F;chaft, die Päoni&#x017F;chen Reuter und Plänkerer,<lb/>
die Agriani&#x017F;chen Jäger und Bogen&#x017F;chützen; auf dem linken Flügel<lb/>
&#x017F;tets die The&#x017F;&#x017F;ali&#x017F;che Ritter&#x017F;chaft neb&#x017F;t den Griechi&#x017F;chen Reutern,<lb/>
die Odry&#x017F;i&#x017F;chen Thracier des Agathon, endlich die Ma&#x017F;&#x017F;e des leich-<lb/>
ten Fußvolkes, die oft aus der Schlachtlinie zur Deckung des La-<lb/>
gers und der Bagage ausge&#x017F;ondert wurde. Zur Entwickelung der<lb/>
ganzen Schlachtlinie war bei der gedrängte&#x017F;ten Auf&#x017F;tellung, wenn<lb/>
die Phalanx ver&#x017F;childet und &#x017F;echszehn Mann tief, die Reuterei acht<lb/>
Pferde tief &#x017F;tand, wenig&#x017F;tens eine Ebene von einer halben Meile<lb/>
Breite erforderlich; in der Regel aber bildete die Phalanx allein<lb/>
eine Linie von fa&#x017F;t fünftau&#x017F;end Schritten. &#x2014;</p><lb/>
          <p>So die Armee, mit der Alexander das Morgenland zu erobern<lb/>
gedachte; verhältnißmäßig gering der Zahl nach hatte &#x017F;ie in ihrer<lb/>
organi&#x017F;chen Ge&#x017F;taltung, in der trefflichen Kriegsübung der einzelnen<lb/>
Corps, in der morali&#x017F;chen Kraft Aller, endlich in der Per&#x017F;önlichkeit<lb/>
des Königs und der Generale alle Aus&#x017F;icht auf glücklichen Erfolg;<lb/>
das Per&#x017F;erreich war nicht dazu angethan, Wider&#x017F;tand zu lei&#x017F;ten; in<lb/>
&#x017F;einer Ausdehnung, in dem Verhältniß der beherr&#x017F;chten Völker, in<lb/>
dem mangelhaften Charaker der Verwaltung und der Heeresmacht<lb/>
lag die Nothwendigkeit &#x017F;eines Falles.</p><lb/>
          <p>Betrachtet man den Zu&#x017F;tand des Per&#x017F;erreiches, wie er zu der<lb/>
Zeit war, als Darius Kodomannus den Thron be&#x017F;tieg, &#x017F;o erkennt<lb/>
man leicht, wie alles in Auflö&#x017F;ung und zum Untergange reif war.<lb/>
Der Grund war nicht die Sittenverderbniß des Hofes, des herr-<lb/>
&#x017F;chenden Stammes, der beherr&#x017F;chten Völker; &#x017F;tete Begleiterin des<lb/>
Despotismus, thut &#x017F;ie niemals der despoti&#x017F;chen Gewalt Abbruch,<lb/>
und das größe&#x017F;te Reich der neueren Zeit giebt den Beweis, wie<lb/>
mitten unter der &#x017F;cheußlich&#x017F;ten Liederlichkeit des Hofes, unter &#x017F;teten<lb/>
Kabalen und Schändlichkeiten der Großen, unter gewalt&#x017F;amem Thron-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[101/0115] Die Fundamentalſchlachtordnung des Macedoniſchen Heeres war folgende: das Heer bildete zwei Flügel, von denen der linke unter Parmenions Anführung ſtand, der rechte unter Alexander in der Regel den Hauptangriff machte. Das Fußvolk beider Flügel, vier Diviſionen Phalanx links, und zwei Diviſionen nebſt den Hypaspiſtencorps rechts, bildeten die Hauptlinie; an dieſe ſchloß ſich die leichte und ſchwere Reuterei und das leichte Fußvolk an, und zwar waren auf dem rechten Flügel ſtets die acht Ilen der Macedoniſchen Ritterſchaft, die Päoniſchen Reuter und Plänkerer, die Agrianiſchen Jäger und Bogenſchützen; auf dem linken Flügel ſtets die Theſſaliſche Ritterſchaft nebſt den Griechiſchen Reutern, die Odryſiſchen Thracier des Agathon, endlich die Maſſe des leich- ten Fußvolkes, die oft aus der Schlachtlinie zur Deckung des La- gers und der Bagage ausgeſondert wurde. Zur Entwickelung der ganzen Schlachtlinie war bei der gedrängteſten Aufſtellung, wenn die Phalanx verſchildet und ſechszehn Mann tief, die Reuterei acht Pferde tief ſtand, wenigſtens eine Ebene von einer halben Meile Breite erforderlich; in der Regel aber bildete die Phalanx allein eine Linie von faſt fünftauſend Schritten. — So die Armee, mit der Alexander das Morgenland zu erobern gedachte; verhältnißmäßig gering der Zahl nach hatte ſie in ihrer organiſchen Geſtaltung, in der trefflichen Kriegsübung der einzelnen Corps, in der moraliſchen Kraft Aller, endlich in der Perſönlichkeit des Königs und der Generale alle Ausſicht auf glücklichen Erfolg; das Perſerreich war nicht dazu angethan, Widerſtand zu leiſten; in ſeiner Ausdehnung, in dem Verhältniß der beherrſchten Völker, in dem mangelhaften Charaker der Verwaltung und der Heeresmacht lag die Nothwendigkeit ſeines Falles. Betrachtet man den Zuſtand des Perſerreiches, wie er zu der Zeit war, als Darius Kodomannus den Thron beſtieg, ſo erkennt man leicht, wie alles in Auflöſung und zum Untergange reif war. Der Grund war nicht die Sittenverderbniß des Hofes, des herr- ſchenden Stammes, der beherrſchten Völker; ſtete Begleiterin des Despotismus, thut ſie niemals der despotiſchen Gewalt Abbruch, und das größeſte Reich der neueren Zeit giebt den Beweis, wie mitten unter der ſcheußlichſten Liederlichkeit des Hofes, unter ſteten Kabalen und Schändlichkeiten der Großen, unter gewaltſamem Thron-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/115
Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/115>, abgerufen am 22.11.2024.