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Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.

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dialekt); auf deine Bejahung stapft er herzhaft vor
dir her, immer nach seinen Kameraden umschauend,
die ihm mit ihren Augen den Rücken decken, bis zum
nächsten Kreuzweg; dann hastig mit der Hand eine
Richtung bezeichnend, springt er fort, so schnell es
sich in Holzschuhen galoppiren läßt, und du steckst
deinen Dreier wieder ein, oder wirfst ihn in den
Sand, wo die kleinen Haidläufer, die dich aus der
Ferne beobachten, ihn schon nicht werden umkommen
lassen. -- In diesem Zuge hast du den Charakter
des Landvolkes in Kürze. -- Gutmüthigkeit, Furcht-
samkeit, tiefes Rechtsgefühl und eine stille Ordnung
und Wirthlichkeit, die, trotz seiner geringen Anlage
zur Speculation und glücklichen Gedanken, ihm doch
einen Wohlstand zu Wege gebracht hat, der selbst
den seines gewerbtreibenden Nachbars, des Sauer-
länders, weit übertrifft. Der Münsterländer hei-
rathet selten, ohne ein sicheres Einkommen in der
Hand zu haben, und verläßt sich, wenn ihm dieses
nicht beschieden ist, lieber auf die Milde seiner Ver-
wandten oder seines Brodherrn, der einen alten
Diener nicht verstoßen wird; und wirklich giebt es
keine, einigermaßen bemittelte Wirthschaft, ohne ein
paar solcher Segenbringer, die ihre müden Knochen
auf dem besten Platze am Herde auswärmen. --
Die illegitime Bevölkerung ist gar nicht in Anschlag

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dialekt); auf deine Bejahung ſtapft er herzhaft vor
dir her, immer nach ſeinen Kameraden umſchauend,
die ihm mit ihren Augen den Rücken decken, bis zum
nächſten Kreuzweg; dann haſtig mit der Hand eine
Richtung bezeichnend, ſpringt er fort, ſo ſchnell es
ſich in Holzſchuhen galoppiren läßt, und du ſteckſt
deinen Dreier wieder ein, oder wirfſt ihn in den
Sand, wo die kleinen Haidläufer, die dich aus der
Ferne beobachten, ihn ſchon nicht werden umkommen
laſſen. — In dieſem Zuge haſt du den Charakter
des Landvolkes in Kürze. — Gutmüthigkeit, Furcht-
ſamkeit, tiefes Rechtsgefühl und eine ſtille Ordnung
und Wirthlichkeit, die, trotz ſeiner geringen Anlage
zur Speculation und glücklichen Gedanken, ihm doch
einen Wohlſtand zu Wege gebracht hat, der ſelbſt
den ſeines gewerbtreibenden Nachbars, des Sauer-
länders, weit übertrifft. Der Münſterländer hei-
rathet ſelten, ohne ein ſicheres Einkommen in der
Hand zu haben, und verläßt ſich, wenn ihm dieſes
nicht beſchieden iſt, lieber auf die Milde ſeiner Ver-
wandten oder ſeines Brodherrn, der einen alten
Diener nicht verſtoßen wird; und wirklich giebt es
keine, einigermaßen bemittelte Wirthſchaft, ohne ein
paar ſolcher Segenbringer, die ihre müden Knochen
auf dem beſten Platze am Herde auswärmen. —
Die illegitime Bevölkerung iſt gar nicht in Anſchlag

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[273/0289] dialekt); auf deine Bejahung ſtapft er herzhaft vor dir her, immer nach ſeinen Kameraden umſchauend, die ihm mit ihren Augen den Rücken decken, bis zum nächſten Kreuzweg; dann haſtig mit der Hand eine Richtung bezeichnend, ſpringt er fort, ſo ſchnell es ſich in Holzſchuhen galoppiren läßt, und du ſteckſt deinen Dreier wieder ein, oder wirfſt ihn in den Sand, wo die kleinen Haidläufer, die dich aus der Ferne beobachten, ihn ſchon nicht werden umkommen laſſen. — In dieſem Zuge haſt du den Charakter des Landvolkes in Kürze. — Gutmüthigkeit, Furcht- ſamkeit, tiefes Rechtsgefühl und eine ſtille Ordnung und Wirthlichkeit, die, trotz ſeiner geringen Anlage zur Speculation und glücklichen Gedanken, ihm doch einen Wohlſtand zu Wege gebracht hat, der ſelbſt den ſeines gewerbtreibenden Nachbars, des Sauer- länders, weit übertrifft. Der Münſterländer hei- rathet ſelten, ohne ein ſicheres Einkommen in der Hand zu haben, und verläßt ſich, wenn ihm dieſes nicht beſchieden iſt, lieber auf die Milde ſeiner Ver- wandten oder ſeines Brodherrn, der einen alten Diener nicht verſtoßen wird; und wirklich giebt es keine, einigermaßen bemittelte Wirthſchaft, ohne ein paar ſolcher Segenbringer, die ihre müden Knochen auf dem beſten Platze am Herde auswärmen. — Die illegitime Bevölkerung iſt gar nicht in Anſchlag 18

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/289>, abgerufen am 24.11.2024.