Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.Fürwahr, ein armes Völklein war es, Das hier dem Wettersturm entrann, Ein dürrer Jud gebleichten Haares, Mit seinem Hund ein blinder Mann, Des Frohners Weib mit blonden Löckchen, Und dann mit seinem alten Röckchen Der kleine hinkende Johann. Und alle sah'n bei jedem Blitze Vertrauend an den Stamm hinauf, Behaglich rückend sich im Sitze Und drängten lächelnd sich zu Hauf; Denn wie gewalt'ger schlug der Regen, So breiter warf dem Sturm entgegen Der Baum die grünen Schirme auf. Der Baum, der keines Menschen Eigen, Verloren in der Haide stand, Nicht Früchte trug in seinen Zweigen, Nicht Nahrung für des Heerdes Brand; Der nur gepflanzt von Gottes Händen, Dem müden Frohner Schutz zu spenden, Dem Wandrer in der Steppe Sand. Fürwahr, ein armes Völklein war es, Das hier dem Wetterſturm entrann, Ein dürrer Jud gebleichten Haares, Mit ſeinem Hund ein blinder Mann, Des Frohners Weib mit blonden Löckchen, Und dann mit ſeinem alten Röckchen Der kleine hinkende Johann. Und alle ſah’n bei jedem Blitze Vertrauend an den Stamm hinauf, Behaglich rückend ſich im Sitze Und drängten lächelnd ſich zu Hauf; Denn wie gewalt’ger ſchlug der Regen, So breiter warf dem Sturm entgegen Der Baum die grünen Schirme auf. Der Baum, der keines Menſchen Eigen, Verloren in der Haide ſtand, Nicht Früchte trug in ſeinen Zweigen, Nicht Nahrung für des Heerdes Brand; Der nur gepflanzt von Gottes Händen, Dem müden Frohner Schutz zu ſpenden, Dem Wandrer in der Steppe Sand. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0064" n="48"/> <lg n="9"> <l>Fürwahr, ein armes Völklein war es,</l><lb/> <l>Das hier dem Wetterſturm entrann,</l><lb/> <l>Ein dürrer Jud gebleichten Haares,</l><lb/> <l>Mit ſeinem Hund ein blinder Mann,</l><lb/> <l>Des Frohners Weib mit blonden Löckchen,</l><lb/> <l>Und dann mit ſeinem alten Röckchen</l><lb/> <l>Der kleine hinkende Johann.</l> </lg><lb/> <lg n="10"> <l>Und alle ſah’n bei jedem Blitze</l><lb/> <l>Vertrauend an den Stamm hinauf,</l><lb/> <l>Behaglich rückend ſich im Sitze</l><lb/> <l>Und drängten lächelnd ſich zu Hauf;</l><lb/> <l>Denn wie gewalt’ger ſchlug der Regen,</l><lb/> <l>So breiter warf dem Sturm entgegen</l><lb/> <l>Der Baum die grünen Schirme auf.</l> </lg><lb/> <lg n="11"> <l>Der Baum, der keines Menſchen Eigen,</l><lb/> <l>Verloren in der Haide ſtand,</l><lb/> <l>Nicht Früchte trug in ſeinen Zweigen,</l><lb/> <l>Nicht Nahrung für des Heerdes Brand;</l><lb/> <l>Der nur gepflanzt von Gottes Händen,</l><lb/> <l>Dem müden Frohner Schutz zu ſpenden,</l><lb/> <l>Dem Wandrer in der Steppe Sand.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [48/0064]
Fürwahr, ein armes Völklein war es,
Das hier dem Wetterſturm entrann,
Ein dürrer Jud gebleichten Haares,
Mit ſeinem Hund ein blinder Mann,
Des Frohners Weib mit blonden Löckchen,
Und dann mit ſeinem alten Röckchen
Der kleine hinkende Johann.
Und alle ſah’n bei jedem Blitze
Vertrauend an den Stamm hinauf,
Behaglich rückend ſich im Sitze
Und drängten lächelnd ſich zu Hauf;
Denn wie gewalt’ger ſchlug der Regen,
So breiter warf dem Sturm entgegen
Der Baum die grünen Schirme auf.
Der Baum, der keines Menſchen Eigen,
Verloren in der Haide ſtand,
Nicht Früchte trug in ſeinen Zweigen,
Nicht Nahrung für des Heerdes Brand;
Der nur gepflanzt von Gottes Händen,
Dem müden Frohner Schutz zu ſpenden,
Dem Wandrer in der Steppe Sand.
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