Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.O kniee still an deiner Todten Gruft, Dort magst du milde, fromme Thränen weinen, Mit ihrem Odem säuselt dir die Luft, Mit ihrem Antlitz wird der Mond dir scheinen, Dein sind sie, dein, wie mit gebrochnen Augen, Wie dein sie waren mit dem letzten Blick; Doch fliehe vor den Golem, flieh zurück, Die deine Thränen kalt wie Gletscher saugen. Spätes Erwachen. Wie war mein Dasein abgeschlossen, Als ich im grünumhegten Haus, Durch Lerchenschlag und Fichtensprossen Noch träumt' in den Azur hinaus! Als keinen Blick ich noch erkannte, Als den des Strahles durch's Gezweig, Die Felsen meine Brüder nannte, Schwester mein Spiegelbild im Teich! O kniee ſtill an deiner Todten Gruft, Dort magſt du milde, fromme Thränen weinen, Mit ihrem Odem ſäuſelt dir die Luft, Mit ihrem Antlitz wird der Mond dir ſcheinen, Dein ſind ſie, dein, wie mit gebrochnen Augen, Wie dein ſie waren mit dem letzten Blick; Doch fliehe vor den Golem, flieh zurück, Die deine Thränen kalt wie Gletſcher ſaugen. Spätes Erwachen. Wie war mein Daſein abgeſchloſſen, Als ich im grünumhegten Haus, Durch Lerchenſchlag und Fichtenſproſſen Noch träumt’ in den Azur hinaus! Als keinen Blick ich noch erkannte, Als den des Strahles durch’s Gezweig, Die Felſen meine Brüder nannte, Schweſter mein Spiegelbild im Teich! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0040" n="24"/> <lg n="6"> <l>O kniee ſtill an deiner Todten Gruft,</l><lb/> <l>Dort magſt du milde, fromme Thränen weinen,</l><lb/> <l>Mit ihrem Odem ſäuſelt dir die Luft,</l><lb/> <l>Mit ihrem Antlitz wird der Mond dir ſcheinen,</l><lb/> <l>Dein ſind ſie, dein, wie mit gebrochnen Augen,</l><lb/> <l>Wie dein ſie waren mit dem letzten Blick;</l><lb/> <l>Doch fliehe vor den Golem, flieh zurück,</l><lb/> <l>Die deine Thränen kalt wie Gletſcher ſaugen.</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Spätes Erwachen.</hi> </head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">W</hi>ie war mein Daſein abgeſchloſſen,</l><lb/> <l>Als ich im grünumhegten Haus,</l><lb/> <l>Durch Lerchenſchlag und Fichtenſproſſen</l><lb/> <l>Noch träumt’ in den Azur hinaus!</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Als keinen Blick ich noch erkannte,</l><lb/> <l>Als den des Strahles durch’s Gezweig,</l><lb/> <l>Die Felſen meine Brüder nannte,</l><lb/> <l>Schweſter mein Spiegelbild im Teich!</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [24/0040]
O kniee ſtill an deiner Todten Gruft,
Dort magſt du milde, fromme Thränen weinen,
Mit ihrem Odem ſäuſelt dir die Luft,
Mit ihrem Antlitz wird der Mond dir ſcheinen,
Dein ſind ſie, dein, wie mit gebrochnen Augen,
Wie dein ſie waren mit dem letzten Blick;
Doch fliehe vor den Golem, flieh zurück,
Die deine Thränen kalt wie Gletſcher ſaugen.
Spätes Erwachen.
Wie war mein Daſein abgeſchloſſen,
Als ich im grünumhegten Haus,
Durch Lerchenſchlag und Fichtenſproſſen
Noch träumt’ in den Azur hinaus!
Als keinen Blick ich noch erkannte,
Als den des Strahles durch’s Gezweig,
Die Felſen meine Brüder nannte,
Schweſter mein Spiegelbild im Teich!
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDie "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schü… [mehr] Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |