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Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.

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als er umgeschaut, habe er etwas im Gestrüpp
blitzen sehen; es war die Gurtschnalle des Ober-
försters, den man nun hinter den Ranken liegend
fand, grad ausgestreckt, die rechte Hand um den
Flintenlauf geklemmt, die andere geballt und die
Stirn von einer Axt gespalten.

Dies waren die Aussagen der Förster; nun
kamen die Bauern an die Reihe, aus denen jedoch
nichts zu bringen war. Manche behaupteten, um
vier Uhr noch zu Hause oder anderswo beschäftigt
gewesen zu sein, und sie waren sämmtlich angesessene,
unverdächtige Leute. Man mußte sich mit ihren
negativen Zeugnissen begnügen.

Friedrich ward herein gerufen. Er trat ein
mit einem Wesen, das sich durchaus nicht von
seinem gewöhnlichen unterschied, weder gespannt noch
keck. Das Verhör währte ziemlich lange und die
Fragen waren mitunter ziemlich schlau gestellt; er
beantwortete sie jedoch alle offen und bestimmt und
erzählte den Vorgang zwischen ihm und dem Ober-
förster ziemlich der Wahrheit gemäß, bis auf das
Ende, das er gerathener fand, für sich zu behalten.
Sein Alibi zur Zeit des Mordes war leicht er-
wiesen.

Der Förster lag am Ausgange des Master-
holzes; über dreiviertel Stunden Weges von der
Schlucht, in der er Friedrich um vier Uhr ange-

als er umgeſchaut, habe er etwas im Geſtrüpp
blitzen ſehen; es war die Gurtſchnalle des Ober-
förſters, den man nun hinter den Ranken liegend
fand, grad ausgeſtreckt, die rechte Hand um den
Flintenlauf geklemmt, die andere geballt und die
Stirn von einer Axt geſpalten.

Dies waren die Ausſagen der Förſter; nun
kamen die Bauern an die Reihe, aus denen jedoch
nichts zu bringen war. Manche behaupteten, um
vier Uhr noch zu Hauſe oder anderswo beſchäftigt
geweſen zu ſein, und ſie waren ſämmtlich angeſeſſene,
unverdächtige Leute. Man mußte ſich mit ihren
negativen Zeugniſſen begnügen.

Friedrich ward herein gerufen. Er trat ein
mit einem Weſen, das ſich durchaus nicht von
ſeinem gewöhnlichen unterſchied, weder geſpannt noch
keck. Das Verhör währte ziemlich lange und die
Fragen waren mitunter ziemlich ſchlau geſtellt; er
beantwortete ſie jedoch alle offen und beſtimmt und
erzählte den Vorgang zwiſchen ihm und dem Ober-
förſter ziemlich der Wahrheit gemäß, bis auf das
Ende, das er gerathener fand, für ſich zu behalten.
Sein Alibi zur Zeit des Mordes war leicht er-
wieſen.

Der Förſter lag am Ausgange des Maſter-
holzes; über dreiviertel Stunden Weges von der
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[188/0204] als er umgeſchaut, habe er etwas im Geſtrüpp blitzen ſehen; es war die Gurtſchnalle des Ober- förſters, den man nun hinter den Ranken liegend fand, grad ausgeſtreckt, die rechte Hand um den Flintenlauf geklemmt, die andere geballt und die Stirn von einer Axt geſpalten. Dies waren die Ausſagen der Förſter; nun kamen die Bauern an die Reihe, aus denen jedoch nichts zu bringen war. Manche behaupteten, um vier Uhr noch zu Hauſe oder anderswo beſchäftigt geweſen zu ſein, und ſie waren ſämmtlich angeſeſſene, unverdächtige Leute. Man mußte ſich mit ihren negativen Zeugniſſen begnügen. Friedrich ward herein gerufen. Er trat ein mit einem Weſen, das ſich durchaus nicht von ſeinem gewöhnlichen unterſchied, weder geſpannt noch keck. Das Verhör währte ziemlich lange und die Fragen waren mitunter ziemlich ſchlau geſtellt; er beantwortete ſie jedoch alle offen und beſtimmt und erzählte den Vorgang zwiſchen ihm und dem Ober- förſter ziemlich der Wahrheit gemäß, bis auf das Ende, das er gerathener fand, für ſich zu behalten. Sein Alibi zur Zeit des Mordes war leicht er- wieſen. Der Förſter lag am Ausgange des Maſter- holzes; über dreiviertel Stunden Weges von der Schlucht, in der er Friedrich um vier Uhr ange-

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/204>, abgerufen am 23.11.2024.