Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.Mit einmal will mir's tagen! Es war -- ich irre nicht -- In Goldpapier geschlagen Mein allererst Gedicht. Mein Lied vom Hähnchen, was ich So still gemacht, bei Seit', Mich so geschämt und das ich Der Ewigkeit geweiht. Wolltest so hoch du fahren, Du thöricht Kind? Wer weiß? Vielleicht nach dreißig Jahren Treibt schwach dein Lorbeerreis. Du wirst noch schwer und blutig Durch manche Schule geh'n; Und dann nicht halb so muthig Vor deiner Nachwelt steh'n. Zerfallen am Gewände Ist längst der Stiege Rund, Kaum liegt noch vom Gelände Ein morsches Brett am Grund; Und wenn die Balken knarren, Im Sturm die Fahne kreis't, Dann gleitet an den Sparren Nicht mehr des Ahnen Geist. Mit einmal will mir’s tagen! Es war — ich irre nicht — In Goldpapier geſchlagen Mein allererſt Gedicht. Mein Lied vom Hähnchen, was ich So ſtill gemacht, bei Seit’, Mich ſo geſchämt und das ich Der Ewigkeit geweiht. Wollteſt ſo hoch du fahren, Du thöricht Kind? Wer weiß? Vielleicht nach dreißig Jahren Treibt ſchwach dein Lorbeerreis. Du wirſt noch ſchwer und blutig Durch manche Schule geh’n; Und dann nicht halb ſo muthig Vor deiner Nachwelt ſteh’n. Zerfallen am Gewände Iſt längſt der Stiege Rund, Kaum liegt noch vom Gelände Ein morſches Brett am Grund; Und wenn die Balken knarren, Im Sturm die Fahne kreiſ’t, Dann gleitet an den Sparren Nicht mehr des Ahnen Geiſt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0080" n="64"/> <lg n="9"> <l>Mit einmal will mir’s tagen!</l><lb/> <l>Es war — ich irre nicht —</l><lb/> <l>In Goldpapier geſchlagen</l><lb/> <l>Mein allererſt Gedicht.</l><lb/> <l>Mein Lied vom Hähnchen, was ich</l><lb/> <l>So ſtill gemacht, bei Seit’,</l><lb/> <l>Mich ſo geſchämt und das ich</l><lb/> <l>Der Ewigkeit geweiht.</l> </lg><lb/> <lg n="10"> <l>Wollteſt ſo hoch du fahren,</l><lb/> <l>Du thöricht Kind? Wer weiß?</l><lb/> <l>Vielleicht nach dreißig Jahren</l><lb/> <l>Treibt ſchwach dein Lorbeerreis.</l><lb/> <l>Du wirſt noch ſchwer und blutig</l><lb/> <l>Durch manche Schule geh’n;</l><lb/> <l>Und dann nicht halb ſo muthig</l><lb/> <l>Vor deiner Nachwelt ſteh’n.</l> </lg><lb/> <lg n="11"> <l>Zerfallen am Gewände</l><lb/> <l>Iſt längſt der Stiege Rund,</l><lb/> <l>Kaum liegt noch vom Gelände</l><lb/> <l>Ein morſches Brett am Grund;</l><lb/> <l>Und wenn die Balken knarren,</l><lb/> <l>Im Sturm die Fahne kreiſ’t,</l><lb/> <l>Dann gleitet an den Sparren</l><lb/> <l>Nicht mehr des Ahnen Geiſt.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [64/0080]
Mit einmal will mir’s tagen!
Es war — ich irre nicht —
In Goldpapier geſchlagen
Mein allererſt Gedicht.
Mein Lied vom Hähnchen, was ich
So ſtill gemacht, bei Seit’,
Mich ſo geſchämt und das ich
Der Ewigkeit geweiht.
Wollteſt ſo hoch du fahren,
Du thöricht Kind? Wer weiß?
Vielleicht nach dreißig Jahren
Treibt ſchwach dein Lorbeerreis.
Du wirſt noch ſchwer und blutig
Durch manche Schule geh’n;
Und dann nicht halb ſo muthig
Vor deiner Nachwelt ſteh’n.
Zerfallen am Gewände
Iſt längſt der Stiege Rund,
Kaum liegt noch vom Gelände
Ein morſches Brett am Grund;
Und wenn die Balken knarren,
Im Sturm die Fahne kreiſ’t,
Dann gleitet an den Sparren
Nicht mehr des Ahnen Geiſt.
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