Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.Im Grase. Süße Ruh, süßer Taumel im Gras, Von des Krautes Arom umhaucht, Tiefe Fluth, tief, tieftrunkne Fluth, Wenn die Wolk' am Azure verraucht, Wenn auf's müde, schwimmende Haupt Süßes Lachen gaukelt herab, Liebe Stimme säuselt, und träuft Wie die Lindenblüth' auf ein Grab. Wenn im Busen die Todten dann, Jede Leiche sich streckt und regt, Leise, leise den Odem zieht, Die geschlossne Wimper bewegt, Todte Lieb', todte Lust, todte Zeit, All' die Schätze, im Schutt verwühlt, Sich berühren mit schüchternem Klang Gleich den Glöckchen, vom Winde umspielt. Im Graſe. Süße Ruh, ſüßer Taumel im Gras, Von des Krautes Arom umhaucht, Tiefe Fluth, tief, tieftrunkne Fluth, Wenn die Wolk’ am Azure verraucht, Wenn auf’s müde, ſchwimmende Haupt Süßes Lachen gaukelt herab, Liebe Stimme ſäuſelt, und träuft Wie die Lindenblüth’ auf ein Grab. Wenn im Buſen die Todten dann, Jede Leiche ſich ſtreckt und regt, Leiſe, leiſe den Odem zieht, Die geſchloſſne Wimper bewegt, Todte Lieb’, todte Luſt, todte Zeit, All’ die Schätze, im Schutt verwühlt, Sich berühren mit ſchüchternem Klang Gleich den Glöckchen, vom Winde umſpielt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0036" n="20"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Im Graſe</hi>.</hi> </head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">S</hi>üße Ruh, ſüßer Taumel im Gras,</l><lb/> <l>Von des Krautes Arom umhaucht,</l><lb/> <l>Tiefe Fluth, tief, tieftrunkne Fluth,</l><lb/> <l>Wenn die Wolk’ am Azure verraucht,</l><lb/> <l>Wenn auf’s müde, ſchwimmende Haupt</l><lb/> <l>Süßes Lachen gaukelt herab,</l><lb/> <l>Liebe Stimme ſäuſelt, und träuft</l><lb/> <l>Wie die Lindenblüth’ auf ein Grab.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Wenn im Buſen die Todten dann,</l><lb/> <l>Jede Leiche ſich ſtreckt und regt,</l><lb/> <l>Leiſe, leiſe den Odem zieht,</l><lb/> <l>Die geſchloſſne Wimper bewegt,</l><lb/> <l>Todte Lieb’, todte Luſt, todte Zeit,</l><lb/> <l>All’ die Schätze, im Schutt verwühlt,</l><lb/> <l>Sich berühren mit ſchüchternem Klang</l><lb/> <l>Gleich den Glöckchen, vom Winde umſpielt.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [20/0036]
Im Graſe.
Süße Ruh, ſüßer Taumel im Gras,
Von des Krautes Arom umhaucht,
Tiefe Fluth, tief, tieftrunkne Fluth,
Wenn die Wolk’ am Azure verraucht,
Wenn auf’s müde, ſchwimmende Haupt
Süßes Lachen gaukelt herab,
Liebe Stimme ſäuſelt, und träuft
Wie die Lindenblüth’ auf ein Grab.
Wenn im Buſen die Todten dann,
Jede Leiche ſich ſtreckt und regt,
Leiſe, leiſe den Odem zieht,
Die geſchloſſne Wimper bewegt,
Todte Lieb’, todte Luſt, todte Zeit,
All’ die Schätze, im Schutt verwühlt,
Sich berühren mit ſchüchternem Klang
Gleich den Glöckchen, vom Winde umſpielt.
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