Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860."Tritt seitwärts," sprach der Eine, "laß Ihn seines Standes Ehren seh'n! -- Den Vorhang weg, daß flatternd weh'n Die Bänder an dem Spiegelglas!" Der Kranke schlug die Augen auf, Man sah wohl, daß er ihn verstand, Ein Blick, ein leuchtender, und drauf Hat er sich düster abgewandt. "Denkst du, mein alter Kamerad, Der jubelnden Vietoria? Wie flogen unsre Banner da Durch der gemähten Feinde Saat! Denkst du an unsers Prinzen Wort: Man sieht es gleich, hier stand der Wart!" "Schnell, Konrad, nehmt die Decke fort, Sein Odem wird so kurz und hart!" Der Obrist lauscht, er murmelt sacht: "Verkümmert wie ein welkes Blatt! Das Dutzend Friedensjahre hat Zum Kapuziner ihn gemacht. -- Wart! Wart! du hast fo frisch und licht So oft dem Tode dich gestellt, Die Furcht, ich weiß es, kennst du nicht, So stirb auch freudig wie ein Held! „Tritt ſeitwärts,“ ſprach der Eine, „laß Ihn ſeines Standes Ehren ſeh’n! — Den Vorhang weg, daß flatternd weh’n Die Bänder an dem Spiegelglas!“ Der Kranke ſchlug die Augen auf, Man ſah wohl, daß er ihn verſtand, Ein Blick, ein leuchtender, und drauf Hat er ſich düſter abgewandt. „Denkſt du, mein alter Kamerad, Der jubelnden Vietoria? Wie flogen unſre Banner da Durch der gemähten Feinde Saat! Denkſt du an unſers Prinzen Wort: Man ſieht es gleich, hier ſtand der Wart!“ „Schnell, Konrad, nehmt die Decke fort, Sein Odem wird ſo kurz und hart!“ Der Obriſt lauſcht, er murmelt ſacht: „Verkümmert wie ein welkes Blatt! Das Dutzend Friedensjahre hat Zum Kapuziner ihn gemacht. — Wart! Wart! du haſt fo friſch und licht So oft dem Tode dich geſtellt, Die Furcht, ich weiß es, kennſt du nicht, So ſtirb auch freudig wie ein Held! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0095" n="79"/> <lg n="3"> <l>„Tritt ſeitwärts,“ ſprach der Eine, „laß</l><lb/> <l>Ihn ſeines Standes Ehren ſeh’n! —</l><lb/> <l>Den Vorhang weg, daß flatternd weh’n</l><lb/> <l>Die Bänder an dem Spiegelglas!“</l><lb/> <l>Der Kranke ſchlug die Augen auf,</l><lb/> <l>Man ſah wohl, daß er ihn verſtand,</l><lb/> <l>Ein Blick, ein leuchtender, und drauf</l><lb/> <l>Hat er ſich düſter abgewandt.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>„Denkſt du, mein alter Kamerad,</l><lb/> <l>Der jubelnden Vietoria?</l><lb/> <l>Wie flogen unſre Banner da</l><lb/> <l>Durch der gemähten Feinde Saat!</l><lb/> <l>Denkſt du an unſers Prinzen Wort:</l><lb/> <l>Man ſieht es gleich, hier ſtand der Wart!“</l><lb/> <l>„Schnell, Konrad, nehmt die Decke fort,</l><lb/> <l>Sein Odem wird ſo kurz und hart!“</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Der Obriſt lauſcht, er murmelt ſacht:</l><lb/> <l>„Verkümmert wie ein welkes Blatt!</l><lb/> <l>Das Dutzend Friedensjahre hat</l><lb/> <l>Zum Kapuziner ihn gemacht. —</l><lb/> <l>Wart! Wart! du haſt fo friſch und licht</l><lb/> <l>So oft dem Tode dich geſtellt,</l><lb/> <l>Die Furcht, ich weiß es, kennſt du nicht,</l><lb/> <l>So ſtirb auch freudig wie ein Held!</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [79/0095]
„Tritt ſeitwärts,“ ſprach der Eine, „laß
Ihn ſeines Standes Ehren ſeh’n! —
Den Vorhang weg, daß flatternd weh’n
Die Bänder an dem Spiegelglas!“
Der Kranke ſchlug die Augen auf,
Man ſah wohl, daß er ihn verſtand,
Ein Blick, ein leuchtender, und drauf
Hat er ſich düſter abgewandt.
„Denkſt du, mein alter Kamerad,
Der jubelnden Vietoria?
Wie flogen unſre Banner da
Durch der gemähten Feinde Saat!
Denkſt du an unſers Prinzen Wort:
Man ſieht es gleich, hier ſtand der Wart!“
„Schnell, Konrad, nehmt die Decke fort,
Sein Odem wird ſo kurz und hart!“
Der Obriſt lauſcht, er murmelt ſacht:
„Verkümmert wie ein welkes Blatt!
Das Dutzend Friedensjahre hat
Zum Kapuziner ihn gemacht. —
Wart! Wart! du haſt fo friſch und licht
So oft dem Tode dich geſtellt,
Die Furcht, ich weiß es, kennſt du nicht,
So ſtirb auch freudig wie ein Held!
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