Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.6. Johannisthau. Es ist die Zeit nun, wo den blauen Tag Schon leiser weckt der Nachtigallen Schlag, Wo schon die Taube in der Mittagsgluth Sich trunkner, müder breitet ob der Brut, Wo abends, wenn das Sonnengold zergangen, Verlorner Funke irrt, des Wurmes Schein, An allen Ranken Blütenbüschel hangen, Und Düfte zieh'n in alle Kammern ein. "Weck' mich zur rechten Zeit, mein Kamerad, Versäumen möcht' ich Sanct Johannis Bad Um Alles nicht; ich hab' das ganze Jahr Darauf gehofft, wenn mir so elend war. Jerome, du mochtest immer gut es meinen, Bist auch, wie ich, nur armer Leute Kind. Doch hast du klare Augen und die Deinen, Und ich bin eine Waise und halb blind! 6. Johannisthau. Es iſt die Zeit nun, wo den blauen Tag Schon leiſer weckt der Nachtigallen Schlag, Wo ſchon die Taube in der Mittagsgluth Sich trunkner, müder breitet ob der Brut, Wo abends, wenn das Sonnengold zergangen, Verlorner Funke irrt, des Wurmes Schein, An allen Ranken Blütenbüſchel hangen, Und Düfte zieh’n in alle Kammern ein. „Weck’ mich zur rechten Zeit, mein Kamerad, Verſäumen möcht’ ich Sanct Johannis Bad Um Alles nicht; ich hab’ das ganze Jahr Darauf gehofft, wenn mir ſo elend war. Jerome, du mochteſt immer gut es meinen, Biſt auch, wie ich, nur armer Leute Kind. Doch haſt du klare Augen und die Deinen, Und ich bin eine Waiſe und halb blind! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0116" n="100"/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b">6.<lb/> Johannisthau.</hi> </head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">E</hi>s iſt die Zeit nun, wo den blauen Tag</l><lb/> <l>Schon leiſer weckt der Nachtigallen Schlag,</l><lb/> <l>Wo ſchon die Taube in der Mittagsgluth</l><lb/> <l>Sich trunkner, müder breitet ob der Brut,</l><lb/> <l>Wo abends, wenn das Sonnengold zergangen,</l><lb/> <l>Verlorner Funke irrt, des Wurmes Schein,</l><lb/> <l>An allen Ranken Blütenbüſchel hangen,</l><lb/> <l>Und Düfte zieh’n in alle Kammern ein.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>„Weck’ mich zur rechten Zeit, mein Kamerad,</l><lb/> <l>Verſäumen möcht’ ich Sanct Johannis Bad</l><lb/> <l>Um Alles nicht; ich hab’ das ganze Jahr</l><lb/> <l>Darauf gehofft, wenn mir ſo elend war.</l><lb/> <l>Jerome, du mochteſt immer gut es meinen,</l><lb/> <l>Biſt auch, wie ich, nur armer Leute Kind.</l><lb/> <l>Doch haſt du klare Augen und die Deinen,</l><lb/> <l>Und ich bin eine Waiſe und halb blind!</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [100/0116]
6.
Johannisthau.
Es iſt die Zeit nun, wo den blauen Tag
Schon leiſer weckt der Nachtigallen Schlag,
Wo ſchon die Taube in der Mittagsgluth
Sich trunkner, müder breitet ob der Brut,
Wo abends, wenn das Sonnengold zergangen,
Verlorner Funke irrt, des Wurmes Schein,
An allen Ranken Blütenbüſchel hangen,
Und Düfte zieh’n in alle Kammern ein.
„Weck’ mich zur rechten Zeit, mein Kamerad,
Verſäumen möcht’ ich Sanct Johannis Bad
Um Alles nicht; ich hab’ das ganze Jahr
Darauf gehofft, wenn mir ſo elend war.
Jerome, du mochteſt immer gut es meinen,
Biſt auch, wie ich, nur armer Leute Kind.
Doch haſt du klare Augen und die Deinen,
Und ich bin eine Waiſe und halb blind!
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