Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.Meinst du, dein sei der Hände Druck, der Strahl Halt fest dein Wort, o fest wie deine Seele; So stolz und freudig mag kein Lorbeer ranken, Daß er das Brandmal auf der Stirne hehle, Die unter'm Druck des Wortes konnte wanken; Der ärmste Bettler, so ein ehrlich Herz, Wird wie ein König dir genüber treten, Und du? du zupfst den Lorbeer niederwärts Und heimlich mußt du dein "peccavi" beten. Halt fest den Glauben, laß ihn dir genügen! Wer möcht' sein Blut mit fremdem Ichor tauschen! Verstoße nicht den Cherub deiner Wiegen, Aus jedem Blatt wird dir sein Flügel rauschen! Und ist dein Geist zu stark, vielleicht zu blind, In seiner Hand das Flammenschwert zu sehen, So zweifle nicht, er wird, ein weinend Kind, An deinem letzten öden Lager stehen. Und dann die Gabe, gnädig dir verliehen, Den köstlichen Moment, den gottgesandten, 1*
Meinſt du, dein ſei der Hände Druck, der Strahl Halt feſt dein Wort, o feſt wie deine Seele; So ſtolz und freudig mag kein Lorbeer ranken, Daß er das Brandmal auf der Stirne hehle, Die unter’m Druck des Wortes konnte wanken; Der ärmſte Bettler, ſo ein ehrlich Herz, Wird wie ein König dir genüber treten, Und du? du zupfſt den Lorbeer niederwärts Und heimlich mußt du dein „peccavi“ beten. Halt feſt den Glauben, laß ihn dir genügen! Wer möcht’ ſein Blut mit fremdem Ichor tauſchen! Verſtoße nicht den Cherub deiner Wiegen, Aus jedem Blatt wird dir ſein Flügel rauſchen! Und iſt dein Geiſt zu ſtark, vielleicht zu blind, In ſeiner Hand das Flammenſchwert zu ſehen, So zweifle nicht, er wird, ein weinend Kind, An deinem letzten öden Lager ſtehen. Und dann die Gabe, gnädig dir verliehen, Den köſtlichen Moment, den gottgeſandten, 1*
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Meinſt du, dein ſei der Hände Druck, der Strahl
Des eignen Auges arglos und voll Liebe?
Drückſt du zum zweitenmal, blickſt du zum zweitenmal,
Die Frucht iſt fleckig und der Spiegel trübe.
Halt feſt dein Wort, o feſt wie deine Seele;
So ſtolz und freudig mag kein Lorbeer ranken,
Daß er das Brandmal auf der Stirne hehle,
Die unter’m Druck des Wortes konnte wanken;
Der ärmſte Bettler, ſo ein ehrlich Herz,
Wird wie ein König dir genüber treten,
Und du? du zupfſt den Lorbeer niederwärts
Und heimlich mußt du dein „peccavi“ beten.
Halt feſt den Glauben, laß ihn dir genügen!
Wer möcht’ ſein Blut mit fremdem Ichor tauſchen!
Verſtoße nicht den Cherub deiner Wiegen,
Aus jedem Blatt wird dir ſein Flügel rauſchen!
Und iſt dein Geiſt zu ſtark, vielleicht zu blind,
In ſeiner Hand das Flammenſchwert zu ſehen,
So zweifle nicht, er wird, ein weinend Kind,
An deinem letzten öden Lager ſtehen.
Und dann die Gabe, gnädig dir verliehen,
Den köſtlichen Moment, den gottgeſandten,
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