beschwor das Volk, nicht wie die Schaafe in der Fabel ihre Wäch- terhunde dem Wolfe auszuliefern. Das Volk wartete in seiner Rathlosigkeit auf des strengen Phocion Meinung; der rieth um jeden Preis des Königs Verzeihung zu erkaufen, und nicht durch unbesonnenen Widerstand zum Unglück Thebens auch Athens Unter- gang hinzuzufügen; jene zehn Männer, deren Auslieferung Alexan- der fordere, möchten jetzt zeigen, daß sie aus Liebe zum Vaterlande sich auch der größten Gefahr zu unterziehen bereit wären. De- mosthenes aber bewog durch seine Rede das Volk, durch fünf Ta- lente den Macedonisch gesinnten Redner Demades, daß dieser an den König gesandt wurde, und ihn bat, diejenigen, welche strafbar seien, dem Gerichte des Athenischen Volkes zu überlassen. Der König that es, theils aus Achtung für Athen, das, wie er gesagt haben soll, sein Augenmerk auf Griechenland richten müsse, weil ihnen, wenn er todt sei, die Hegemonie über Griechenland zukäme 99), theils aus Eifer für den Zug nach Asien, während dessen er keine verdächtige Unzufriedenheit in Griechenland zurücklassen wollte; nur die Verbannung des Feldherrn Charidemus, jenes wilden Wüst- lings, den selbst Demosthenes verabscheute, wurde vom Könige ver- langt; Charidemus floh nach Asien zum Perserkönige. Nicht lange darauf verließ auch Ephialtes Athen und ging zur See fort 100).
Nachdem auf diese Weise Griechenland wieder beruhigt war, und durch die Vernichtung Thebens und die Macedonische Besaz- zung in der Kadmea auch für die Zukunft neue Bewegungen un- möglich schienen, brach Alexander aus dem Lager vor Theben auf, und eilte im Herbst 335 nach Macedonien zurück. Ein Jahr hatte hingereicht, sein vielgefährdetes Königthum unerschütterlich fest zu gründen, und des Gehorsams der Barbarischen Nachbarvölker, der Ruhe in Griechenland, der treuesten Anhänglichkeit seines Vol-
99) Die Notizen zu dieser Darstellung bei Plutarch, im Leben des De- mosthenes und Phocion, bei Diodor und Arrian; an der zweiten Gesandt- schaft soll Phocion bedeutenden Antheil gehabt haben; Plutarch schreibt ihm die ganze Verhandlung mit Alexander und ihren glücklichen Ausgang zu.
100)Dinarch. adv. Demosth. p. 156 stellt Charide- mus Flucht als freiwilligen patriotischen Entschluß dar; wir folgen Arrian; cf. Demosth. ct. Arist. p. 600 und ep. 3. p. 643.
beſchwor das Volk, nicht wie die Schaafe in der Fabel ihre Wäch- terhunde dem Wolfe auszuliefern. Das Volk wartete in ſeiner Rathloſigkeit auf des ſtrengen Phocion Meinung; der rieth um jeden Preis des Königs Verzeihung zu erkaufen, und nicht durch unbeſonnenen Widerſtand zum Unglück Thebens auch Athens Unter- gang hinzuzufügen; jene zehn Männer, deren Auslieferung Alexan- der fordere, möchten jetzt zeigen, daß ſie aus Liebe zum Vaterlande ſich auch der größten Gefahr zu unterziehen bereit wären. De- moſthenes aber bewog durch ſeine Rede das Volk, durch fünf Ta- lente den Macedoniſch geſinnten Redner Demades, daß dieſer an den König geſandt wurde, und ihn bat, diejenigen, welche ſtrafbar ſeien, dem Gerichte des Atheniſchen Volkes zu überlaſſen. Der König that es, theils aus Achtung für Athen, das, wie er geſagt haben ſoll, ſein Augenmerk auf Griechenland richten müſſe, weil ihnen, wenn er todt ſei, die Hegemonie über Griechenland zukäme 99), theils aus Eifer für den Zug nach Aſien, während deſſen er keine verdächtige Unzufriedenheit in Griechenland zurücklaſſen wollte; nur die Verbannung des Feldherrn Charidemus, jenes wilden Wüſt- lings, den ſelbſt Demoſthenes verabſcheute, wurde vom Könige ver- langt; Charidemus floh nach Aſien zum Perſerkönige. Nicht lange darauf verließ auch Ephialtes Athen und ging zur See fort 100).
Nachdem auf dieſe Weiſe Griechenland wieder beruhigt war, und durch die Vernichtung Thebens und die Macedoniſche Beſaz- zung in der Kadmea auch für die Zukunft neue Bewegungen un- möglich ſchienen, brach Alexander aus dem Lager vor Theben auf, und eilte im Herbſt 335 nach Macedonien zurück. Ein Jahr hatte hingereicht, ſein vielgefährdetes Königthum unerſchütterlich feſt zu gründen, und des Gehorſams der Barbariſchen Nachbarvölker, der Ruhe in Griechenland, der treueſten Anhänglichkeit ſeines Vol-
99) Die Notizen zu dieſer Darſtellung bei Plutarch, im Leben des De- moſthenes und Phocion, bei Diodor und Arrian; an der zweiten Geſandt- ſchaft ſoll Phocion bedeutenden Antheil gehabt haben; Plutarch ſchreibt ihm die ganze Verhandlung mit Alexander und ihren glücklichen Ausgang zu.
100)Dinarch. adv. Demosth. p. 156 ſtellt Charide- mus Flucht als freiwilligen patriotiſchen Entſchluß dar; wir folgen Arrian; cf. Demosth. ct. Arist. p. 600 und ep. 3. p. 643.
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terhunde dem Wolfe auszuliefern. Das Volk wartete in ſeiner
Rathloſigkeit auf des ſtrengen Phocion Meinung; der rieth um
jeden Preis des Königs Verzeihung zu erkaufen, und nicht durch
unbeſonnenen Widerſtand zum Unglück Thebens auch Athens Unter-
gang hinzuzufügen; jene zehn Männer, deren Auslieferung Alexan-
der fordere, möchten jetzt zeigen, daß ſie aus Liebe zum Vaterlande
ſich auch der größten Gefahr zu unterziehen bereit wären. De-
moſthenes aber bewog durch ſeine Rede das Volk, durch fünf Ta-
lente den Macedoniſch geſinnten Redner Demades, daß dieſer an den
König geſandt wurde, und ihn bat, diejenigen, welche ſtrafbar ſeien,
dem Gerichte des Atheniſchen Volkes zu überlaſſen. Der König
that es, theils aus Achtung für Athen, das, wie er geſagt haben
ſoll, ſein Augenmerk auf Griechenland richten müſſe, weil ihnen,
wenn er todt ſei, die Hegemonie über Griechenland zukäme 99),
theils aus Eifer für den Zug nach Aſien, während deſſen er
keine verdächtige Unzufriedenheit in Griechenland zurücklaſſen wollte;
nur die Verbannung des Feldherrn Charidemus, jenes wilden Wüſt-
lings, den ſelbſt Demoſthenes verabſcheute, wurde vom Könige ver-
langt; Charidemus floh nach Aſien zum Perſerkönige. Nicht lange
darauf verließ auch Ephialtes Athen und ging zur See fort 100).
Nachdem auf dieſe Weiſe Griechenland wieder beruhigt war,
und durch die Vernichtung Thebens und die Macedoniſche Beſaz-
zung in der Kadmea auch für die Zukunft neue Bewegungen un-
möglich ſchienen, brach Alexander aus dem Lager vor Theben auf,
und eilte im Herbſt 335 nach Macedonien zurück. Ein Jahr
hatte hingereicht, ſein vielgefährdetes Königthum unerſchütterlich feſt
zu gründen, und des Gehorſams der Barbariſchen Nachbarvölker,
der Ruhe in Griechenland, der treueſten Anhänglichkeit ſeines Vol-
99) Die Notizen zu dieſer Darſtellung bei Plutarch, im Leben des De-
moſthenes und Phocion, bei Diodor und Arrian; an der zweiten Geſandt-
ſchaft ſoll Phocion bedeutenden Antheil gehabt haben; Plutarch ſchreibt
ihm die ganze Verhandlung mit Alexander und ihren glücklichen
Ausgang zu.
100) Dinarch. adv. Demosth. p. 156 ſtellt Charide-
mus Flucht als freiwilligen patriotiſchen Entſchluß dar; wir folgen
Arrian; cf. Demosth. ct. Arist. p. 600 und ep. 3. p. 643.
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/103>, abgerufen am 25.11.2024.
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