Die Fundamentalschlachtordnung des Macedonischen Heeres war folgende: das Heer bildete zwei Flügel, von denen der linke unter Parmenions Anführung stand, der rechte unter Alexander in der Regel den Hauptangriff machte. Das Fußvolk beider Flügel, vier Divisionen Phalanx links, und zwei Divisionen nebst den Hypaspistencorps rechts, bildeten die Hauptlinie; an diese schloß sich die leichte und schwere Reuterei und das leichte Fußvolk an, und zwar waren auf dem rechten Flügel stets die acht Ilen der Macedonischen Ritterschaft, die Päonischen Reuter und Plänkerer, die Agrianischen Jäger und Bogenschützen; auf dem linken Flügel stets die Thessalische Ritterschaft nebst den Griechischen Reutern, die Odrysischen Thracier des Agathon, endlich die Masse des leich- ten Fußvolkes, die oft aus der Schlachtlinie zur Deckung des La- gers und der Bagage ausgesondert wurde. Zur Entwickelung der ganzen Schlachtlinie war bei der gedrängtesten Aufstellung, wenn die Phalanx verschildet und sechszehn Mann tief, die Reuterei acht Pferde tief stand, wenigstens eine Ebene von einer halben Meile Breite erforderlich; in der Regel aber bildete die Phalanx allein eine Linie von fast fünftausend Schritten. --
So die Armee, mit der Alexander das Morgenland zu erobern gedachte; verhältnißmäßig gering der Zahl nach hatte sie in ihrer organischen Gestaltung, in der trefflichen Kriegsübung der einzelnen Corps, in der moralischen Kraft Aller, endlich in der Persönlichkeit des Königs und der Generale alle Aussicht auf glücklichen Erfolg; das Perserreich war nicht dazu angethan, Widerstand zu leisten; in seiner Ausdehnung, in dem Verhältniß der beherrschten Völker, in dem mangelhaften Charaker der Verwaltung und der Heeresmacht lag die Nothwendigkeit seines Falles.
Betrachtet man den Zustand des Perserreiches, wie er zu der Zeit war, als Darius Kodomannus den Thron bestieg, so erkennt man leicht, wie alles in Auflösung und zum Untergange reif war. Der Grund war nicht die Sittenverderbniß des Hofes, des herr- schenden Stammes, der beherrschten Völker; stete Begleiterin des Despotismus, thut sie niemals der despotischen Gewalt Abbruch, und das größeste Reich der neueren Zeit giebt den Beweis, wie mitten unter der scheußlichsten Liederlichkeit des Hofes, unter steten Kabalen und Schändlichkeiten der Großen, unter gewaltsamem Thron-
Die Fundamentalſchlachtordnung des Macedoniſchen Heeres war folgende: das Heer bildete zwei Flügel, von denen der linke unter Parmenions Anführung ſtand, der rechte unter Alexander in der Regel den Hauptangriff machte. Das Fußvolk beider Flügel, vier Diviſionen Phalanx links, und zwei Diviſionen nebſt den Hypaspiſtencorps rechts, bildeten die Hauptlinie; an dieſe ſchloß ſich die leichte und ſchwere Reuterei und das leichte Fußvolk an, und zwar waren auf dem rechten Flügel ſtets die acht Ilen der Macedoniſchen Ritterſchaft, die Päoniſchen Reuter und Plänkerer, die Agrianiſchen Jäger und Bogenſchützen; auf dem linken Flügel ſtets die Theſſaliſche Ritterſchaft nebſt den Griechiſchen Reutern, die Odryſiſchen Thracier des Agathon, endlich die Maſſe des leich- ten Fußvolkes, die oft aus der Schlachtlinie zur Deckung des La- gers und der Bagage ausgeſondert wurde. Zur Entwickelung der ganzen Schlachtlinie war bei der gedrängteſten Aufſtellung, wenn die Phalanx verſchildet und ſechszehn Mann tief, die Reuterei acht Pferde tief ſtand, wenigſtens eine Ebene von einer halben Meile Breite erforderlich; in der Regel aber bildete die Phalanx allein eine Linie von faſt fünftauſend Schritten. —
So die Armee, mit der Alexander das Morgenland zu erobern gedachte; verhältnißmäßig gering der Zahl nach hatte ſie in ihrer organiſchen Geſtaltung, in der trefflichen Kriegsübung der einzelnen Corps, in der moraliſchen Kraft Aller, endlich in der Perſönlichkeit des Königs und der Generale alle Ausſicht auf glücklichen Erfolg; das Perſerreich war nicht dazu angethan, Widerſtand zu leiſten; in ſeiner Ausdehnung, in dem Verhältniß der beherrſchten Völker, in dem mangelhaften Charaker der Verwaltung und der Heeresmacht lag die Nothwendigkeit ſeines Falles.
Betrachtet man den Zuſtand des Perſerreiches, wie er zu der Zeit war, als Darius Kodomannus den Thron beſtieg, ſo erkennt man leicht, wie alles in Auflöſung und zum Untergange reif war. Der Grund war nicht die Sittenverderbniß des Hofes, des herr- ſchenden Stammes, der beherrſchten Völker; ſtete Begleiterin des Despotismus, thut ſie niemals der despotiſchen Gewalt Abbruch, und das größeſte Reich der neueren Zeit giebt den Beweis, wie mitten unter der ſcheußlichſten Liederlichkeit des Hofes, unter ſteten Kabalen und Schändlichkeiten der Großen, unter gewaltſamem Thron-
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Die Fundamentalſchlachtordnung des Macedoniſchen Heeres
war folgende: das Heer bildete zwei Flügel, von denen der linke
unter Parmenions Anführung ſtand, der rechte unter Alexander in
der Regel den Hauptangriff machte. Das Fußvolk beider Flügel,
vier Diviſionen Phalanx links, und zwei Diviſionen nebſt den
Hypaspiſtencorps rechts, bildeten die Hauptlinie; an dieſe ſchloß
ſich die leichte und ſchwere Reuterei und das leichte Fußvolk an,
und zwar waren auf dem rechten Flügel ſtets die acht Ilen der
Macedoniſchen Ritterſchaft, die Päoniſchen Reuter und Plänkerer,
die Agrianiſchen Jäger und Bogenſchützen; auf dem linken Flügel
ſtets die Theſſaliſche Ritterſchaft nebſt den Griechiſchen Reutern,
die Odryſiſchen Thracier des Agathon, endlich die Maſſe des leich-
ten Fußvolkes, die oft aus der Schlachtlinie zur Deckung des La-
gers und der Bagage ausgeſondert wurde. Zur Entwickelung der
ganzen Schlachtlinie war bei der gedrängteſten Aufſtellung, wenn
die Phalanx verſchildet und ſechszehn Mann tief, die Reuterei acht
Pferde tief ſtand, wenigſtens eine Ebene von einer halben Meile
Breite erforderlich; in der Regel aber bildete die Phalanx allein
eine Linie von faſt fünftauſend Schritten. —
So die Armee, mit der Alexander das Morgenland zu erobern
gedachte; verhältnißmäßig gering der Zahl nach hatte ſie in ihrer
organiſchen Geſtaltung, in der trefflichen Kriegsübung der einzelnen
Corps, in der moraliſchen Kraft Aller, endlich in der Perſönlichkeit
des Königs und der Generale alle Ausſicht auf glücklichen Erfolg;
das Perſerreich war nicht dazu angethan, Widerſtand zu leiſten; in
ſeiner Ausdehnung, in dem Verhältniß der beherrſchten Völker, in
dem mangelhaften Charaker der Verwaltung und der Heeresmacht
lag die Nothwendigkeit ſeines Falles.
Betrachtet man den Zuſtand des Perſerreiches, wie er zu der
Zeit war, als Darius Kodomannus den Thron beſtieg, ſo erkennt
man leicht, wie alles in Auflöſung und zum Untergange reif war.
Der Grund war nicht die Sittenverderbniß des Hofes, des herr-
ſchenden Stammes, der beherrſchten Völker; ſtete Begleiterin des
Despotismus, thut ſie niemals der despotiſchen Gewalt Abbruch,
und das größeſte Reich der neueren Zeit giebt den Beweis, wie
mitten unter der ſcheußlichſten Liederlichkeit des Hofes, unter ſteten
Kabalen und Schändlichkeiten der Großen, unter gewaltſamem Thron-
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/115>, abgerufen am 22.11.2024.
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