sagen, denn ich wurde gleich in der ersten Affaire gefangen und bin seitdem sechsundzwanzig Jahre in der türkischen Sklaverei gewesen!" -- "Gott im Himmel! das ist doch schrecklich!" sagte Frau von S. -- "Schlimm genug, die Türken halten uns Christen nicht besser als Hunde; das Schlimmste war, daß meine Kräfte unter der harten Arbeit vergingen; ich ward auch älter und sollte noch immer thun wie vor Jahren."
Er schwieg eine Weile.
"Ja," sagte er dann, "es ging über Menschen- kräfte und Menschengeduld; ich hielt es auch nicht aus. -- Von da kam ich auf ein holländisches Schiff." -- "Wie kamst du denn dahin?" fragte der Gutsherr. -- "Sie fischten mich auf aus dem Bosporus," versetzte Johannes. Der Baron sah ihn befremdet an und hob den Finger warnend auf; aber Johannes erzählte weiter.
Auf dem Schiffe war es ihm nicht viel besser gegangen. "Der Skorbut riß ein; wer nicht ganz elend war, mußte über Macht arbeiten, und das Schiffstau regierte eben so streng wie die türkische Peitsche."
"Endlich," schloß er, "als wir nach Holland kamen, nach Amsterdam, ließ man mich frei, weil ich unbrauchbar war, und der Kaufmann, dem das schiff gehörte, hatte auch Mitleiden mit mir
ſagen, denn ich wurde gleich in der erſten Affaire gefangen und bin ſeitdem ſechsundzwanzig Jahre in der türkiſchen Sklaverei geweſen!“ — „Gott im Himmel! das iſt doch ſchrecklich!“ ſagte Frau von S. — „Schlimm genug, die Türken halten uns Chriſten nicht beſſer als Hunde; das Schlimmſte war, daß meine Kräfte unter der harten Arbeit vergingen; ich ward auch älter und ſollte noch immer thun wie vor Jahren.“
Er ſchwieg eine Weile.
„Ja,“ ſagte er dann, „es ging über Menſchen- kräfte und Menſchengeduld; ich hielt es auch nicht aus. — Von da kam ich auf ein holländiſches Schiff.“ — „Wie kamſt du denn dahin?“ fragte der Gutsherr. — „Sie fiſchten mich auf aus dem Bosporus,“ verſetzte Johannes. Der Baron ſah ihn befremdet an und hob den Finger warnend auf; aber Johannes erzählte weiter.
Auf dem Schiffe war es ihm nicht viel beſſer gegangen. „Der Skorbut riß ein; wer nicht ganz elend war, mußte über Macht arbeiten, und das Schiffstau regierte eben ſo ſtreng wie die türkiſche Peitſche.“
„Endlich,“ ſchloß er, „als wir nach Holland kamen, nach Amſterdam, ließ man mich frei, weil ich unbrauchbar war, und der Kaufmann, dem das ſchiff gehörte, hatte auch Mitleiden mit mir
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ſagen, denn ich wurde gleich in der erſten Affaire
gefangen und bin ſeitdem ſechsundzwanzig Jahre
in der türkiſchen Sklaverei geweſen!“ — „Gott
im Himmel! das iſt doch ſchrecklich!“ ſagte Frau
von S. — „Schlimm genug, die Türken halten
uns Chriſten nicht beſſer als Hunde; das Schlimmſte
war, daß meine Kräfte unter der harten Arbeit
vergingen; ich ward auch älter und ſollte noch
immer thun wie vor Jahren.“
Er ſchwieg eine Weile.
„Ja,“ ſagte er dann, „es ging über Menſchen-
kräfte und Menſchengeduld; ich hielt es auch nicht
aus. — Von da kam ich auf ein holländiſches
Schiff.“ — „Wie kamſt du denn dahin?“ fragte
der Gutsherr. — „Sie fiſchten mich auf aus dem
Bosporus,“ verſetzte Johannes. Der Baron ſah
ihn befremdet an und hob den Finger warnend
auf; aber Johannes erzählte weiter.
Auf dem Schiffe war es ihm nicht viel beſſer
gegangen. „Der Skorbut riß ein; wer nicht ganz
elend war, mußte über Macht arbeiten, und das
Schiffstau regierte eben ſo ſtreng wie die türkiſche
Peitſche.“
„Endlich,“ ſchloß er, „als wir nach Holland
kamen, nach Amſterdam, ließ man mich frei, weil
ich unbrauchbar war, und der Kaufmann, dem
das ſchiff gehörte, hatte auch Mitleiden mit mir
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schü… [mehr]
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schücking aus dem Nachlass Annette von Droste-Hülshoffs herausgegeben, enthalten mehrere Texte, die zum Teil zu Lebzeiten der Autorin bereits andernorts veröffentlicht worden waren. Beispielsweise erschien Droste-Hülshoffs Novelle "Die Judenbuche" zuerst 1842 im "Morgenblatt für gebildete Leser"; die "Westfälischen Schilderungen" erschienen 1845 in den "Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland". Einzelne Gedichte sind in Journalen und Jahrbüchern erschienen, andere wurden aus dem Nachlass erstmals in der hier digitalisierten Edition von Levin Schücking veröffentlicht (z.B. die Gedichte "Der Nachtwanderer", "Doppeltgänger" und "Halt fest!"). In den meisten Fällen handelt es sich somit nicht um Erstveröffentlichungen der Texte, wohl aber um die erste Publikation in Buchform, weshalb die Nachlassedition für das DTA herangezogen wurde.
Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/235>, abgerufen am 25.06.2024.
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