ihm vor, als ob Alles sich bewegte und die Bäume in den einzelnen Mondstrahlen bald zusammen, bald von einander schwankten. Baumwurzeln und schlüpf- rige Stellen, wo sich das Wasser gesammelt, machten seinen Schritt unsicher; er war einige Male nahe daran, zu fallen. Jetzt schien sich in einiger Ent- fernung das Dunkel zu brechen, und bald traten Beide in eine ziemlich große Lichtung. Der Mond schien klar hinein und zeigte, daß hier noch vor Kurzem die Axt unbarmherzig gewüthet hatte. Ueberall ragten Baumstümpfe hervor, manche meh- rere Fuß über der Erde, wie sie gerade in der Eile am bequemsten zu durchschneiden gewesen waren; die verpönte Arbeit mußte unversehens unterbrochen worden sein, denn eine Buche lag quer über dem Pfad, in vollem Laube, ihre Zweige hoch über sich streckend und im Nachtwinde mit den noch frischen Blättern zitternd. Simon blieb einen Augenblick stehen und betrachtete den gefällten Stamm mit Aufmerksamkeit. In der Mitte der Lichtung stand eine alte Eiche, mehr breit als hoch; ein blasser Strahl, der durch die Zweige auf ihren Stamm fiel, zeigte, daß er hohl sei, was ihn wahrscheinlich vor der allgemeinen Zerstörung geschützt hatte. Hier ergriff Simon plötzlich des Knaben Arm.
"Friedrich, kennst du den Baum? Das ist die breite Eiche." -- Friedrich fuhr zusammen und
ihm vor, als ob Alles ſich bewegte und die Bäume in den einzelnen Mondſtrahlen bald zuſammen, bald von einander ſchwankten. Baumwurzeln und ſchlüpf- rige Stellen, wo ſich das Waſſer geſammelt, machten ſeinen Schritt unſicher; er war einige Male nahe daran, zu fallen. Jetzt ſchien ſich in einiger Ent- fernung das Dunkel zu brechen, und bald traten Beide in eine ziemlich große Lichtung. Der Mond ſchien klar hinein und zeigte, daß hier noch vor Kurzem die Axt unbarmherzig gewüthet hatte. Ueberall ragten Baumſtümpfe hervor, manche meh- rere Fuß über der Erde, wie ſie gerade in der Eile am bequemſten zu durchſchneiden geweſen waren; die verpönte Arbeit mußte unverſehens unterbrochen worden ſein, denn eine Buche lag quer über dem Pfad, in vollem Laube, ihre Zweige hoch über ſich ſtreckend und im Nachtwinde mit den noch friſchen Blättern zitternd. Simon blieb einen Augenblick ſtehen und betrachtete den gefällten Stamm mit Aufmerkſamkeit. In der Mitte der Lichtung ſtand eine alte Eiche, mehr breit als hoch; ein blaſſer Strahl, der durch die Zweige auf ihren Stamm fiel, zeigte, daß er hohl ſei, was ihn wahrſcheinlich vor der allgemeinen Zerſtörung geſchützt hatte. Hier ergriff Simon plötzlich des Knaben Arm.
„Friedrich, kennſt du den Baum? Das iſt die breite Eiche.“ — Friedrich fuhr zuſammen und
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ihm vor, als ob Alles ſich bewegte und die Bäume
in den einzelnen Mondſtrahlen bald zuſammen, bald
von einander ſchwankten. Baumwurzeln und ſchlüpf-
rige Stellen, wo ſich das Waſſer geſammelt, machten
ſeinen Schritt unſicher; er war einige Male nahe
daran, zu fallen. Jetzt ſchien ſich in einiger Ent-
fernung das Dunkel zu brechen, und bald traten
Beide in eine ziemlich große Lichtung. Der Mond
ſchien klar hinein und zeigte, daß hier noch vor
Kurzem die Axt unbarmherzig gewüthet hatte.
Ueberall ragten Baumſtümpfe hervor, manche meh-
rere Fuß über der Erde, wie ſie gerade in der Eile
am bequemſten zu durchſchneiden geweſen waren;
die verpönte Arbeit mußte unverſehens unterbrochen
worden ſein, denn eine Buche lag quer über dem
Pfad, in vollem Laube, ihre Zweige hoch über ſich
ſtreckend und im Nachtwinde mit den noch friſchen
Blättern zitternd. Simon blieb einen Augenblick
ſtehen und betrachtete den gefällten Stamm mit
Aufmerkſamkeit. In der Mitte der Lichtung ſtand
eine alte Eiche, mehr breit als hoch; ein blaſſer
Strahl, der durch die Zweige auf ihren Stamm
fiel, zeigte, daß er hohl ſei, was ihn wahrſcheinlich
vor der allgemeinen Zerſtörung geſchützt hatte. Hier
ergriff Simon plötzlich des Knaben Arm.
„Friedrich, kennſt du den Baum? Das iſt
die breite Eiche.“ — Friedrich fuhr zuſammen und
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schü… [mehr]
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schücking aus dem Nachlass Annette von Droste-Hülshoffs herausgegeben, enthalten mehrere Texte, die zum Teil zu Lebzeiten der Autorin bereits andernorts veröffentlicht worden waren. Beispielsweise erschien Droste-Hülshoffs Novelle "Die Judenbuche" zuerst 1842 im "Morgenblatt für gebildete Leser"; die "Westfälischen Schilderungen" erschienen 1845 in den "Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland". Einzelne Gedichte sind in Journalen und Jahrbüchern erschienen, andere wurden aus dem Nachlass erstmals in der hier digitalisierten Edition von Levin Schücking veröffentlicht (z.B. die Gedichte "Der Nachtwanderer", "Doppeltgänger" und "Halt fest!"). In den meisten Fällen handelt es sich somit nicht um Erstveröffentlichungen der Texte, wohl aber um die erste Publikation in Buchform, weshalb die Nachlassedition für das DTA herangezogen wurde.
Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/180>, abgerufen am 23.11.2024.
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